Beiträge von susan

    Ja das Knistern zwischen Yvonne und Ben wird immer heftiger. Sogar Semir spürt es gleich, so wie er Ben ansieht! Yvonne vergisst sogar ihre beabsichtigte Befragung Semir´s und gibt zu, dass sie nur nach Möglichkeiten gesucht hat, um mit Ben alleine zu sein.
    Bei seinem Lieblingsitaliener kommt man sich näher, ich würde dem aber seine Kommentare verbieten, wenn ich Ben wäre-was soll denn Yvonne von ihm denken? ;)

    Der Tag ging ins Land. Semir lag fiebernd in seinem Bett und fühlte sich mies. Immer wieder versuchte er aufzustehen, aber sein Kreislauf machte nicht mit. Nachdem ihm ständig wieder schwindlig wurde, wenn er sich nur aufsetzte, akzeptierte er es endlich, dass er krank war und nichts, aber auch gar nichts tun konnte. Man gab ihm schluckweise zu trinken, aber essen wollte er gar nichts. Das Novalgin brachte ihn zum Schwitzen, er fieberte manchmal ein wenig ab, dann stieg das Fieber wieder, aber irgendwann verwischten Traum und Realität und er fiel in einen merkwürdigen Zustand, in dem ihm Alles egal war, er zwar schon noch wahrnahm, was um ihn herum geschah, aber es ihn nichts mehr anging. Die besorgten Ärzte und Schwestern um ihn herum wurden mehr und besahen seinen Arm, der immer stärker pochte und anschwoll. Wie durch einen Nebel erschien dann über ihm das Gesicht eines Arztes, der eindringlich zu ihm sagte: „Herr Gerkan, wir müssen sie nochmals operieren, damit sie ihren Arm behalten können!“ aber so richtig verstand er gar nicht, wen der überhaupt meinte, sondern schloss einfach wieder die Augen, denn um ihn herum begann sich alles zu drehen. Jemand zog ihm Antithrombosestrümpfe an und setzte ihm eine Haube auf. Sein Bett setzte sich in Bewegung und wie in einem Traum nahm er wahr, dass er auf eine Art Förderband gelegt wurde und dann waren um ihn herum nur noch grün gekleidete Menschen und dann schlief er ein.

    Hartmut war nach dem Telefonat mit der Ärztin nach Hause gegangen. Er hatte Alles in seiner Macht stehende getan, um das Schlangengift zu identifizieren und Hilfe für Ben zu organisieren. Er war sehr erleichtert gewesen, als man ihm mitgeteilt hatte, dass das Serum unterwegs war und konnte endlich seinen wohlverdienten Feierabend genießen. Am nächsten Tag ging er wieder seiner normalen Arbeit nach, bis ihn die Chefin am Nachmittag anrief. „Hartmut, ich wollte ihnen nur auch Bescheid geben-ich habe eben mit Frau Gerkan telefoniert-Semir geht es sehr schlecht, der wird gerade am Arm operiert und laut Aussage der Ärzte sieht es gar nicht gut aus-nur damit sie Bescheid wissen!“ sagte sie. Hartmut ließ wie vom Donner gerührt sein Telefon sinken. Semir? Was war jetzt auch noch mit Semir? Der war ihm gestern voller Elan erschienen, hatte alle Hebel in Bewegung gesetzt, um Ben zu helfen und jetzt plötzlich war er anscheinend selber sehr schwer krank. Er sah auf die Uhr. Es war kurz nach vier und er konnte jetzt durchaus Feierabend machen, denn seine Überstunden gingen sowieso ins Unermessliche, weil er manchmal aus purem Interesse an einer Analyse länger machte. Er hatte jetzt das Bedürfnis, selber vor Ort nach seinen Freunden zu sehen, denn ihr Verhältnis ging über das von Kollegen weit hinaus. Kurz entschlossen verabschiedete er sich von seinen Mitarbeitern, stieg ins Auto und fuhr zum Krankenhaus.
    Dort fragte er sich durch und fand sich wenig später vor der OP-Abteilung im Wartebereich wieder, wo Andrea, Susanne, die ihre letzte Nachtschicht hinter sich gebracht hatte und die Chefin wie die Tiger auf-und abliefen. Auch Jenni und Bonrath standen hilflos dabei. „Was ist denn genau los?“ wollte er wissen und Bonrath sagte leise: „Vielleicht wird Semir seinen Arm verlieren!“ und nun wurde es sogar Hartmut beinahe schlecht. Das war ja schrecklich!

