In der PASt angekommen, steckten sie Kaul erst mal in die Zelle. „Da soll er erst einmal ein wenig nachdenken, warum er unser Gast ist-inzwischen holen wir uns die feine Dame, die vor lauter Charity nicht weiss, wie sie ihren Tag rumbringen soll!“ beschloss die Chefin. Semir bedachte sie mit einem Lächeln. Hatte er da die gleiche Wut und Entschlossenheit in ihrer Stimme wahrgenommen, die auch ihn umtrieb? Es war ihm eine Genugtuung gewesen, Kaul vor seinen arroganten Vorzimmerdamen festzunehmen. Wer andere Menschen so geringschätzte, dass er sie quälen konnte, der hatte es nicht anders verdient!
Wenig später saßen sie wieder im BMW und waren unterwegs zu der Adresse, die Susanne herausgefunden hatte. Als sie an der riesigen Stadtvilla in bester Kölner Wohnlage läuteten, öffnete ihnen eine verhärmt aussehende, ältere Frau in schwarzem Kleid mit weisser Rüschenschürze. Semir musste die Augen zweimal schliessen und wieder aufmachen. War er schon wieder mal im vergangenen Jahrhundert gelandet? Er hatte ja gehofft, dass das bei Berghoff eine Ausnahme sei, aber anscheinend war das in höheren Kreisen normal, sein Personal zu erniedrigen und auszustaffieren, wie für einen Kostümfilm aus dem 19. Jahrhundert!
„Könnten wir bitte mit Frau Eder sprechen?“ fragte Semir freundlich.Nach einem kurzen Zögern sagte die ältere Frau: „Tut mir leid, aber die gnädige Frau ist nicht da!“ Semir und die Chefin holten nun ihre Ausweise aus der Tasche und stellten sich vor. „Gerkan und Krüger, Kripo Autobahn! Würden sie uns dann bitte sagen, wo wir sie finden können? Wir haben nämlich einen Haftbefehl für sie! “sagte Semir knallhart, denn es war ja egal, wenn das Personal das erfuhr, das war eine rechtlich einwandfreie Sache und wenn jemand ein Verbrechen beging, musste er auch dafür einstehen. Die Frau schluckte und sagte zögernd: „Vielleicht ist sie im Fitnesstudio, wir haben zwar hier im Haus auch einen Trainingsraum, aber manchmal geht sie dahin, die haben nämlich einen sogenannten VIP-Bereich!“ Frau Krüger sagte ungeduldig: „Die Adresse bitte, wir haben nicht den ganzen Vormittag Zeit!“ und die Angestellte gab sie ihnen.
Während sie zum angegebenen Studio in Lindenthal fuhren, sagte Semir nachdenklich: „Irgendwie war diese Frau ganz verschreckt, mich würde interessieren warum!“ und die Chefin erwiderte: „Glauben sie, dass die Eder zu ihrem Personal anders ist? Jemand der ein Vergnügen daran findet, andere Menschen, oder auch Tiere zu quälen, ist doch immer rücksichtslos und ihm fehlt es an Mitleid und Empathie. Für so jemanden zu arbeiten, muss nicht lustig sein!“ sagte sie und Semir erwiderte: „Da könnten sie Recht haben!“
Nach gut halbstündiger Fahrt mit Stau kamen sie an dem angegebenen Club an. Sie liessen sich zum Geschäftsführer bringen, da der Einlass nur mit Karte möglich war. Ein Otto Normalverbraucher kam dort schon gar nicht rein. Während sie durch ein paar Fitnessräume geführt wurden, musterte Semir neugierig die Trainierenden. Da waren viele Gesichter dabei, die er aus der Presse, oder von Sendungen von RTL her kannte. Moderatoren, Schauspieler, Politiker-er wollte gar nicht wissen, was da der Jahresbeitrag kostete. Auffällig war auch, dass eine Menge Fitnesstrainer und Trainerinnen herumwuselten, jeder einzelne gutaussehend und durchtrainiert. Na klar, die Créme de la Créme würde sich nicht mit hässlichen Menschen umgeben, man wollte schliesslich auch was fürs Auge haben !Der Geschäftsführer begrüsste sie freundlich in seinem Büro. „Was führt sie zu mir?“ fragte er und Semir sagte wieder gnadenlos: „Wir haben einen Haftbefehl für eine ihrer Kundinnen, Melissa Eder, ist die da?“ fragte er und der Geschäftsführer bat sie, kurz zu warten. „Einen Moment bitte, ich schaue mal, ob sie heute schon eingecheckt hat.“ sagte er und rief ein Computerprogramm auf. Nach einem kurzen Blick darauf informierte er sie: „Nein, sie war zum letzten Mal vorgestern da!“ und Semir und die Chefin bedankten sich. Semir gab ihm seine Karte: „Falls sie kommen sollte, rufen sie mich bitte an!“ bat er und während er sie persönlich hinausgeleitete, versicherte ihnen der etwas geschockte Mann, sie natürlich sofort zu verständigen. Mein Gott, war er froh, dass da keine Polizisten in Uniform erschienen waren, das hätte dem Club und seinem Image sehr geschadet. Als Semir und die Chefin draussen waren, wischte er sich den Schweiss von der Stirn und ging wieder seiner Arbeit nach.
