Der Fernseher lief und mit einem Blick stellte er fest, dass der dunkelhaarige Polizist leise schnarchend auf der Couch davor schlief. Wie ein Schatten bewegte der Chemiker sich durch die Wohnung und schaute, wo die Frau sich aufhielt. Die war anscheinend schon ins Bett gegangen, weil alles ruhig war und so schlüpfte er durch die angelehnte Tür ins Schlafzimmer und tatsächlich, da lag die hübsche junge Frau zusammengerollt im Bett und schlief ebenfalls. Leise schloss der Chemiker die Tür hinter sich und bevor Sarah richtig wach wurde und sich wehren konnte, hatte er sich auf sie gestürzt, drückte sie mit seinem ganzen Körper aufs Bett und klebte ihr ein Stück Klebeband über den Mund. Nur ein erstickter Laut kam aus ihrem Mund, aber als sie dann entsetzt aufblickte, erkannte sie ihren Feind, der sich nun langsam aufrichtete und sie mit der Waffe in Schach hielt. Er ging zielsicher zu dem Schrank, in dem sie ihre ganzen Schals und Tücher-und das waren eine ganze Menge-aufbewahrte und holte Material, um sie zu fesseln heraus. „Einen Ton und ich erschieße erst dich und dann ihn!“ warnte er sie flüsternd und deutete mit einer Kopfbewegung Richtung Wohnzimmer. Sarah nickte, zum Zeichen dass sie verstanden hatte und verhielt sich ruhig. Fieberhaft kreisten ihre Gedanken, aber ihr fiel nichts ein, wie sie sich und Ben im Augenblick helfen konnte. Wenn sie sich auf einen Kampf mit dem skrupellosen Mann einließ, würde der einfach abdrücken und das wars und ehrlich gesagt, wusste sie auch nicht, was er mit ihr und Ben vorhatte, denn wenn er sie töten wollte, dann hätten wirklich zwei Schüsse genügt-einen für sie und einen für Ben und das wäre es gewesen! Also legte sie sich so aufs Bett, wie er ihr befahl und wenig später war sie an alle vier Ecken der Liegestatt mit ausgestreckten Armen und Beinen straff mit ihren eigenen Tüchern gefesselt. Der Chemiker stellte nun den Stuhl, über den Ben und sie abends immer achtlos ihre Kleidung warfen, in Position und wollte sich gerade mit einem diabolischen Grinsen umdrehen, um sein nächstes Opfer zu holen, als Sarah plötzlich sah, wie sich vorsichtig die Klinke der Schlafzimmertür nach unten bewegte.
Ben war aus seinem Fernsehschlaf erwacht. Er wusste nicht warum, aber ihn beschlich ein ungutes Gefühl. Verdammt, er hatte bei Urlaubsbeginn seine Waffe in der PASt im Waffenschrank einschließen lassen, weil er in den Ferien mit der Arbeit nichts am Hut haben wollte. Jetzt wäre er froh gewesen, er hätte sie bei sich gehabt, denn sein Gefühl sagte ihm, dass hier irgendetwas nicht in Ordnung war. Er musterte den großen Wohnraum mit der Tür, die direkt ins Treppenhaus führte, aber er konnte eigentlich nichts Außergewöhnliches entdecken. War er vielleicht paranoid? Vorsichtig erhob er sich, was ihm wegen seinem schmerzenden Oberschenkel und der immer noch ausgeprägten Schwäche und dem Ganzkörpermuskelkater durchaus schwer fiel. Langsam und leise umrundete er den Küchentresen, aber auch dahinter war nichts Besonderes zu entdecken. Ein kurzer Blick ins Bad und ins Arbeitszimmer-dem baldigen Kinderzimmer-ergab auch nichts Auffälliges. Blieb nur noch das Schlafzimmer mit der schlafenden Sarah darin. Um Himmels Willen, was war, wenn mit ihr und dem Kind irgendwas war? Warum war er überhaupt aufgewacht? Er meinte, ein ersticktes Geräusch gehört zu haben, aber das konnte durchaus aus dem immer noch laufenden Fernseher gekommen sein. Allerdings vertraute er eigentlich seinem Bauchgefühl und das sagte ihm: Hier stimmt etwas nicht! In Ermangelung einer anderen Waffe holte er aus dem Messerblock in der Küche ein großes Messer, atmete einmal tief durch und drückte dann langsam die Klinke zum Schlafzimmer nach unten.
Semir und die anderen hatten sich angespannt im Hotelzimmer des Chemikers auf die Lauer gelegt, als plötzlich Semir´s Handy vibrierte. Er ging ran, denn der Kripobeamte aus der Eingangshalle würde sie ja, wie verabredet, warnen, wenn der Verdächtige eintraf und nun bekam er eine Meldung der Zentrale: „Gerkan, das gesuchte Fahrzeug, der goldfarbene Mercedes mit der Passauer Nummer wurde von einer Streife gefunden!“ sagte der Mann in der Zentrale. „Er steht in der Hindenburgstraße und es ist niemand darin, wie unsere Streifenbeamten festgestellt haben!“ Mit einem Fluch war Semir schon auf dem Weg zur Tür-das war Ben´s Adresse! „Josef schnell, der Chemiker ist bei meinem Kollegen-zumindest wurde da sein Wagen entdeckt!“ rief er Hintersteiner zu. „Ihr bleibt vorsichtshalber hier!“ befahl er dem Kripobeamten, während er schon, Hintersteiner dicht hinter sich, die Treppe hinunterhetzte. „Die Streifenbeamten sollen auf uns warten, wir sind in spätestens 10 Minuten da!“ instruierte er die Zentrale, denn im Gegensatz zu denen war er ortskundig und vor allem-er hatte einen Schlüssel zu Ben´s Wohnung an seinem Schlüsselbund! Er und Hintersteiner, der trotz seiner Leibesfülle flink wie ein Wiesel gerannt war, sprangen in den BMW, den sie um die Ecke am Lieferanteneingang geparkt hatten und mit Blaulicht und quietschenden Reifen rasten sie durchs nächtliche Köln, während Hintersteiner sich bemühte, wieder zu Atem zu kommen.