    In dem Labor, in dem Ben´s Blutproben zur Analyse waren, konnte man Hartmut´s Vermutung zu der Art des Schlangengiftes bestätigen. Wenn man wusste, nach was man suchte, vereinfachte es die Sache. Also war nun klar, dass Ben das Serum erhalten würde, sobald es da war. Es war planmäßig vom Labor zum Flugzeug gebracht worden und befand sich wenig später in Richtung Frankfurt , gut gekühlt, im Laderaum eines großen Interkontinentalflugzeugs, das noch am Abend MEZ, nach einer Zwischenlandung in Bangkok, in Deutschland ankommen würde.

    Als der nächste Morgen anbrach, lag Semir mit hochrotem Kopf im Bett. Er hatte zwar vor Erschöpfung die ganze Nacht geschlafen, aber als er aufwachte, merkte er, dass er Fieber bekommen hatte. Andrea, die kurz nach ihm wach wurde, fragte besorgt: „Schatz, was ist mit dir?“ aber er konnte ihr nur sagen, dass er sich mies fühlte und sein Oberarm weh tat. Als wenig später die Schwester hereinkam, alarmierte Andrea sie und die maß erst mal Fieber bei Semir. Er hatte über 39°C und die Schwester musste ihm helfen, zur Toilette aufzustehen, denn sonst wäre er umgefallen. „Ich verständige den Stationsarzt!“ sagte die Pflegekraft und so kam es, dass wenig später der diensthabende Arzt vor Semir´s Bett stand.

    Die Kinder waren inzwischen auch aufgewacht und von Andrea gewaschen und angezogen worden. Die waren munter, husteten wenig und die Verbrennungen schmerzten kaum noch. Sie bekamen noch ein wenig Nurofensaft und ihr Frühstück und bei ihnen und auch bei Andrea war alles in Ordnung.
    Der Arzt hörte Semir ab, und untersuchte ihn kurz durch aber insoweit war Nichts auffällig, als er allerdings vorsichtig mit behandschuhten Händen den Verband von Semir´s pochendem Oberarm entfernte, konnte man sehen, wo die Ursache für das Fieber herkam. Die Schnittwunde hatte sich heftig entzündet und im Hinblick auf die Kinder sagte der Doktor: „Das müssen wir uns in einem Behandlungsraum gründlich anschauen!“ und so wurde Semir wenig später im Bett aus dem Zimmer gefahren. Im Funktionsraum entfernte der Arzt die oberste Schicht Hautfäden und schon klaffte die Wunde auseinander. „Haben sie den Arm ruhig gehalten?“ fragte der Arzt den kleinen Polizisten, der die Lippen zusammenpresste, so weh tat das. Er schüttelte den Kopf und so bekam Semir erst unter Schmerzen die Wunde gespült, dann einen Zugang und eine Infusion mit Novalgin darin gelegt, Blut abgenommen und nachdem man einen Abstrich entnommen hatte, begann man mit i.v.-Antibiose. „Herr Gerkan, auch wenn ihre Familie heute entlassen wird, werden sie leider noch eine Weile unser Gast bleiben. Wenn eine Entzündung schon systemisch wird, also auf den Organismus übergreift und Fieber und Kreislaufprobleme verursacht, dann müssen wir uns da Sorgen machen. Wir werden sie weiter überwachen und ich verspreche ihnen, dass sie nach Hause dürfen, sobald es medizinisch vertretbar ist, aber nicht heute!“ sagte er streng und zu seiner eigenen Verwunderung nickte Semir, aber er konnte sich wirklich kaum aufrecht halten.