Als Semir und Frau Krüger im Freien waren, begann Semir´s Magen laut und vernehmlich zu knurren. „Wie wär´s Chefin, sollen wir was essen gehen?“ fragte er und nach kurzem Zögern stimmte ihm die Krüger zu. „Wohin?“ wollte er wissen. Die Chefin sagte nach kurzer Überlegung: „Dorthin, wo sie jetzt mit Ben hingehen würden!“ und Semir lenkte den BMW nach kurzer Überlegung zu einem Dönerstand in der Nähe, wo er und Ben gelegentlich Pause machten. Während Semir genüsslich in den Döner mit allem biss, musterte die Chefin, die sich das Gleiche bestellt hatte, misstrauisch das belegte Fladenbrot. Dann biss sie allerdings herzhaft hinein und war begeistert. Nachdem sie beide ihre Portion verdrückt hatten, sagte die Chefin: „Das war köstlich!“ und Semir nickte lächelnd. Das hätte Ben jetzt auch geschmeckt, aber mit dem verdrahteten Kiefer würde das vermutlich noch eine Weile dauern, bis der sowas wieder essen konnte. Die Chefin fügte dann noch hinzu: „Das war nämlich mein erster Döner!“ und jetzt war es an Semir, sie fassungslos anzustarren.
Nach einem Blick auf die Uhr-es war kurz nach eins inzwischen- beschlossen sie, nochmals zum Haus der Eders zu fahren. Wenn sie ihre Täterin diesmal nicht antreffen würden, würde sie zur Fahndung ausgeschrieben und den Ehemann würde man auch verständigen.
Als die beiden Polizisten das Haus verlassen hatten, war die Angestellte zu ihrer Chefin geeilt, die mit einer dunklen Augenbinde mit innenliegenden Coolpads auf dem Bett lag. Der Vorabend auf einer Charityveranstaltung war lang und feuchtfröhlich gewesen. Ihr Kopf brummte, vielleicht würde sie auch wieder eine Migräne kriegen! Na ja, ganz sicher zumindest, wenn ihr Mann Sex von ihr wollte, was sie zur Zeit gar nicht aushalten konnte. Seitdem sie diesen gutaussehenden, dunkelhaarigen Mann gequält hatte, verzehrte sie sich nach dessen Körper. Sie wollte ihn weiter quälen, sehen, wie er schrie und litt und alleine bei dem Gedanken an dieses Hochgefühl, begann es zwischen ihren Beinen zu kribbeln. Sie malte sich aus, was sie noch mit ihm anstellen würde, allerdings würde es schwer werden, an ihn ranzukommen, denn sie hatte von Berghoffs grausamem Tod in der Zeitung gelesen. Aber vielleicht sollte sie einfach noch mal zur Burg fahren? Man hatte soweit nichts gehört, vielleicht war ihr Opfer noch dort und sie konnte ihn ganz für sich alleine haben? Gerade, als sie sich anziehen und auf den Weg machen wollte, stand ihre Angestellte schreckensbleich vor ihr: „Gnädige Frau, soeben ist etwas Schreckliches passiert!“ sagte sie und nun richtete sich Melissa erschrocken auf.