Beiträge von susan

    Der Notarzt beschloss, sich erst einmal um die junge Frau zu kümmern. Der beatmete Mann schien leidlich stabil zu sein und der Polizist machte das sehr gut mit der Mund zu Nase-Beatmung, denn der Brustkorb des Patienten hob und senkte sich gleichmäßig. Bei dem schwer verletzten Patienten unten war es sehr fraglich, ob er noch eine Chance hatte. Man hatte den LUKAS, das automatische Gerät zur Herzdruckmassage auf ihn geschnallt, das ihn kontinuierlich bearbeitete, er war beatmet, die Schussverletzungen hatte man mit Druckverbänden abgedeckt und man würde ihn in Kürze in ein Krankenhaus bringen.
    Als allerdings der Polizist die Treppe herunter gestürmt war und um Hilfe in der Wohnung gebeten hatte, wo ebenfalls zwei Schwerverletzte zu versorgen seien, hatte der Notarzt kurzerhand den beiden erfahrenen Rettungssanitätern unten das Feld überlassen, um sich ein Bild von der Situation zu machen. Im Notarzt-PKW waren ebenfalls ein Rettungskoffer, ein Beatmungsgerät und ein Monitor und so waren die beiden Medizinprofis nun mit ihrem Equipement nach oben gestürmt. Der Polizist hatte über die Leitstelle schon zwei weitere RTW´s und Notärzte angefordert-bald würde es hier von Mitarbeitern des Rettungsdienstes nur so wimmeln!

    Der Sanitäter hatte die Monitorelektroden auf Sarah´s Brust aufgeklebt und man sah, dass ihr Herz raste. Sie war zwar bewusstlos, aber ihre Schutzreflexe funktionierten noch, nur der Blutdruck war sehr niedrig, aber noch messbar. Man zog ihr eine Sauerstoffmaske übers Gesicht und der Notarzt versuchte herauszufinden, was das Messer wohl für Schäden angerichtet hatte. Es war oberhalb des Nabels eingedrungen, wenn sie Glück hatten, war das Kind nicht verletzt. Allerdings war da eine Menge Blut, wenn die Mutter an einem hämorrhagischen Schock starb, war das Kind mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenfalls verloren, denn auch durch einen Notkaiserschnitt war das in der einundzwanzigsten Schwangerschaftswoche ein extremes Frühchen, das sehr geringe Überlebenschancen hatte und wenn, dann vielleicht mit schwersten Behinderungen. Sie mussten versuchen, die Frau soweit zu stabilisieren, dass sie in einer Klinik mit neonatologischem Zentrum, wo in Köln nur die Uniklinik in Frage kam, operiert werden konnte. Der Notarzt legte eine Stauung an und Gott sei Dank schaffte er es gleich beim ersten Mal, einen großlumigen Zugang an Sarah´s Unterarm zu legen. Der wurde noch verklebt und der Sanitäter hatte inzwischen eine Infusion vorbereitet, die man nun voll aufdrehte, um den Volumenmangelschock zu bekämpfen. Ein Polizist bekam die zum Hochhalten und als der Notarzt nun Sarah´s Bauch betastete, konnte er die Kindsbewegungen spüren. „Hör mal Kleines, du wirst jetzt durchhalten!“ sagte er, der selber vier Kinder hatte. „Wir bringen deine Mami jetzt ins Krankenhaus und da kümmern die sich um euch beide!“ sprach er mit dem Ungeborenen und dem Polizisten, der die Infusion hielt und der ebenfalls Vater war, kamen beinahe die Tränen. Welches perverse Schwein war denn fähig, einer Schwangeren sowas anzutun? Man legte um das Messer herum steriles Polstermaterial, deckte Sarah warm zu und alle Anwesenden waren erleichtert, als sie nun ganz in der Nähe ein Martinshorn hörten-weitere Hilfe nahte.

    Der Notarzt wechselte nur kurz die blutigen Handschuhe und wandte sich dann seinem nächsten Patienten zu. Der Monitor war bei Sarah, er zog den Pulsoximeter von ihrem Finger und stülpte ihn über Ben´s Zeigefinger. Dessen Sauerstoffsättigung war bei 91%, was unter der Beatmung mit Ausatemluft ein akzeptables Ergebnis war. Der dunkelhaarige Mann war völlig schlaff, aber die Pupillen reagierten, als er dessen Augen öffnete und hineinleuchtete. Der Puls war niedrig, aber kräftig und als sie den Blutdruck maßen, war auch der völlig stabil bei 120/80. Der Notarzt rekapitulierte, was er über Vergiftungen durch Schlangengift wusste, aber das war ehrlich gesagt relativ wenig. Er würde den Mann jetzt intubieren, um die Atemwege zu sichern und auch, um den fleißigen Ersthelfer zu entlasten und alles Weitere würde in der Klinik gemacht werden. Nachdem der Mann ja Schlangengift injiziert bekommen hatte, war es müßig nach der Schlange zu suchen, um die mitzunehmen, was draußen jetzt ihre nächste Aktion gewesen wäre. Kurz besah er sich noch die Stichverletzung im Unterbauch. Die musste auch im Krankenhaus näher begutachtet werden, im Augenblick sah sie nicht so dramatisch aus und auch die Blutung war nicht nennenswert, allerdings war es der Lage nach durchaus möglich, dass der Darm verletzt war-aber das hatte für die Erstversorgung keine Konsequenzen. Der Notarzt deckte die Wunde mit sterilen Kompressen ab, verklebte die und der Sanitäter hatte inzwischen alles zum Intubieren hergerichtet. Der Notarzt legte auch Ben einen Zugang und schloss eine Infusion an. Dann überlegte er kurz, ob er ihn in irgendeiner Weise sedieren sollte, aber dann war er sich wegen eventueller Wechselwirkungen des Schlangengiftes mit den Medikamenten unschlüssig und so überstreckte er nun dessen Kopf und schob den Tubus unter Sicht ohne jegliche Narkose durch die Stimmritze in dessen Luftröhre. Man setzte einen Ambubeutel auf und als Sekunden später ein weiterer Notarzt und mehrere Rettungsdienstler sich ins Schlafzimmer drängten, war die Erstversorgung der beiden Verletzten bereits abgeschlossen.

    Unten hatte ein weiterer Notarzt die Versorgung des Polizisten übernommen und die Information war durch die Rettungsassistenten erfolgt. Er wurde mit wehenden Fahnen in einen RTW eingeladen und Minuten später war das erste Fahrzeug bereits unterwegs zum nächsten Krankenhaus. Der Polizist würde in einem anderen Zentrum als Ben und Sarah versorgt werden, die beiden würden in die Uniklinik kommen, weil nur dort eine eventuelle extreme Frühgeburt eine Überlebenschance hatte und wo Forschung und Lehre betrieben wurde, hatte vielleicht auch Ben die Möglichkeit, ein Gegengift auch ohne Schlangenbestimmung zu erhaschen.