    So kam es, dass wenig später Semir ins Zimmer zurückgefahren wurde und selber seiner Familie mitteilte: „Ich muss noch ein bisschen dableiben, bis die Medikamente wirken!“ und nun wusste Andrea, wie mies sich Semir fühlte, sonst hätte er sicher mit ihnen das Krankenhaus verlassen. Man wandelte seinen vortägigen Ausflug in eine stundenweise Beurlaubung um und so kam es, dass ein fiebriger Semir wenig später Andrea und die Kinder verabschiedete, die vom Opa abgeholt wurden. Andrea hatte noch zwei Termine bei einem Kinderpsychologen des Klinikums ambulant am nächsten Tag bekommen, aber es bestand kein Anlass, die Kinder und sie weiter stationär zu behandeln, sie würden sich in häuslicher Umgebung besser erholen! „Mach´s gut Schatz und werd´ schnell wieder gesund!“ sagte Andrea und küsste ihn und auch die Mädchen drückten fest ihre neuen Kuscheltiere an sich und gaben dem Papa noch ein Bussi auf die stopplige Wange. „Papa, du stichst!“ sagte Lilly empört und nun musste Semir bei allem Kummer und Schmerzen doch ein wenig lächeln. „Ich ruf dich an!“ versprach Semir, aber als alle weg waren, drehte er den Kopf zur Seite und musste fast ein paar Tränen verdrücken. So hatte er sich den Beginn des neuen Tages nicht vorgestellt. Dabei hatte er doch so viel zu erledigen!

    Elfriede Maier, geborene Hintersteiner, war nach dem Frühstück in die Verbrennungsklinik aufgebrochen. Sie benutzte öffentliche Verkehrsmittel, denn der Kölner Stadtverkehr war ihr mehr als suspekt! Sie war schon stolz auf sich gewesen, dass sie mit ihren 67 Jahren die lange Fahrt mit dem Auto dermaßen gut bewältigt und dank Navi in der Nacht auch das Hotel problemlos gefunden hatte. Aber nun würde das Auto stehenbleiben und ein paar nette Kölner erklärten ihr das Prinzip des öffentlichen Nahverkehrs und halfen ihr auch, am Automaten die richtige Fahrkarte zu ziehen. So war sie wenig später mit U-Bahn und Straßenbahn unterwegs auf den weiten Weg in die Verbrennungsklinik. Als sie dort ankam, wurde sie freundlich von den behandelnden Ärzten und Pflegekräften begrüßt, die ihr auch sofort glaubten, dass sie Josef´s Schwester war-zu ähnlich waren sich die beiden stämmigen Bayern.
    „Sie dürfen sich gerne zu ihm setzen, allerdings müssen sie zwecks Infektionsvermeidung einen Isolierkittel, Haube, Mundschutz und Handschuhe tragen, um die Umgebung ihres Bruders möglich keimarm zu halten!“ erklärte ihr der behandelnde Stationsarzt. „Er bleibt zwar sicher heute noch beatmet, weil die Bronchien durch die eingeatmeten giftigen Dämpfe beim Brand ein wenig gereizt sind, aber die Sedierung ist recht flach, vielleicht kann er sie sogar erkennen!“ erklärte er ihr und als Elfriede wenig später grün vermummt auf dem Stuhl neben Josef Platz nahm, von dem man unter lauter Verbänden kaum etwas erkennen konnte, hatte sie den Eindruck, dass er sie kurz ansah und zufrieden lächelte, bevor er die Augen wieder schloss, um friedlich weiter zu schlafen. „Josef, dein Freund Herr Gerkan hat mir gesagt, du bist ein Held und ich bin stolz auf dich!“ sagte sie gerührt und tatsächlich nickte Josef nun ein wenig. Elfriede lehnte sich bequem in ihrem Stuhl zurück-sie würde ihren Bruder jetzt begleiten, solange es notwendig war, denn eine Familie musste zusammenhalten, wie man bei ihnen in Bayern sehr wohl wusste!

    Semir geht es weiter besser und er denkt auch an seinen Retter Dr. Reinders-ja genau, warum war der eigentlich in der Schule? Hat der auch nen Erstklässler?
    Und Ben-ts,ts,ts-der ist ja mal wieder , wie so oft, von einem Körperteil gesteuert, das nicht im Kopf angesiedelt ist :D-ich will bitte auch im Detail wissen, wie der Abend endet-Semirs Befragung wäre da nicht so wichtig, Elli-wir wissen doch, was er auszusagen hat! ;)

    Zwischen Jessica und Kevin prickelt es. unter anderen Umständen würde er sicher mit ihr ausgehen, aber so versucht er möglichst viel über sie zu erfahren, um es zu seinen Gunsten auszunutzen, ohne dabei etwas von sich preis zu geben. Er ist sich immer noch nicht sicher-ist die Waffe geladen, oder nicht und sie benimmt sich auch sehr wechselhaft. Ben versucht wieder, Kevin zu erreichen, aber Jessi geht nicht ran, um ihre Brüder nicht zu verärgern.
    Ja es hätte für Kevin sicher keine Vorteile, wenn die Entführer erfahren würden, dass er Polizist ist, aber auch so ist seine Lage nicht die Beste-erneut geknebelt, mit wunden Handgelenken muss er abwarten, was die mit ihm vorhaben.

