Die Chefin und Semir begrüßten kühl den Anwalt, der sich zuvor nochmal mit seinem Klienten besprochen hatte. Als die Krüger ganz offiziell das Verhör eröffnete, indem sie die Personalien Florian´s vorlas, bejahte er das, aber das war auch der einzige Ton, den er von sich gab, alles andere Reden übernahm sein Anwalt. Auf die Frage, wie Florian überhaupt auf sein Opfer getroffen war, erklärte der Anwalt, dass Berghoff, der sich ja nun nicht mehr wehren konnte, Florian unter Drogen gesetzt und in ein Abhängigkeitsverhältnis gebracht habe. Er habe das nicht gewollt, aber mit psychologischer Beeinflussung-und sein Klient sei sehr labil, wie viele bereits vorliegende Gutachten von mehreren namhaften Sachverständigen bewiesen-habe ihn der so weit gebracht, zu funktionieren, wie eine Puppe und Ben auf sein Geheiß hin zu brandmarken. Ihm sei überhaupt nicht bewusst gewesen, dass erstens das Opfer damit vielleicht nicht einverstanden gewesen sein könne, denn durch das Internet würde den jungen Menschen von heute vorgegaukelt, dass Sado-Maso-Spielchen zum Alltag gehörten und zweitens, dass er ihm damit eventuell bleibende Schäden zugefügt habe. Es tue Florian wahnsinnig leid und er wolle sich in aller Form für sein Fehlverhalten entschuldigen.Leider habe sein Klient bei beiden Terminen zu bewusstseinserweiternden Drogen gegriffen und so jeglichen Realitätsbezug verloren, wie auch seine Freunde. Sie wären im Internet in Online-Spielen zu Hause und da habe sich die Realität mit der Fiktion vermischt. Sie hätten Ben auf diesen Tisch, wie auf einen Altar gebunden, um ihn zu verehren wie eine Gottheit und hätten ihn selbstverständlich, wenn die Drogen abgeklungen wären, ärztlicher Behandlung zugeführt. Allerdings wäre der Polizist auch schon verletzt gewesen, als Florian ihn zum ersten Mal gesehen habe, daher wäre er sich ja so sicher gewesen, dass die Spiele einvernehmlich stattgefunden hätten.
Die Chefin und Semir sahen sich sprachlos an. Was für eine gequirlte Scheiße gab dieser Typ denn von sich? Es war sonnenklar, was für eine Strategie der fuhr, aber die durfte um Himmels willen nicht funktionieren!Nun ergriff Semir das Wort. Mit drohendem Unterton sagte er: „Sie glauben doch nicht, dass sie damit durchkommen? Mein Kollege wäre beinahe gestorben und wie erklären sie dann die Szenen, die ich mit eigenen Augen gesehen habe? Immerhin haben die Freaks in ihren lächerlichen Kostümen-nun funkelte ihn Florian wütend an, sagte aber kein Wort, als sein Anwalt ihn warnend fixierte-Herrn Jäger mehrfache Schnittverletzungen zugefügt, als sie ihn umtanzt haben? Auch dafür gibt es Videobeweise, die uns vorliegen und meine Aussage wird vor Gericht auch Bestand haben. Das lässt sich wohl nicht mit einer Götterverehrung erklären!“ sagte er wütend, aber auch auf diese Frage fiel dem Anwalt etwas ein. „Doch, gerade eben. Durch diese leichten Blutungen wollten sie die gemeinsame Ekstase steigern, in die Herr Jäger ja gleichfalls gefallen war. Sie wussten ja nicht, dass er das gar nicht wollte! Berghoff hatte ihnen da was anderes erklärt und zusammen mit den Drogen….Außerdem müssen sie mir doch zustimmen, wenn die Jungs zu diesem Zeitpunkt bei vollem Verstand gewesen wären, hätten sie sich nie von einem lächerlich maskierten Schauspieler in diesen Kellerraum sperren lassen. Die waren in der Überzahl und haben sich trotzdem zu keinem Zeitpunkt aggressiv verhalten, sondern einfach bei einem, in ihren Augen, tollen Spiel mitgespielt!“ erklärte er zufrieden, denn diese Strategie erklärte nun wirklich alle Taten Florians.
„Und die Million Euro in der Sporttasche im Wagen, die ja eindeutig als Bezahlung für Berghoff gedacht war, wie wollen sie die erklären?“ fragte nun die Chefin wieder. „Die war für einen Erholungsurlaub gedacht. Florian wollte mit seinen Freunden eine gemeinsame Reise machen, an die schönsten Schauplätze ihres Lieblingsspiels auf der ganzen Welt. Dante´s Inferno wird überall gespielt und da gibt es Communities, die sie gemeinsam besuchen wollten. Mir ist schon klar, dass das in ihren Augen viel zu viel Geld für einen netten Urlaub ist, aber die Relationen sind in anderen Kreisen eben grundlegend verschieden zu denen, eines Otto-Normalverbrauchers!“ erklärte der Anwalt und musterte verächtlich Semir´s Jeans und Sweatshirt. Er selber trug feinen Zwirn und Maßschuhe, so angezogen wie dieser Polizist würde er sein Haus nie verlassen. Semir bemerkte den abwertenden Blick und die Zornesader an seiner Stirn, die schon zu pochen begonnen hatte, schwoll nun gefährlich an. Verdammt, dieser windige Anwalt hatte auf jede Frage eine Antwort und das Gefährliche daran war, dass man Sorge haben musste, dass einem Richter seine Erklärungen eben auch logisch und sinnvoll waren. Wie konnten sie Florian nur festnageln? Leider fiel weder ihm, noch der Chefin irgendetwas ein, womit sie dieses Spiel durchkreuzen konnten. So blieb ihnen nichts anderes übrig, als die Vernehmung zu beenden.Der Anwalt behielt sogar das letzte Wort, indem er sagte: „Richten sie bitte Herrn Jäger eine herzliche Entschuldigung im Namen meines Mandanten aus. Leider war meinem Klienten nicht klar, wie sehr er in die Privatsphäre ihres Kollegen eingedrungen ist, das ist unverzeihlich, aber wir wünschen ihm gemeinsam gute Besserung!“ erklärte er und nun blieb Semir sogar der Mund offenstehen.
Florian wurde nach dem Verhör in das nächstgelegene Untersuchungsgefängnis verbracht und Semir und die Chefin gingen geknickt und sprachlos ins Büro zurück. „Verdammt, was können wir nur tun, um diesen Typen seiner gerechten Strafe zuzuführen?“ fragte Semir hilflos und die Chefin zuckte mit den Schultern. „Ich weiß auch nicht!“ sagte sie niedergeschlagen und in dieser Stimmung machten sie beide Feierabend.