    Der Chemiker hatte inzwischen die Tür des Kinderzimmers geöffnet. Ayda und Lilly hatten sich irgendwann in der Nacht in einem Bett zusammengekuschelt. Das war vermutlich der Grund, warum sie im Augenblick auch immer zusammen schliefen. Abends brachte man jeden in sein Bett und am Morgen lagen sie meist zusammen in einem. Anscheinend wachte Lilly dann auf, packte ihre Decke und schlüpfte zu ihrer Schwester, die da aber anscheinend überhaupt nichts dagegen hatte. Andrea und Semir war das sehr recht, denn so hatten sie ihre Ruhe und die beiden Mädchen gaben sich gegenseitig Halt und Sicherheit. Ohne jegliches Bedauern musterte der Chemiker die friedlich schlafenden Kinder und begann dann außen herum das Bettzeug mit Brandbeschleuniger zu tränken.

    Diese Milena ist schon sehr undurchsichtig! Anscheinend ist sie reich und ich finde es schon merkwürdig, dass die Krüger einen Heidenrespekt vor ihr zu haben scheint! Aber immerhin hat sie den Drogenboss ausgeliefert und Alex einen Zufluchtsort geboten.

    Froh bin ich, dass Semir nicht explodiert ist-ach ja, falls ihr Assistenz zur Entfernung des Drogenpäckchens braucht-ich stelle mich freiwillig zur Verfügung-zur Feier des Tages brächte ich auch eine Lokalanästhesie mit!

    @Björn: Mit Sicherheit musst du dich nicht entschuldigen, weil du nicht jeden Tag feedest-trotzdem bist du ein sehr aktiver Feeder und ich freue mich immer darüber, wenn du deine Meinung kund tust, die sich ja häufig mit der der anderen Vorfeeder deckt ;).

    @ silli und alle anderen Interessierten: Bei Ben, wie auch bei vielen anderen Giftopfern besteht nicht automatisch die Gefahr, dass der Herzmuskel gelähmt wird, denn ob in der Medizin oder in der Giftkunde unterscheidet man bei den relaxierenden, also muskelentspannenden Substanzen , ob die polarisierend oder depolarisierend wirken. Der Angriffspunkt vieler Gifte und Medikamente ist an der motorischen Endplatte des quergestreiften Muskels, also der Skelettmuskulatur. Die glatte Muskulatur, vorhanden z. B. in der Blase-oder eben die Herzmuskulatur nehmen da eine Sonderstellung ein und werden von vielen Mitteln und Giften überhaupt nicht tangiert. Sonst würde fast jeder, der ein Muskelrelaxans z. B. zur Narkoseeinleitung kriegt ja automatisch an Herzlähmung sterben-das ist ein schlechter Schnitt ^^. Eine Herzlähmung verursacht eher z. B. eine Überdosis Kaliumchlorid, was man z. B.bei der Einschläferung von Tieren nutzt. Oh je-jetzt habe ich euch schon wieder mit Fachchinesisch zugelabert, aber das ist halt mein Metier! :)

    Ja silli hatte Recht! die Krüger hat wirklich keinen Plan, genauso wenig wie Alex. War ja sicher nett gemeint mit den Durchhalteparolen, aber geholfen ist damit den Geiseln auch nicht! Murat hat inzwischen schon festgestellt, was wir schon lange wissen-die Geiseln sind nicht mehr in der Aula. Jetzt warten alle hilflos darauf, das die Geiselnehmer wieder etwas unternehmen!

    Der Chemiker sah zufrieden in den Rückspiegel. Na endlich hatte er es geschafft, seinen Verfolger abzuhängen! Er ging nun aufs Gas und fuhr voller Zorn zum Haus dieses kleinen Polizisten. Der sollte sehen, was es bedeutete, sich mit ihm anzulegen. Schade, dass er nicht live dabei sein konnte, wie seine Familie starb, aber er würde ein Leben lang daran zu kauen haben, diese Schuld auf sich geladen zu haben!
    Der kleine Mann mit der dicken Brille stellte sein Auto vor dem Grundstück ab. Sobald das Haus lichterloh brannte, würde er seelenruhig in den Wagen steigen und langsam davonfahren. Am nächsten Bahnhof würde er auf der Toilette sein Aussehen verändern, eine neue Identität annehmen- er hatte noch zwei alternative Pässe im Wagen und das Geld und die Zugangsdaten zu seinen Konten auf den Caymans-und dann einfach verschwinden.
    Er holte den Kanister und die anderen benötigten Sachen aus dem Kofferraum und ging durch den Garten zur Terrassentür. Drinnen sah er die Frau schlafend auf dem Sofa liegen. Mit einem diabolischen Grinsen holte er einen Glasschneider heraus, schnitt lautlos ein Loch in die Glastür und fasste dann hinein, um sie von innen zu öffnen. Die Frau drehte sich um und murmelte im Schlaf, aber das Ganze geschah so lautlos, dass Andrea davon nicht erwachte. Mit zwei Schritten war der Chemiker bei ihr und drückte die Hand auf ihren Mund und die Waffe an ihre Schläfe. Andrea riss die Augen auf und sah voller Entsetzen in das Gesicht des Mannes von den Gaswerken. „Keinen Ton!“ zischte er „sonst sind deine Kinder Waisen!“ und Andrea nickte eingeschüchtert. Ihre Gedanken rasten. Wollte der Mann sie ausrauben und hatte vorher das Haus inspiziert, um zu sehen, was da zu holen war? Aber so große Reichtümer waren bei ihnen doch gar nicht zu holen, das müsste er bei seinem Rundgang letzte Woche doch gesehen haben? Und wo war Semir? Ihre Hoffnung war, dass der bereits ins Bett gegangen war und sie auf dem Sofa hatte schlafen lassen. Wenn es ihr gelang, ein wenig Lärm zu veranstalten, würde er sicher aufwachen und dann hatte er eine Chance den Einbrecher zu überwältigen.
    Der Chemiker klebte ihr nun ein Klebeband über den Mund und fesselte ihre Hände mit Kabelbindern. Dann forderte er sie mit einem Wink der Waffe auf, aufzustehen und nach oben zu gehen, was sie auch brav tat. Allerdings streifte sie im Vorbeilaufen eine Blumenvase, die mit lautem Geschepper zu Boden fiel und dort auf den Fliesen zerbarst. Semir müsste das gehört haben und Andrea vertraute auf dessen Bauchgefühl. Der konnte Gefahr spüren, gar keine Frage!

