Ben wartete nun, wie angewiesen, am Wanderparkplatz im Tal. Der war vom Städtchen aus nicht einsehbar und um diese winterliche Jahreszeit verirrten sich nur selten Spaziergänger in diese wildromantische Gegend. Die beiden Verfolger stellten den Wagen ab und stiegen mit den Waffen im Anschlag aus. „Wir machen jetzt einen kleinen Spaziergang!“ erklärte der eine und ging voraus, während der andere ihm folgte. Ben konnte nichts anderes tun, als zwischen seinen beiden Entführern zu laufen. Nach wenigen Metern endete der normale Weg und sie betraten einen Steg aus Brettern, etwa 75cm breit, der in eine merkwürdige Gegend führte. Einige wenige kleine Birken wuchsen in dieser Ebene und kleine Wacholdersträucher, aber sonst war das Gelände völlig gerade. Nach wenigen Metern war Ben plötzlich klar, wohin sie gerade liefen-das war ein Hochmoor!
Nun konnte er ahnen, was seine Entführer mit ihm vorhatten! Ein Moor war ein gefährlicher Ort und wenn man da vom Weg abkam, konnte man jederzeit darin versinken. Wenn seine Leiche gefunden wurde, würde kein Zweifel daran bestehen, dass es ein Unfall gewesen war, niemand würde auf den Gedanken kommen, dass er nicht freiwillig auf diesen Steg gegangen war, zumal ihn sicher einige Zeugen hatten durch die Stadt joggen sehen und so würden die polizeilichen Ermittlungen nach kurzer Zeit abgeschlossen sein. Er war auf seinem Fitnesstrip ins Moor gelaufen, da vom Weg abgekommen und durch einen bedauerlichen Unglücksfall ertrunken!
Neben ihnen gluckste die braune Brühe, die Sonne schien und die klare, eiskalte Luft wäre wunderschön gewesen, wenn Ben nicht solche Angst gehabt hätte. Fieberhaft überlegte er, was er unternehmen konnte. Was wäre, wenn er dem Mann vor sich einen Schubs gab? Dann würde der straucheln und sein Kumpel würde ihm vielleicht zu helfen versuchen, so dass er derweil davonrennen konnte?
Allerdings verwarf er nach kurzer Überlegung den Gedanken. Unter diesen Umständen würde er sich schneller eine Kugel einfangen, als er bis drei zählen konnte. Diese Männer wussten was sie taten und irgendwie konnte sich Ben des Gedankens nicht erwehren, dass sie das auch nicht zum ersten Mal auf diese Weise machten.
Nach kurzer Zeit blieben sie stehen. „So, Herr Jäger, es tut uns leid, dass es so endet, aber sie werden nun für ihre Neugier bezahlen-ziehen sie die Jacke aus!“ befahl der eine und Ben erledigte das folgsam. Sein Bewacher sah in die Tasche. „Gut, da ist die Geldbörse mit dem Personalausweis drin, dann wissen die Rettungskräfte gleich, mit wem sie es zu tun haben!“ sagte er höhnisch und legte die Jacke achtlos auf den Steg. „Das kommt davon, wenn sich die Wanderer immer die fleischfressenden Pflanzen aus der Nähe anschauen wollen!“ sagte der Hausmeister und bedeutete Ben, nun in die braune Brühe zu steigen, die sich blubbernd neben dem gut befestigten Steg befand. Verzweifelt checkte Ben seine Chancen ab, aber außer dass ihm irgendjemand zu Hilfe kam, tendierten die gegen Null.
Er würde nun tun müssen, was die Männer verlangten. Mein Gott, er hätte doch so gerne noch sein Kind gesehen! Voller Bedauern machte er seinen letzten Schritt. Wenigstens konnte er so Sarah und auch Andrea und Semir schützen. Niemand würde auf die Idee kommen, dass er ein Verbrechen aufgedeckt hatte, er hatte ja auch keinem von seinen Ahnungen und Beobachtungen erzählt! Er würde hier sterben und sein Tod als bedauerlicher Unglücksfall abgetan werden. Sarah würde zwar traurig sein, aber irgendwann darüber hinwegkommen. Wenigstens würde er in seinem Kind weiterleben, das war sein einziger Trost!
Entschlossen machte er den Schritt und das eiskalte Wasser schloss sich um seine Fußknöchel. Momentan sank er nur bis zur Hüfte ein, aber langsam ging es tiefer. Er hatte in der Schule gelernt, dass es keinen Sinn machte, sich im Moor zu bewegen, er würde dadurch nur schneller untergehen, aber nun befahlen ihm seine Mörder: „Komm, rühr dich, dann dauert es nicht so lang!“ und mit einem Aufseufzen versuchte Ben Schwimmbewegungen zu machen. Schmatzend umhüllte ihn der zähe Schlamm und mit jeder Bewegung sank er tiefer und tiefer. Inzwischen hatte auch die Panik von ihm Besitz ergriffen-er wollte doch nicht sterben! Das Herz schlug ihm bis zum Hals und er schrie ein letztes Mal laut um Hilfe. Aber innerhalb weniger Minuten waren auch sein Mund und seine Nase untergegangen. Er hörte noch ein Handy läuten, aber dann schwanden ihm die Sinne.