    „Herr Gerkan, Herr Gerkan! Aufwachen!“ war das nächste, was in sein Bewusstsein drang. Jemand tätschelte seine Wange und als er die Augen öffnete, sah er geradewegs in das Gesicht der jungen Ärztin, die ihn besorgt anblickte. Einen kurzen Augenblick wusste er nicht, wo er war, aber dann fiel es ihm siedend heiß wieder ein, was er als Letztes wahrgenommen hatte. „Was ist mit Ben? Ist er tot?“ fragte er bang, aber eigentlich ließen die getroffenen Maßnahmen keinen anderen Schluss zu.
    „Nein, wo denken sie hin, Herr Gerkan! Er wurde nur auf eine andere Station verlegt!“ erklärte die Ärztin. Semir plumpste gerade ein wahrer Felsbrocken vom Herzen. Langsam richtete er sich auf, wurde aber von der Ärztin genötigt, erst noch ein wenig am Boden sitzen zu bleiben. Eigenhändig maß sie seinen Blutdruck, der aber gerade dabei war, sich wieder zu stabilisieren. Auf die Anordnung der Doktorin brachte die Schwester ein paar Kreislauftropfen und eine Flasche Wasser, die Semir nun komplett austrinken musste, bevor er sich wieder erheben durfte. „Geht´s wieder?“ wurde er gefragt und er nickte. Er hatte sich auch nirgendwo angestoßen, nur die Aufregung über Ben´s vermeintlichen Tod, hatte ihm die Füße weggezogen und getrunken hatte er heute auch viel zu wenig.
    Kurz entschlossen sagte die Ärztin: „Ich bringe sie noch auf ihr Zimmer zurück!“ aber da schüttelte Semir vehement den Kopf. „Erst muss ich Ben sehen, ich kann sonst nicht glauben, dass er noch lebt!“ sagte er und die Ärztin seufzte auf. „Gut, dann gehen wir erst noch auf der chirurgischen Intensiv vorbei!“ und schon machten sie sich, nachdem die Ärztin der Schwester Bescheid gesagt hatte, auf den Weg. Sie hatte ja ein Telefon dabei und wenn in der Zwischenzeit ein Notfall auf der Station auftreten würde, würde man sie sofort verständigen und sie würde so schnell sie konnte an ihren Arbeitsplatz zurückrennen, während das Pflegepersonal schon zu reanimieren begann.

    Wenig später waren sie im anderen Stockwerk an der chirurgischen Intensiv angekommen. Die Ärztin öffnete die Tür und bat Semir kurz zu warten, holte ihn aber wenig später herein. Semir erkannte die Intensiv als die, auf der Sarah auch lag und tatsächlich war Ben nun friedlich schlummernd im Nebenzimmer untergebracht. Durch den geöffneten Türspalt konnte Semir im Vorbeigehen erkennen, dass Sarah´s Eltern anscheinend wieder gegangen waren, aber auch sie lag in tiefer Narkose schlafend da. Schnell trat Semir an Ben´s Bett und griff nach dessen Hand, die schlaff auf dem Laken lag, das seinen Körper bedeckte. Am Fußende des Bettes hing mit gelegentlichem Surren eine Pumpe mit einem großen Sekretbehälter, der bereits zur Hälfte gefüllt war. Sonst konnte Semir durch das Laken nichts erkennen. „Ben, ich bin so froh, dass du noch lebst! Ich hatte schon das Schlimmste befürchtet!“ sagte er leise und streichelte dessen Hand. Von Ben kam keine Regung und der Stationsarzt der chirurgischen Intensiv trat nun hinter ihn und sagte: „Machen sie sich keine allzu großen Sorgen. Er ist bei uns in guten Händen. Er ist tief sediert und darf jetzt schlafen und seine Infektion auskurieren. Wenn das Schlangenserum da ist und bewiesenermaßen das Richtige ist, werden wir es ihm verabreichen und dann sehen wir weiter. Wichtig ist nur, dass er gerade keine Schmerzen hat. Bisher ist sein Kreislauf auch recht stabil, er bekommt viel Flüssigkeit und wird vermutlich noch eine ganze Zeit beatmet bleiben und intermittierend im OP gespült werden. Das Messer hatte den Dickdarm verletzt, der aber übernäht werden konnte. Jetzt steht im Augenblick die Peritonitis, also die Bauchfellentzündung im Vordergrund. Wir hoffen, dass die Antibiotika wirken, die wir begonnen haben zu verabreichen, aber was Herr Jäger gerade bekommt, ist eine Standardbehandlung und wir haben viel Erfahrung damit!“ erklärte er und Semir nickte.
    Gut war, dass Ben keine Schmerzen mehr hatte, denn wenn er nur daran dachte, dass er die letzte Zeit vielleicht alles mitbekommen hatte, ohne sich bemerkbar machen zu können, dann lief es ihm kalt über den Rücken. „Ben, schlaf gut, ich schaue morgen wieder nach dir!“ sagte er weich und löste sich dann zögernd vom Anblick seines Freundes.