    Alles blieb ruhig und als sie oben vor der Kinderzimmertür angelangt waren, die Semir geschlossen hatte, als er die Mäuse ins Bett gebracht hatte, bedeutete ihr der kleine unheimliche Mann, sich auf den Boden zu setzen. Erst fesselte er mit weiteren Kabelbindern ihre Beine aneinander und dann machte er die Handfesseln noch an den Beinfesseln fest, so dass sie jetzt zusammengekauert auf dem Boden hockte. Andrea hatte nun einen Kloß in der Magengrube. Warum saß sie vor der Kinderzimmertür? Sie musste davon ausgehen, dass der Mann ortskundig war, immerhin hatte letzte Woche ihr Vater ihm eine Gratisführung durch alle Räume geboten. Verdammt noch mal, warum hatten sie sich keinen Ausweis zeigen lassen? Sie war immerhin die Frau eines Polizisten und hatte lange genug in der PASt gearbeitet, um zu wissen, dass man ohne diese Vorsichtsmaßnahme keinen Fremden in die Wohnung ließ!
    Nun ließ der Chemiker die Frau kurz sitzen und ging nach unten, um die restlichen Dinge, die er für seine perfide Rache brauchte, zu holen. Wenig später stand er mit einem Kanister und einem Feuerzeug vor ihr und öffnete nun leise die Kinderzimmertür.

    Hintersteiner hatte nun eingesehen, dass er den Chemiker wohl verloren hatte. Gut-die Fahndung nach dem Mercedes lief ja weiter und wenn die diensthabenden Polizisten hörten, dass einer ihrer Kollegen niedergeschossen worden war, würden sie die Augen nach dem Fluchtfahrzeug noch viel stärker aufhalten, als so schon, über kurz oder lang würde man ihn schon schnappen. Hintersteiner überlegte. Würde der Chemiker jetzt wohl zum Hotel zurückfahren? Gut, wenn er das tat, wurde er ja schon erwartet. Allerdings war sich der dicke Polizist im Klaren, dass der kleine Mann ihn in der Wohnung sicherlich als denselben identifiziert hatte, der kurz zuvor am Hotel in sein Fahrzeug geblickt hatte. Der war nicht dumm-vermutlich würde er woanders hinfahren. Aber wohin würde er flüchten? Vielleicht zum Flughafen? Obwohl, der wusste doch sicher, dass alle abgehenden Flüge intensiv überwacht wurden, seitdem bekannt war, dass er in Köln war. Vielleicht würde er das Fahrzeug wechseln-man musste dringend allen Diebstahlsanzeigen nachgehen! Nun kam ihm allerdings ein Gedanke, der ihn nicht mehr in Ruhe ließ. Dieser Mann war voller Zorn und ein Sadist. Wer einer schwangeren Frau so etwas antun konnte, der schreckte vor nichts zurück! Warum war er wohl nach Köln gekommen? Das war kein Zufall! Wenn er sich schnell ins Ausland absetzen wollte, dann hätte er sich z. B. über Österreich viel einfacher entfernen können, von ihrer Heimat aus war das nur ein Katzensprung. Also war er gekommen, um sich zu rächen und wie man an Jäger und seiner Frau gesehen hatte, war er einfach nur skrupellos. Und was war, wenn er sich nun an Semir ebenfalls rächen wollte, indem er dessen Familie etwas antat? Kurzerhand sagte er zu Susanne über den Funk: „Wie weit bin ich von Gerkans Haus entfernt?“ und Susanne antwortete: „So etwa 10 Minuten!“ „Gut, dann navigieren sie mich bitte dahin, ich muss da nach dem Rechten sehen!“ sagte er und Susanne begann ihm den Weg zu weisen.

    Gemein dass Semir die Treppe in den Keller alleine laufen musste, aber wenigstens sind Ben und sein "Leibarzt" bei ihm. Jetzt kann man wirklich nur hoffen, dass Semir nicht in die Tiefe blutet und dass die Geiselnehmer jetzt endlich mit ihrem Plan weitermachen und die restlichen Geiseln ebenfalls freilassen.

    Der RTW war eingetroffen. Drei Sanitäter sprangen heraus und eilten zu dem auf dem Boden liegenden Polizisten, der von seinem Kollegen reanimiert wurde. Alles war voller Blut und sein Partner tat sein Möglichstes, um ihm zu helfen. Die Sani´s schlossen den Monitor an, forderten einen Notarzt zu und begannen professionell mit der Rea weiterzumachen. Der Uniformierte stand schwer atmend daneben und rang die Hände. „Günther hat zwei kleine Kinder zuhause!“ sagte er geschockt und beobachtete die Hilfsmaßnahmen. Irgendwann-der Notarzt näherte sich schon mit Blaulicht fiel ihm dann ein, dass der zweite Polizist vorher gar nicht mit aus dem Haus gekommen war. Nur der Dicke war in den Wagen gesprungen und hatte den Mann verfolgt, der seinen Freund und Kollegen niedergeschossen hatte. Nachdem er hier nun nichts mehr tun konnte, denn die professionelle Hilfe war in vollem Gang, beschloss er, nun doch mal nach oben zu gehen und nachzusehen, was mit dem anderen Polizisten los war. Er wusste, dass die beiden Zivilbeamten in die Wohnung eines weiteren Kollegen, eines Ben Jäger, der ihm persönlich aber unbekannt war, gegangen waren, aber mehr auch nicht. Günther und er hatten die Fahndung nach dem goldfarbenen Mercedes gehört, er war ihnen auf Streifenfahrt aufgefallen und sie hatten das an die Zentrale gemeldet. Dann hatten sie die Order gekriegt, dort zu warten, bis Verstärkung eintraf und mehr war ihnen zu dem Fall nicht bekannt gewesen. Sie hatten auch keine Schutzwesten getragen, denn niemand hatte ahnen können, dass dieser Einsatz so gefährlich war!

    Gerade fuhr ein weiteres Streifenfahrzeug um die Ecke und nachdem auch die geschockt gesehen hatten, was mit ihrem Kollegen passiert war, gingen sie, allerdings mit Schutzwesten und gezogener Waffe, nach oben in die Wohnung Ben Jäger´s. Sie hatten über Funk nun schon mehr Informationen und wussten, dass ein tschechischstämmiger kleiner Mann gesucht wurde, der Drahtzieher eines Verbrechersyndikats war-allerdings erklärte ihnen ihr Kollege, der ebenfalls geschockt und überall voller Blut war, dass der wohl seinen Partner niedergeschossen hatte und dann mit dem gesuchten Fahrzeug geflüchtet war, verfolgt von einem der beiden Zivilbeamten.
    Ein Schlüssel steckte von außen an der Wohnungstür-ah das erklärte, warum der dicke Polizist wohl über die Feuertreppe gekommen war! Vorsichtig drehten die drei Uniformierten den Schlüssel um und betraten mit gezogenen Waffen die Wohnung, man konnte ja nicht wissen, was einen da erwartete! Der Fernseher lief und der große, modern eingerichtete Wohnraum war leer. Allerdings schien ein heller Lichtschein aus einem danebenliegenden Raum und man hörte einen Mann keuchen, der anscheinend am Ende seiner Kräfte war.

