Auf dem Steig orientierte sich Andrea inzwischen nur noch an ihrem Vordermann. Verdammt-vielleicht war das doch keine so gute Idee gewesen, aus dem warmen Auto auszusteigen. Inzwischen hatte sie überhaupt keine Orientierung mehr, der Wind pfiff ihr um die Ohren und wehte den Schnee in ihr Gesicht. Sie hatte zwar eine warme Jacke, aber keine Mütze und keine Handschuhe dabei-ehrlich gesagt hatte sie sowas nicht mal im Schrank im Hotelzimmer, denn Semir und sie hatten nicht vorgehabt, das Wellnesshotel überhaupt in dieser Woche zu verlassen! Sie steckte ihre Hände in die Taschen und undeutlich bemerkte sie, wie ihr der dicke Polizist und sein Beifahrer in einiger Entfernung folgten. Durch den peitschenden Wind, der ihr schmerzhaft die Schneeflocken ins Gesicht trieb, hatte sie bald das Gefühl, sie wäre geschlagen worden, so weh taten ihre Augen und Wangen und langsam begann sie zu bezweifeln, dass dieser Ausflug irgendwie dazu beitragen könnte, Semir, Sarah und Ben zu finden. Ihr Schuhwerk war gut und der Steig war wirklich hervorragend ausgetreten und so wäre sie ihrem Vordermann fast aufgelaufen, als der abrupt plötzlich stehenblieb. „Ich glaube, da geht es irgendwie in eine Höhle rein!“ teilte ihr Jantzer im Flüsterton mit, obwohl Andrea davon keinen Schimmer entdecken konnte. Trotzdem folgte sie ihm und schwang sich ebenfalls-mit ein wenig Bauchschmerzen, denn so ganz schwindelfrei war sie eigentlich nicht-um den Felsvorsprung, um dann in einer völlig anderen Welt zu landen. Ein aus dem Fels behauener Weg führte in den Berg und sie war momentan nur froh, dass sie den Wetterunbilden nicht mehr ausgesetzt war.
Der Kripobeamte zückte eine starke Taschenlampe, ein wenig runzelte er die Stirn, als er die elektrischen Lampen an der Wand sah, die aber dunkel waren. Er griff nach einem Lichtschalter-irgendwie hatte Andrea das dumpfe Gefühl, er wäre nicht zum ersten Mal hier-und legte ihn um, ohne dass irgendetwas passierte. Andrea erfasste plötzlich ein ganz ungutes Gefühl, irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht! Sie wollte gerade umdrehen und wieder aus der Höhle flüchten, als sie der Kripobeamte am Arm packte, ein wenig zurückzog und eine Mechanik bediente, woraufhin plötzlich mit lautem Geratter eine massives Metalltor aus der Decke kam und den Gang nach draußen hermetisch abriegelte. Erschrocken drehte Andrea sich um und fragte: „Was soll das?“ aber nun grinste sie der große Mann hämisch an. „Sie sollten nicht so vertrauensselig sein und glauben, dass jeder Polizist automatisch zu den Guten gehört!“ sagte er und nun starrte ihn Andrea entsetzt an.
Semir hatte Gas gegeben, aber er musste vorsichtig fahren, denn die Straßenverhältnisse waren denkbar schlecht. Außerdem wusste er nur mehr ungefähr, wo die Straße überhaupt war, die Gefahr in einen Graben zu rutschen, war wahnsinnig hoch und nachdem ihre Angreifer ja auch motorisiert waren, mussten sie leider damit rechnen, verfolgt zu werden. Semir drehte trotzdem die Heizung auf Vollgas, damit Ben nicht weiter auskühlte und Sarah breitete eine Decke, die im Fond gelegen hatte, über ihn. Sie setzte sich so, dass sein Kopf auf ihrem Schoß lag und ab jetzt konnte sie nur Semir´s Fahrkünsten vertrauen, der den großen Wagen routiniert durch den Schneesturm lenkte. Semir kramte sein Handy hervor und gab es Sarah nach hinten: „Ruf die Rettung an und die Polizei, oder was weiß ich. Verdammt ich habe keine Ahnung wie die tschechischen Notrufnummern sind und die Sprache kann ich auch nicht! Weißt du was! Verständige Susanne, die wird alles nötige in die Wege leiten!“ fiel ihm dann ein und Sarah suchte mit zitternden Fingern die Nummer der PASt. Während sie wählte, sah sie durch die Heckscheibe ein Scheinwerferpaar erscheinen. Verdammter Mist-sie waren ihnen auf den Fersen!