    Die nette Ärztin hakte ihn unter und brachte ihn auf die Normalstation zu seiner Familie zurück. „Jetzt ruhen sie sich aus, das war heute alles ein wenig viel für sie!“ sagte sie mitfühlend, bevor sie sich in Richtung innere Intensiv verabschiedete und Semir nickte erschöpft. Kurz erzählte er Andrea noch, was passiert war, schlüpfte dann in T-Shirt und Jogginghose, putzte seine Zähne und kaum lag er im Bett, war er auch schon eingeschlafen. Andrea betrachtete lächelnd ihre schlafende Familie und wenig später löschte auch sie das kleine Leselicht, um zur Ruhe zu kommen.

    Spät am Abend traf noch Hintersteiner´s Schwester im Hotel ein und bezog das Zimmer ihres Bruders. Zuvor hatte Susanne das noch telefonisch geregelt, dass das in Ordnung ging. Sie hatte weiter Nachtschicht und hatte sofort auf den fragenden Anruf des Hotelmanagers reagiert. So wurden Josef´s Sachen zusammengepackt in die Ecke gestellt, das Bett frisch bezogen und eine erschöpfte ältere Dame fiel gegen Mitternacht nach einer langen Autofahrt in das Hotelbett. Gleich morgen früh würde sie ins Krankenhaus zu Josef fahren, aber jetzt war sie erst mal froh, dass sie gut angekommen war!

    So, so-da bahnt sich doch was an, zwischen Yvonne und Ben! Warum sollte sie sonst so scharf darauf sein, ausgerechnet ihn, der ja nicht voll einsatzfähig ist, als Partner/ Berater zu kriegen?
    Der Iraner ist anscheinend ein gesuchter Mann und nun werden sie versuchen über Oliver an ihn heranzukommen! Der muss ja irgendetwas darüber wissen, wie man Kontakt aufnimmt, auch wenn er das seinem Bruder nicht mitgeteilt hat. Ich befürchte, das wird nochmal gefährlich für Ben!
    Immerhin wurden die Waffen schon sichergestellt, also ist der erste Part bereits erledigt!