    Semir hörte, wie endlich die Wohnungstür geöffnet wurde. Er war fix und fertig, aber dann schaffte er es zwischen zwei Beatmungszügen zu rufen: „Schnell hier brauchen wir Hilfe!“ und nun spähte ein uniformierter Kollege mit gezogener Waffe vorsichtig um die Ecke. Als er sah, dass hier ebenfalls Erste Hilfe-Maßnahmen in Gang waren, aber kein Verbrecher weit und breit war, steckte er die Waffe weg und eilte zu Semir. „Habt ihr keinen Arzt dabei? Ich habe hier zwei Schwerverletzte!“ rief Semir und blies dann Ben wieder seinen Atem ein. „Schnell-fordert noch zwei RTW´s an und hol einer nen Sani von unten!“ rief der Polizist, der nun in dem Schlafzimmer stand und fassungslos und geschockt die Szenerie musterte. Am meisten setzte ihm der Anblick der jungen Frau zu, die in einer Blutlache mit hochgelegten Beinen und an den Händen gefesselt auf dem Bett lag. Aus ihrem schwangeren Bauch ragte ein Messer und sie war käsebleich und atmete stoßweise. Um Himmels Willen, was war hier geschehen?
    Am Boden lag ein völlig schlaffer, anscheinend bewusstloser dunkelhaariger Mann, der von dem kleinen Kripobeamten in Zivil, der ebenfalls am Arm blutete, beatmet wurde. Der Polizist, der ja ständig in Erster Hilfe geschult wurde, ließ sich auf die Knie fallen und sagte zu Semir: „Ich übernehme hier!“ und begann nun seinerseits, Ben seinen Atem einzublasen. Natürlich musste er den Ekelfaktor überwinden, aber der bewusstlose Mann war anscheinend ein Kollege und sah gepflegt aus-er würde sich da hoffentlich nichts holen- und so trat Semir nun zu Sarah und schnitt gerade ihre Handfesseln auf, als nun der Notarzt und ein Sani mit Rettungskoffer und Monitor ins Zimmer kamen.
    Der Notarzt trat zu Sarah und fragte: „Welche Schwangerschaftswoche?“ und sie sagte, kurz davor ohnmächtig zu werden: „Einundzwanzigste und das Kind bewegt sich noch!“ bevor sie wieder die Augen schloss. Dann nahm sie ihre letzten Kräfte zusammen und flüsterte: „Semir, der Chemiker will deiner Familie was antun!“ bevor sie nun in die Bewusstlosigkeit versank.

    Semir starrte sie geschockt an. Nun fiel ihm noch ein, was er dem Arzt dringend mitteilen musste: „Mein Kollege hier hat anscheinend Schlangengift gespritzt gekriegt, das die Atmung lähmt-sein Puls war die ganze Zeit kräftig, drum habe ich nicht gedrückt!“ aber dann befiel ihn eine dermaßen große Angst um Andrea und die Kinder, dass er nun einen der Polizisten mit sich zog und kurzerhand als Ranghöherer anordnete: „Die machen das hier schon, schnell, kommen sie mit, wir müssen zu mir nach Hause!“ und dann schon wie vom Teufel persönlich gejagt, begann, die Treppe hinunterzurennen.

    Auf Hintersteiner´s Funkspruch meldete sich Susanne, die diese Woche Nachtdienst hatte. „Zentrale an Cobra11-wie kann ich ihnen helfen und wo ist Gerkan?“ fragte sie, während sie schon mit fliegenden Fingern begann, den BMW zu orten. Josef war einen Moment lang unaufmerksam gewesen und nun hatte er die Rücklichter aus den Augen verloren. Verdammt noch mal, wo war der Chemiker hin? Während er Susanne am anderen Ende den Sachverhalt erklärte, begann er in der Gegend herum zu fahren, um den goldfarbenen Mercedes wieder zu entdecken, aber momentan war sein Tun leider nicht von Erfolg gekrönt!

    Sehr mysteriös das Ganze!
    Alex ist wirklich ziemlich unfit und läuft jetzt Richtung Stadt. Anscheinend wird er von dem Mann im Anzug verfolgt, aber diese Milena rettet ihn vor dem. Aha, vermutlich ist das die Black Cat-ich dachte eigentlich, das wäre der Name der Drogen, die in Alex versteckt sind (welch gruselige Vorstellung!)
    Hartmut ist zwar gerade dabei, die Telefonzelle zu orten, von der aus Alex angerufen hat, aber das ist jetzt vermutlich nicht mehr notwendig, denn der hat nun eine Anlaufstelle, wo er sich ausruhen kann und diese Milena wird ja Semir und der Krüger, der sie anscheinend hinreichend bekannt ist, jetzt mitteilen, wo sie ihn finden können-oder???

    Semirs Familie wird freigelassen. Wenn er es mitkriegen würde, wäre er sicher sehr froh darüber. Dann muss er sich wegen denen schon keine Sorgen mehr machen. Mich wundert ja, dass Andrea so gar nicht an ihr Kinder denkt-obwohl, sie weiss ja, dass Margot bei ihnen ist!
    Ja woher die Krüger ihre Hoffnung nimmt, Semir da lebend rauszubringen, möchte ich auch wissen-aber ich denke, Ben wird jetzt alles versuchen, um Semir zu retten und er lässt ihn auch nach Möglichkeit nicht alleine.

    Semir hatte sich gerade Sarah zugewandt, die immer noch voller Entsetzen auf ihren Bauch starrte, aus dem das kurze Messer ragte, da wandte die ihren Blick zu Ben und schrie dann: „Semir, er erstickt, du musst ihn beatmen!“ und Semir sah sich nun verwundert nach Ben um, der gerade begann blau anzulaufen. Mit einem Ruck riss er das Klebeband von dessen Mund, ohne dass sich dessen Gesichtsfarbe merklich besserte. Sarah sagte mit zitternder Stimme: „Der Chemiker hat ihm ein Schlangengift gespritzt, das die Atmung lähmt, er kann nicht mehr selber Luft holen!“ und nun starrte Semir sie völlig fassungslos an. „Lass mich liegen, wir können sowieso nichts machen, das Messer müssen die Ärzte herausholen und schauen, ob dem Baby etwas passiert ist. Mir geht’s noch gut, also kümmere dich um Ben!“ befahl Sarah regelrecht und Semir begann den nun mit zitternden Fingern von seinen Fesseln zu befreien, um ihn auf den Boden zu legen. Sein Brustkorb hob und senkte sich kaum noch, mit dem letzten bisschen Muskelkraft versuchte er krampfhaft Luft in seine Lungen zu ziehen, aber es war vergeblich. Die schrecklichen Ganzkörperschmerzen hielten ihn gefangen und trotzdem hielt er seinen Blick fest auf Sarah gerichtet. Er wusste nicht, war es deren Ende und das seines Kindes? Die Geräusche begannen in seinen Ohren zu hallen und wie weniger als eine Woche vorher, war er überzeugt, nun in diesem Augenblick sterben zu müssen, nur war es diesmal viel schlimmer, denn er hatte seine Familie nicht schützen können! Es war alles umsonst gewesen und als er nun fühlte, wie Semir ihn teilweise losschnitt und dann wieder losband, wunderte er sich fast, dass er jede einzelne Berührung wahrnehmen konnte, aber nicht fähig war zu atmen. Kurz bevor die Bewusstlosigkeit nun doch von ihm Besitz ergriff, merkte er, wie er auf den Boden gelegt wurde, jemand seinen Kopf in den Nacken überstreckte und ihm Luft einblies. Seine Augen hatten sich geschlossen, auch die Augenmuskeln waren nun von der lähmenden Wirkung des Giftes betroffen, aber in seinem Gehirn hatte sich dieser schreckliche letzte Anblick eingeprägt-Sarah, die blutüberströmt auf ihrem Bett lag und das Messer aus ihrem Bauch ragte, das sich im Takt ihrer Atemzüge hin-und her bewegte.

    Semir hatte hektisch begonnen, Ben zu beatmen, der völlig schlaff auf dem Boden lag und mit keinem Muskel zuckte. Mit jedem Atemstoß, den er ihm zukommen ließ, kehrte dessen Bewusstsein und auch seine Schmerzen zurück, aber er konnte keinen Kontakt mit seiner Umwelt aufnehmen, denn er war vollständig gelähmt. Ben spürte Semir´s Bartstoppeln in seinem Gesicht und musste innerlich fast lachen, welche makaberen Gedanken ihm da durch den Kopf schossen. Sollte er, falls er das Ganze doch überlebte, sagen: „Hey Semir, du musst dich häufiger rasieren, falls du mich wieder beatmen musst!“Verzweifelt versuchte Ben einen Blick auf Sarah zu erhaschen, aber es war ihm unmöglich, die Augen zu öffnen. Was war mit ihr und was war mit dem Kind? Ben hörte Sarah´s zittrige Stimme: „Semir, du machst das gut, aber mir wird gerade furchtbar schwindlig. Kannst du bitte meine Beine losbinden und da ein Kissen unterlegen, damit das Blut nach oben und zu unserem Baby fließt. Das bewegt sich gerade wie wild, ich habe Angst, es wird sonst unterversorgt!“

    Bei allem Schock und Schmerz hörte Ben nur, dass Sarah anscheinend bei Bewusstsein war und ihr Kind auch lebte-noch! Er wollte schreien: „Semir lass mich, kümmere dich um die beiden!“ aber kein Ton verließ seine Lippen. Aus der Ferne hörte man ein Martinshorn und Semir, der fast am Verzweifeln war, weil er sich ja nicht in der Mitte zerreißen konnte, begann wieder Hoffnung zu schöpfen-professionelle Hilfe nahte. Er stieß Ben einen letzten Atemzug ein, band dann in Windeseile Sarah´s Beine los und legte die Zudecke zusammengerollt darunter, wie sie ihm geheißen hatte. Dann beatmete er Ben wieder ein paarmal, um dann wieder zu Sarah zu eilen, die inzwischen käsebleich geworden war und kalte Schweißtropfen auf der Stirn hatte. Ihr Puls raste und war fadenförmig und Semir sehnte sich nur danach, endlich Unterstützung zu bekommen, denn die Sache hier wuchs ihm langsam über den Kopf!

    Hintersteiner war den Rücklichtern des Mercedes gefolgt. Der fuhr in einiger Entfernung und dem dicken Bayern gelang es zwar, ihm durch die Dunkelheit zu folgen, aber er konnte auch nicht aufholen. Verdammt noch mal-wo flüchtete der Verbrecher nur hin? Hintersteiner war ja nicht ortskundig, aber der Chemiker genauso wenig, allerdings war der die Strecke, der er nun folgte, schon mehrmals in beide Richtungen gefahren. Hintersteiner war sich nicht sicher, ob der kleine Mann bemerkt hatte, dass er verfolgt wurde, immerhin war die Entfernung doch recht groß. Der dicke Polizist griff nach dem Funkgerät. Wie hieß dieses Fahrzeug, bzw. das Team Semir´s noch, irgendwas mit einer Schlange-ah ja: „Cobra11 an Zentrale!“ sagte er dann „Ich brauche ihre Hilfe!“

    Nun soll die Geldübergabe stattfinden und einige Geiseln freigelassen werden. Die Handlanger bekommen die Chance, jetzt aus der Sache auszusteigen, aber sie verzichten darauf, weil sie befürchten, sie werden von Olli und Mark gelinkt! Ja da werden wohl zum Schluss ein schwer verletzter Semir und ein gehandicapter Ben mit ein paar unberechenbaren Geiselnehmern übrig bleiben-ne Traumvorstellung! ;(

    Alex wird sozusagen vom großen Bruder verfolgt, aber er hat eine Entscheidung getroffen-er wird sich helfen lassen und nicht alleine sein Ding durchziehen.
    Ich hoffe nur, dass er es klug genug anstellt, um Semir nicht in Lebensgefahr zu bringen. Er selber schwebt ja sowieso drin, denn jeder weiß was passiert, wenn so ein Drogenpäckchen platzt! Die Idee mit den Codes war auf jeden Fall schon gut und ich hoffe, Semir und die Chefin tun jetzt das Richtige!

    Leise rannten die beiden so unterschiedlichen Polizisten die Treppe hinauf und Semir holte derweil schon den Schlüsselbund aus seiner Hosentasche. Obwohl es nie mehr nötig gewesen war, einen ausgesperrten Ben hineinzulassen, seitdem er mit Sarah zusammen war, hatte Semir irgendwie nie daran gedacht, den Schlüssel von seinem Bund zu entfernen und jetzt dankte er Gott dafür. Wenig später waren sie vor der Wohnungstür angekommen und lauschten beide, aber es war nur ein laufender Fernseher zu vernehmen. Die Tür war auch nicht aufgebrochen-sollte der Chemiker da drin sein, müsste ihm ja fast die Tür geöffnet worden sein-oder er war über die Feuerleiter durch ein geöffnetes Fenster eingestiegen, das war ja auch möglich!
    Semir informierte im Flüsterton Hintersteiner. „Wenn ich jetzt die Tür aufsperre, stehen wir sozusagen gleich im großen Wohn-Essraum. Das bedeutet, dass wir vermutlich sofort reagieren müssen!“ sagte er und Hintersteiner nickte. Semir zog seine Waffe, aber Hintersteiner zuckte nur mit den Schultern. Natürlich hatte er aus Bayern keine Waffe mitgebracht-wie hätte er sie auch ordnungsgemäß im Hotel wegschließen können? Semir überlegte kurz, nochmals hinunter zu laufen und sich eine Waffe von den Uniformierten zu leihen, aber das würde wieder Zeit kosten. Also gab er Hintersteiner seine Pistole, denn er selber war sicher wesentlich fitter und beweglicher, falls es zum Nahkampf kam. Immer noch war kein besonderer Laut aus der Wohnung zu vernehmen, als Semir nun den Schlüssel ins Schloss steckte und langsam umdrehte.