    Hartmut erklärte wesentlich detaillierter als Semir die speziellen Wirkweisen des Giftes und die Ärztin sagte nach einer Weile nachdenklich: „Es ist nahe liegend, dass es sich tatsächlich um dieses Gift handelt. Zur Diagnosesicherung sollten aber die Mitarbeiter des Speziallabors, wohin die Proben gegangen sind, das noch einmal überprüfen. Allerdings wird da um diese Zeit wohl keiner mehr da sein!“ sagte sie nach einem Blick auf die Uhr-inzwischen war es 19.00 Uhr abends geworden. „Ich denke, wir sollten das Serum trotzdem bestellen, wir verlieren sonst nur Zeit!“ sagte Semir. Die Ärztin nickte nachdenklich. „Allerdings reißt mir mein Chef wegen der Kosten den Kopf ab, wenn ich das ohne Diagnosesicherung in die Wege leite. Normalerweise muss das von oben abgesegnet werden.“ erklärte sie. „Verstehen sie mich nicht falsch-natürlich bekommt jeder die beste Behandlung, aber die Kostenstelle würde jetzt abwägen, was uns günstiger kommt, der Serumkauf mit den Transportkosten, oder eine längere Beatmung, was ja vielleicht wegen dem aktuellen Krankheitsbild bei Herrn Jäger vermutlich sowieso gemacht werden muss!“ sagte sie nachdenklich. „Allerdings werden durch eine andauernde Muskelrelaxation-so etwas Ähnliches macht das Gift ja anscheinend-natürlich die Muskeln allgemein im Körper von Herrn Jäger unheimlich abbauen und er wird sicher viel länger brauchen, um wieder gesund zu werden und sich bewegen zu können!“ dachte sie nun laut nach, sehr unsicher, was sie nun tun sollte. Semir, der ihre Überlegungen schon nachvollziehen konnte, aber andererseits beinahe wütend wurde, dass es immer nur ums Geld ging, sagte nun kurz entschlossen: „Ich kann ihnen versichern, dass es absolut im Sinne von Herrn Jäger ist, wenn sie das Serum einfliegen lassen. Falls die Kosten nicht von einer anderen Stelle übernommen werden sollten-er ist sehr vermögend und wird das mit Sicherheit selber bezahlen, auch wenn sich jetzt herausstellen würde, dass das Serum nicht das Richtige ist und man es gar nicht verwenden kann!“ redete er ihr zu und machte sich innerlich schon darauf gefasst, zusammen mit Hartmut das Serum selber zu organisieren und wieder in einer Nacht- und Nebelaktion Ben ein Medikament zu spritzen, ohne Wissen der Ärzte, nur war diesmal keine Sarah da und er wusste doch nicht einmal, wie man so eine Spritze richtig aufzog und wohinein man da was injizieren durfte.
    Aber da sagte die junge Ärztin schon: „Ich denke, Herr Jäger hat durch unsere Unachtsamkeit hier in der Klinik schon so viel Leid ertragen müssen, ich werde das Serum jetzt bestellen!“ und dann nahm sie kurz entschlossen den Hörer wieder zur Hand.Hartmut hatte am anderen Ende mitgehört und gab ihr nun exakte Daten durch.

    Ein Krankenhaus in Melbourne hatte das Serum vorrätig und obwohl es nach deren Ortszeit ja jetzt fünf Uhr morgens war, hatte die Ärztin wenig später jemanden am Telefon, mit dem sie in fließendem Englisch längere Zeit konferierte. Semir wischte sich innerlich den Schweiß von der Stirn-er hatte schließlich nur rudimentäre Englischkenntnisse und dieses Gespräch hätte ihn jetzt maßlos überfordert. Mit einem Lächeln sagte die Ärztin kurze Zeit später: „Die verpacken jetzt in der Klinik das Serum in eine Kühlbox und schicken es dann mit einem Kurierdienst auf die weite Reise. Spätestens übermorgen früh, eventuell auch schon eher, haben wir es hier. Die haben mir auch noch andere wissenswerte Behandlungsdetails mitgeteilt, immerhin gehören bei denen Schlangenbisse zum täglichen Brot, während sowas hier in Deutschland ja eher selten vorkommt!“ erklärte sie und Semir machte sich danach aufatmend wieder auf den Weg zurück zu Andrea und den Kindern. Zuvor hatte er die Ärztin noch gefragt: „Was denken sie-wie lange wird die Operation bei Ben wohl dauern?“ und sie hatte gemeint: „Mindestens eine Stunde, vielleicht auch länger!“ und Semir beschloss, in einer Stunde wieder zurückzukommen, um nach Ben zu sehen.