    Ben starrte voller Entsetzen auf seine kleine Familie. Das konnte der Chemiker doch nicht machen! Er wollte ihn anschreien, ihm erklären, dass Sarah mit dem Ganzen überhaupt nichts zu tun hatte-er hatte schließlich seine kriminalistische Ader nicht unterdrücken können und so den Stein ins Rollen gebracht, der zur Zerschlagung des Verbrechersyndikats geführt hatte, da konnten weder Sarah noch sein Kind und schon gar nicht Semir und seine Familie etwas dazu. Er war jetzt sowieso dem Tod geweiht, aber damit hatte er sich letzte Woche schon abgefunden gehabt. Er würde sterben, aber das durfte einfach nicht sein, dass die anderen für seine Schuld büßen mussten! Ein ersticktes Gurgeln drang unter dem Klebeband hervor, aber erstens überrollte Ben nun die nächste Schmerzwelle und nun merkte er, wie ihm das Atmen immer schwerer fiel, während Arme und Beine schon schlaff an ihm herunterhingen. Sarah sah ihn die ganze Zeit mit panisch aufgerissenen Augen, aus denen die Tränen flossen, an. Auch sie versuchte unter dem Klebeband irgendwelche Laute von sich zu geben, aber der Chemiker, der Ben zufrieden gemustert hatte, drehte sich nun zu ihr um, um sein Werk zu vollenden. Er hob wieder das kleine Messer und versenkte es ein ganzes Stück oberhalb des Nabels in Sarah, die unter ihrem Knebel nun aufstöhnte.

    Semir und Hintersteiner hatten leise die Tür geöffnet, voller Anspannung, was sie wohl erwarten würde, aber der große Wohnraum war leer, nur der Fernseher lief. Allerdings schien aus dem Schlafzimmer, dessen Tür nur angelehnt war, ein heller Lichtschein und als sie vorsichtig näherschlichen, hörten sie daraus ein ersticktes Gurgeln. Die beiden sahen sich an, Hintersteiner hob die Waffe und hielt sie mit beiden Händen, während Semir nun mit einem Ruck die Tür aufstieß. Was sie nun sahen, ließ ihnen das Blut in den Adern gefrieren. Ben saß gefesselt und mit Klebeband über dem Mund auf einem Stuhl mit vollem Blick auf das Bett. Sein weißes T-Shirt hatte einen kleinen Blutfleck im unteren Bereich, aber sonst schien er bisher unversehrt.Sarah lag ausgestreckt mit gespreizten Armen und Beinen auf dem Bett, ein langer blutiger Streifen verlief der Länge nach über ihren Babybauch und gerade als sie das Zimmer betraten senkte sich das Messer, das der Chemiker in seiner rechten Hand hielt in ihren Bauch. Hintersteiner zögerte nicht lang. Der Chemiker stand so gebeugt, dass er, wenn er versucht hätte einen tödlichen Schuss anzubringen, Sarah gefährdet hätte und so zielte er auf dessen Schulter und drückte einen Sekundenbruchteil später ab. Er verletzte den Chemiker zwar, der mit einem Aufschrei das Messer losließ und durch die Wucht des Aufpralls zurückgeworfen wurde, aber er traf eigentlich nicht genau so, wie er sich das vorgestellt hatte. Jede Waffe reagierte ein wenig anders und um präzise damit zu schießen, musste man auf dem Schießstand damit geübt haben. Der Chemiker hatte zwar eine Verletzung an der Schulter, aber das war mehr ein harmloser Streifschuss, als eine ernsthafte Sache, doch immerhin, er hatte von Sarah abgelassen. Semir stürzte sich auch sofort auf ihn und schon kugelte ein ineinander verknotetes Bündel Kämpfender über den Boden und nun war es für Hintersteiner unmöglich, erneut zu schießen, denn er hätte mit hoher Wahrscheinlichkeit Semir getroffen, außerdem musste er sich dringend um Sarah kümmern, die voller Schock auf ihren Bauch starrte, in dem immer noch die Klinge des Messers steckte. Mit zwei Schritten war er bei ihr, riss ihr das Klebeband vom Mund und sagte: „Hilfe ist schon unterwegs!“, während er sich hektisch nach etwas umsah, mit dem man die Blutung stillen konnte.

    Leider hatte er einen Augenblick Semir und den Chemiker aus dem Blickfeld verloren und dem kleinen Mann mit der dicken Brille war es gelungen, das Messer zu greifen, mit dem Ben ihn bedroht hatte und das halb unters Bett gerutscht war. Mit dem stieß er zu und auch Semir hatte nun plötzlich eine schmerzhafte Schnittverletzung am Oberarm, denn das scharfe Fleischmesser war wie Butter durch seine Jacke und sein Shirt gedrungen. Er ließ vor Schreck nur einen Augenblick locker, aber schon war der Chemiker aufgesprungen und wie ein Wiesel aus dem Schlafzimmer gewitscht. Er raste zur Wohnungstür hinaus, drehte den Schlüsselbund, der noch außen an der Tür steckte, um, rannte die Treppe hinunter und zog auf seiner Flucht schon die Waffe aus dem Hosenbund.
    Unten stand er wenig später einem völlig überraschten Streifenbeamten gegenüber und bevor der auch nur irgendwie reagieren konnte, hatte er ihn schon niedergeschossen, holte den Wagenschlüssel aus seiner Hosentasche, sprang in seinen Mercedes und jagte mit quietschenden Reifen davon.

    Hintersteiner hatte sich zwar umgedreht und war mit einem Fluch hinter dem Chemiker her, aber als ihm nun die Tür vor der Nase zugeschlagen wurde und sich der Schlüssel im Schloss drehte, wandte er sich wieder um, um nach den Verletzten zu sehen. Semir hatte sich schon aufgerappelt und warf Hintersteiner nun seinen BMW-Schlüssel zu. „Bei mir ist´s nur ein Kratzer-ich kümmere mich hier um die beiden-schnapp dir das Schwein!“ rief er dem dicken Bayern zu, der kurz nickte und nun das Fenster öffnete und über die Feuerleiter verschwand, wie ihn Semir anwies. Er rief laut, damit sein Kollege unten auch wusste, dass es nicht der Übeltäter war, der so entkam, aber der Uniformierte war in diesem Augenblick schon unterwegs nach vorne zur Straße, denn da hatte gerade ein Schuss gehallt. Josef sah, wie der Polizist sich über seinen Kollegen beugte-auch der war anscheinend erst mal versorgt- und sperrte dann den BMW auf. Er rutschte den Sitz ein ganzes Stück nach hinten, startete den Motor und folgte dann den Rücklichtern des Mercedes, die gerade um eine Kurve verschwanden.