    Im Zimmer zurück erwartete ihn eine Überraschung. Seine Chefin war zu Besuch. Sie hatte für die Kinder zwei Kuscheltiere mitgebracht und für Semir und Andrea ebenfalls eine Kleinigkeit. „Wie geht es Herrn Jäger?“ fragte sie, denn sie hatte von Andrea ja erfahren, wohin Semir verschwunden war. „Er wird gerade operiert-mehr weiss ich auch nicht!“ sagte Semir bedrückt und erzählte dann von dem Schlangengiftserum und dem aktuellen Stand der Dinge. Wenig später begannen die Kinder zu quengeln-sie waren hundemüde-und die Chefin verabschiedete sich mit vielen guten Wünschen. Semir und Andrea machten gemeinsam die Kinder für die Nacht fertig und nun kam Andrea erst dazu, Semir die neuesten Neuigkeiten mitzuteilen: „Vorhin war noch der Lungenfacharzt da. Er hat gemeint, wir könnten morgen entlassen werden und meine Eltern holen uns dann am Vormittag ab. Vorrübergehend werden wir uns bei Oma und Opa erholen, allerdings wäre es mir Recht, wenn du dich um die Wohnung kümmern würdest, die uns unser Nachbar angeboten hat. Dann sind wir im selben Viertel, es gibt keine Probleme mit Schule und Kindergarten und wir können die Sanierung unseres Hauses überwachen und auch sehen, was man noch verwenden kann und was nicht!“ teilte sie ihm ihre Überlegungen mit und Semir stimmte ihr zu. So war es auch ihm Recht. Das war dann eine klare Sache. Sie würden Miete für eine Wohnung zahlen und niemandem etwas schuldig bleiben.

    Er sah unauffällig auf die Uhr-eine Stunde war vorbei und ihn zog es jetzt wieder dringend zu Ben auf die Intensivstation. „Geh schon!“ sagte Andrea mit einem Lächeln und legte sich nun mit dem Buch, das ihr die Chefin mitgebracht hatte, in ihr Bett, um noch etwas zu lesen.Wenig später war Semir vor der Intensiv. Beide Türen standen weit auf und er trat, ohne zu überlegen, ein. Immerhin hatte er vorhin mit der Ärztin ausgemacht, dass er wiederkommen dürfe. Als er allerdings in Ben´s Zimmer trat, meinte er, dass es ihm den Boden unter den Füßen wegziehen würde. Die Beatmungsmaschine war abgerüstet, alle Einmalartikel waren verschwunden, ein Desinfektionseimer stand im Raum und das Zimmer war bereit, für den nächsten Patienten hergerichtet zu werden. Semir hielt sich noch kurz mit der Hand irgendwo ein und dann sank er langsam zu Boden und verlor das Bewusstsein.

    Semir hat die OP wirklich gut überstanden und jetzt kann Andrea sich beruhigt um ihre traumatisierten Kinder kümmern. Ja nach so einem Vorkommnis werden die Kölner Kinderpsychologen Hochkonjunktur haben, so viele Betroffene, wie es da gibt!
    Schön, dass Andrea mit in die PASt geht und dort ganz offiziell mit der Chefin spricht, so werden die Kollegen gleich mit einbezogen-so ist das bei uns in der Arbeit auch! Es macht sicher Sinn, Semir jetzt aus den weiteren Ermittlungen rauszuhalten, sonst haut der gleich wieder aus dem Krankenhaus ab. Immerhin müssen die jetzt noch die versteckten Waffen finden, den Iraner identifizieren und wenn möglich verhaften und die Beweise für die Staatsanwaltschaft sichern!
    Nur Ben, gib dich keinen Hoffnungen hin, dass das nach Abnahme des Gipses mit deiner Hand sofort besser wird! Ich hatte auch schon mehrfach solche Gipse und die erste Zeit danach, bis die Muskulatur wieder stark ist, ist die Hölle!

    Ben hätte den Atem angehalten, wenn er gekonnt hätte, aber so blies das Narkosegerät rhythmisch das Luft-Lachgas-Gemisch in ihn, als die Narkoseärztin hintereinander zwei vorbereitete Spritzen in Ben´s ZVK entleerte. „Jetzt könnt ihr!“ sagte sie zum Operateur und der senkte im gleichen Moment das Messer auf den Bauch seines Patienten und erweiterte unter Sicht vorsichtig den Stichkanal so, dass man bequem mit beiden Händen in den Bauch fassen konnte. Die Anästhesieschwester, die ans Telefon gegangen war, kam wieder zurück in den Saal. „Die innere Intensiv hat angerufen, wir sollten damit rechnen, dass unser Patient wach und nur gelähmt sei. Sie wollte wissen, ob wir schon angefangen haben!“ erzählte sie vom Inhalt des Telefonats und die Narkoseärztin schüttelte den Kopf. „Was denken die denn von uns? Meinen die, dass wir einen komatösen Patienten ohne Analgesie operieren? Jeder bekommt bei uns eine anständige Narkose, ob wach, oder nicht. Immerhin kann man ja nie vorhersagen, wann ein Mensch aus der Bewusstlosigkeit aufwacht und wenn ich mir vorstelle, das geschähe mitten in einer OP-wie schrecklich! Ich könnte nachts nicht mehr ruhig schlafen, wenn sowas passieren würde. Man weiss ja auch bei bewusstlosen Patienten nie genau, was sie mitbekommen und gerade bei so unklaren Fällen wie diesem hier, muss man immer damit rechnen, dass da ein Rest Empfinden noch vorhanden ist!“ erklärte sie kopfschüttelnd und setzte sich dann auf den Stuhl, um im Narkoseprotokoll ihre Eintragungen zu machen.