    Hallo Jenni!
    Ja ich freue mich auch, dass du wieder was für uns schreibst. Allerdings muss ich gestehen, dass ich eigentlich erst gezögert habe, zu lesen zu beginnen und mir erst überlegt habe zu warten, bis die Story fertig ist-zu groß wiegt die Enttäuschung, wenn man sich in eine Story eingelesen hat und die dann nie fertig wird. Aber dann habe ich dein erstes Kapitel gelesen und war sofort voll drin-ich muss jetzt einfach wissen, wie es weitergeht-bitte enttäusch uns nicht!

    Ja dieses Warten ist zermürbend. Jetzt sieht Kim endlich ein, dass Semir und Ben oftmals in gefährliche Situationen kommen, ohne etwas dafür zu können. Aber das hilft ihnen im Augenblick nicht weiter. Sie müssen warten, was die Geiselnehmer als Nächstes vorhaben.
    Semir wird inzwischen in die Aula zurückgebracht und dort fürsorglich betreut. Gerade Ben ist heilfroh, dass sein Partner noch lebt und der couragierte Gynäkologe gefällt mir. Na klar kann der operieren, das machen viele Gynnis den ganzen Tag, manche eher weniger, aber gelernt haben sie´s alle mal-und so große Unterschiede zwischen Männlein und Weiblein gibts gar nicht-zumindest in diesem Stockwerk! :D

    Der Chemiker holte nun aus seiner Tasche eine gefüllte Spritze und legte sie neben sich auf die Kommode. Dann legte er eine fachgerechte Stauung an Ben´s Arm an. Sarah atmete innerlich fast ein wenig auf. Er würde Ben wohl wieder das komische Mittel spritzen, aber zum Glück hatte sie die zweite Hälfte von Hartmut´s Gegenmittel noch im Kühlschrank liegen, wo sie es nach der Injektion der ersten Dosis deponiert hatte. Das hatte gut gewirkt und wenn man nicht so lange wartete wie beim letzten Mal mit der Gabe des Gegenmittels, dann würden die Symptome hoffentlich nicht so schwer werden. Ben zuckte ein wenig zurück, als sich die Nadel in seinen Arm bohrte, aber ihm war klar, dass er keine Chance hatte, komplett wegzukommen. Außerdem war es schon einmal gut gegangen und er meinte aus Sarah´s Reaktion zu sehen, dass sie nicht sonderlich beunruhigt war! Eigentlich erwartete er beinahe, jetzt wieder bewusstlos zu werden, wie in der Höhle, aber nichts dergleichen geschah. Mit einem zufriedenen Grinsen löste der Chemiker die Stauung, zog die Nadel wieder aus Ben´s Arm und begann zu erklären: „Herr Jäger, was ich ihnen da gerade gespritzt habe, ist ein seltenes Schlangengift aus Südamerika. Die Wirkungsweise ist folgendermaßen: Sie werden jetzt ganz langsam von außen nach innen gelähmt werden. Beginnend mit den Beinen wird ihr ganzer Körper langsam keine Muskelkontrolle mehr haben. Sie werden bei vollem Bewusstsein miterleben, wie der Weg des Giftes langsam fortschreitet. Zuletzt wird ihre Atemmuskulatur gelähmt und dann werden sie ersticken. Ach ja als kleine Nebenwirkung, sozusagen als kleines Extra obendrauf verursacht dieses Nervengift noch schreckliche Schmerzen!“ sagte er und Sarah sah ihn völlig entsetzt an, während Ben meinte, in den Beinen schon ein Kribbeln zu spüren.

    „Und nun zu ihnen, junge Frau. Was ist wohl das Schrecklichste, was sie sich vorstellen können?“ sinnierte er, während er langsam begann, Sarah´s Schlafshirt aufzuschneiden, so dass ihr gewölbter Bauch nun unbarmherzig dem hellen Licht, das er inzwischen eingeschaltet hatte, ausgesetzt war. Ben starrte fassungslos auf ihn. Was hatte dieses perverse Schwein mit seiner Sarah vor? „Ich werde das Kind bei lebendigem Leib aus ihrem Bauch schneiden-ganz langsam, damit auch alle was davon haben!“ sagte er und sein Blick hinter der dicken Brille wanderte von einem zum anderen. „Jäger, das Letzte, was sie sehen werden, bevor sie ersticken, ist ihr Kind, das vor ihren Augen sterben wird und ihr kleine Frau, die ganz nebenbei verblutet.“
    Mit einem irren Kichern schaute er dann Ben prüfend an. „Spüren sie schon was?“ fragte er und in diesem Augenblick durchfuhr Ben ein schrecklicher Ganzkörperschmerz, der durch seinen Körper jagte. Er verzog das Gesicht und ächzte unter dem Klebeband, so furchtbar war das. Sarah hatte die pure Panik im Blick und während Ben merkte, wie langsam seine Arme und Beine begannen schlaff zu werden, ebbte die erste Schmerzwelle ab und voller Entsetzen sah er, wie sich das kleine scharfe Messer, das vorhin in seinem Unterleib gesteckt hatte, jetzt über Sarah´s Bauch fuhr und eine klitzekleine rote Spur, wie eine Markierung hinterließ. Sarah kniff die Augen zusammen, klar tat das weh, aber im Moment, war das nur ein Kratzer, aber sie war überzeugt, dass der Chemiker sein Versprechen wahrmachen würde. Hier und jetzt würden sie alle drei sterben und die Tränen begannen nun aus ihren Augen zu fließen.

    Semir und Hintersteiner waren endlich vor Ben´s Wohnung angelangt. Die beiden Streifenpolizisten standen vor dem Mercedes und Semir und Hintersteiner sprangen schon heraus, während der BMW nun erst mit quietschenden Reifen komplett zum Stehen kam. „Fordert Verstärkung und einen Krankenwagen an-wir wissen nicht, was uns jetzt erwartet!“ bat Semir die beiden Uniformierten. „Und dann sichert Vordereingang und die Feuertreppe hinterm Haus!“ befahl er. Er und Hintersteiner würden schon zu zweit mit dem Chemiker fertigwerden, immerhin hatten sie den Überraschungseffekt auf ihrer Seite.

    Wie Elli? Du kennst dich mit Schussverletzungen nicht aus? Wer denn sonst, außer dir? So oft wie Semir bei dir schon was abgekriegt hat? :D
    Gut der Arzt macht das ganz vernünftig. Er spreizt die Wunde, sucht in der Tiefe nach den blutenden Gefäßen und umsticht die. Das Einzige, was ich mir schwierig vorstelle, ist das mit einer geraden Nadel zu bewerkstelligen, denn chirurgische Nadeln sind normalerweise halbrund, da geht das viel einfacher. Aber es ist geschafft, die Kugel ist raus, die Blutung steht und sogar einen schichtweisen Wundverschluss hat der Arzt hingekriegt-doch kein Psychiater! ;)
    Semir hat nur Glück, dass er gnädigerweise immer noch bewusstlos ist! Aber jetzt schwebt er in der nächsten Gefahr, weil der Arzt und Andrea sich primär weigern, ihn wieder zurück zu den anderen zu bringen-Mann Leute, stellt euch nicht so an-das wäre jetzt schade, wenn er nach der gelungenen Operation jetzt wegen eurer Sturheit sterben müsste.
    Von Olli´s Plan erfahren wir nun auch. Ben soll ihm die Waffen besorgen und so die Krankenhausbehandlung seines Freundes veranlassen können-ich bin sicher, er wird das machen!

    Ben öffnete langsam die Tür und spähte in den Raum. Allerdings hatte sich der Chemiker sowieso gerade dorthin umgedreht und bevor Ben in irgendeiner Weise reagieren konnte, hatte der Verbrecher zugegriffen, ihn ins Schlafzimmer gezogen und ihn entwaffnet. Er konnte sich gar nicht so schnell orientieren und der Chemiker war lange Jahre beim tschechischen Militär gewesen, bei dem eine Nahkampfausbildung und ständiges Training zum Alltag gehörte. Nun weiteten sich Ben´s Pupillen, als er durch den Ruck nach vorne stürzte und Sarah gefesselt auf dem Bett vor sich sah. Er war zwar entwaffnet, aber deswegen würde er nicht kampflos aufgeben! Mit dem Mute der Verzweiflung versuchte er seinen Sturz nach vorne, wie er es im Judotraining auf der Polizeischule gelernt hatte, auszunutzen und den anderen Mann mit zu Boden zu reißen, was ihm momentan auch gelang und den Chemiker völlig überraschte. Der Polizist war doch eigentlich noch überhaupt nicht fit und er hatte ehrlich gesagt mit gar keiner Gegenwehr gerechnet. Binnen Kurzem wälzten sich zwei verbissen kämpfende Männer über den Boden und Sarah konnte dem Schauspiel nur mit schreckgeweiteten Augen folgen. Die Waffe, die der Chemiker im Hosenbund stecken hatte, schlitterte über den Boden und verschwand momentan unter dem Bett. Ben hatte einen Augenblick sogar die Oberhand und drückte den kleinen Mann zu Boden, als der plötzlich in seine Hosentasche griff und ein kleines, scharfes Messer herauszog und es in Ben´s Bauch rammte. Das Messer war zwar nur kurz und drang auch gar nicht weit ein, aber Ben durchfuhr ein dermaßen scharfer Schmerz, dass er aufschrie und einen Augenblick seinen Griff lockerte, was der Chemiker natürlich sofort ausnutzte und bis Ben sich versah, hatte er beide Hände auf den Rücken gedreht, der Chemiker, dessen Zornesader an seiner Schläfe furchterregend angeschwollen war, angelte mit dem Fuß seine Waffe wieder hervor und setzte sie dann an Ben´s Schläfe an und Sarah gab nur noch einen gedämpften Entsetzenslaut von sich, denn sie war sich fast sicher, dass der Bösewicht nun abdrücken würde.

    Stattdessen drängte er Ben, dessen erste Schmerzwelle abgeebbt war und der sich nun verfluchte, dass er sich hatte überwältigen lassen, zum vorbereiteten Stuhl und bis sich der versah war er ebenfalls mit Sarah´s Schals und Gürteln fest fixiert und konnte keine Gegenwehr mehr leisten. Auch auf seinen Mund wurde ein Streifen dickes Panzerband geklebt und nun war auch Ben handlungsunfähig und konnte nicht mehr um Hilfe rufen. Nun nahm der Chemiker erst einmal seine dicke Brille ab, putzte sie und versuchte wieder zu Atem zu kommen. Auch Ben´s Nasenflügel weiteten sich hektisch, denn die Luft, die dadurch in seine immer noch angegriffene Lunge strömte war fast nicht ausreichend. Sarah, die genau in seiner Blickrichtung lag, beobachtete ihn ängstlich und betete, dass er nicht sofort ersticken würde. Sein weißes T-Shirt, das er über der schwarzen Jogginghose trug, begann sich rot zu färben, aber Sarah wagte zu hoffen, dass das Messer nicht allzu tief eingedrungen war, denn wenn der Darm verletzt war, schwebte Ben in höchster Lebensgefahr! Ein großes Blutgefäß schien nicht betroffen zu sein und im Geiste begann sich Sarah schon auf die entsprechenden Erste-Hilfe-Maßnahmen vorzubereiten, als der Chemiker plötzlich zu sprechen begann.

    Mit seiner unangenehmen, relativ hohen Stimme, die beide noch aus der Höhle in fürchterlicher Erinnerung hatten, sagte er: „Strafe muss sein! Ihr beide wart maßgeblich daran beteiligt, dass mein Lebenswerk, meine gutgehende Firma, alles was mir was bedeutet hat, nun vernichtet ist. Ich habe zwar genügend Geld zur Seite geschafft, dass ich bis zum Ende meiner Tage sorgenfrei leben kann, aber ich werde es nicht hinnehmen, dass ihr und der andere Polizist-Gerkan-mit seiner Frau, meine Kreise gestört habt. Wenn ich mit euch fertig bin, werdet ihr euch wünschen, nie geboren zu sein. Ich werde euch jetzt erst erzählen, was ich nachher mit Gerkans Kindern anstellen werde! Sie werden bei lebendigem Leibe verbrennen und ihre Eltern werden hilflos dabei zusehen!“ erklärte er und ein heilloses Entzücken schwang in seiner Stimme mit. Sarah wechselte einen entsetzten Blick mit Ben. Der Typ war total wahnsinnig. Fieberhaft zermartete sie sich den Kopf und man sah, dass es auch hinter Ben´s Stirn ratterte. Was konnten sie nur tun, um Semir zu warnen und Ayda und Lilly vor diesem Verbrecher zu schützen?
    „Aber erst seid ihr dran!“ sagte dann der Chemiker. „Und damit ihr euch gleich darauf einstellen könnt, was euch erwartet, werde ich euch jetzt, während ich meine Vorbereitungen treffe, erzählen, wie eure letzte Lebensstunde verlaufen wird!“

    Semir drückte aufs Gas, er schlitterte um die Kurven und je näher er und Hintersteiner Ben´s Wohnung kamen, desto mehr Angst hatte er davor, was sie da wohl erwarten würde.

    Der arme Semir! Der macht was mit-gut, der Arzt hat völlig Recht, man muss ihn fixieren und das Knebeln ist sicher der Kinder wegen zwar sinnvoll, aber trotzdem schrecklich. Jetzt hoffe ich nur, dass es ihm irgendwas bringt, die Kugel auf diese Weise zu entfernen-ein Chirurg hätte sich da zuvor in Küche und Werkraum umgesehen-da hätte er sicher eine Menge Behelfswerkzeug gefunden und Nähzeug hätten sicher so manche Frauen in ihrer Handtasche gehabt (ich z. B.)-der ist sicher Psychiater oder so. Wenigstens wird Semir dann vom Schmerz-und Wundschock wieder bewusstlos-wie schön für ihn!