    „Die haben noch gesagt, er hätte australisches Seeschlangengift gespritzt gekriegt, das neben einer kompletten Muskellähmung auch schreckliche Schmerzen hervorruft!“ erzählte die Narkoseschwester weiter und nun sagte die Anästhesistin ernst: „Ach du liebe Güte, dann hat der Patient vermutlich die ganze Zeit schon furchtbar gelitten, denn ich kann in den Akten nichts davon finden, dass er irgendein Opiat seit seiner Ankunft bekommen hat!“ sagte sie empört. Mitleidig strich sie Ben kurz mit den Fingerknöcheln über die Wange und flüsterte „Ab sofort dürfen sie ohne Schmerzen schlafen, bis man ein Serum gefunden hat, Herr Jäger!“ und nun erhob sie sich ein wenig, um über das hochgehängte grüne Tuch zu blicken, das das Operationsgebiet vom unsterilen Anästhesiebereich trennte. „Wie schaut´s denn im Bauch aus?“ fragte sie, denn der Sauger war nun schlürfend eingeschaltet worden und der eine Assistent saugte damit das Operationsgebiet frei. „Hier schwimmt die reinste Kloake!“ gab der Operateur Auskunft und nachdem man sah, dass das etwas Größeres werden würde, setzte man einen sogenannten Rahmen ein, an dem vier stumpfe Haken eingehängt wurden, die die Bauchdecke weit auseinanderzogen, um den zweiten Assistenten zu entlasten, der bisher mit einigem Kraftaufwand die Wundränder auseinandergezogen hatte. Der Operateur inspizierte den Bauchraum und bald hatte er das Leck am Dickdarm gefunden, wo das Messer eingedrungen war. Er übernähte es mit hauchfeinen Fäden und inspizierte dann noch den übrigen Darm, soweit er einsehbar war. Den Dünndarm, der in seinen Schlingen frei und lose im Bauch lag, holte er sogar vor die Wunde und inspizierte ihn Zentimeter für Zentimeter, bevor er ihn wieder in Ben zurücklegte. „Anscheinend ist es die einzige Verletzung!“ sagte er, „allerdings haben wir schon eine Vierquadrantenperitonitis, das bedeutete, dass das Bauchfell im gesamten Bauch hochgradig entzündet war, was man an den Fibrinauflagerungen und der Rötung mit Eiterstraßen erkennen konnte. Man spülte sorgfältig mit literweise steriler Ringerlösung den gesamten Bauchraum und entschied sich dann, einen sogenannten VAC-Verband anzulegen. Das bedeutete, dass man den Bauch nicht verschließen, sondern offen lassen würde, da man bis zum Abklingen der ersten Entzündungswelle und bis die Antibiotika wirkten, etwa alle zwei Tage wieder spülen würde. In die klaffende Bauchwunde wurde nach Entfernung der Haken und des Rahmens ein Silberschwamm eingelegt und dann eine dichte Folie darüber geklebt. Man schnitt in die Folie ein kleines Loch und klebte über dieses ein patentiertes Einmalschlauchsystem, das zu einer speziellen Vakuumpumpe führte, die intermittierend mit leisem Summen das austretende Sekret absaugte. Das war inzwischen die Standardmethode für offene Bauchbehandlungen und wenig später war die Operation beendet.
    „Ich würde ihn gerne auf die operative Intensiv übernehmen!“ sagte die Anästhesistin und der Chirurg nickte dazu. Dadurch hatte man seine chirurgischen Patienten beieinander und musste zu den Visiten nicht durchs halbe Haus wandern. So kam es, dass Ben nach Beendigung der Operation, gut sediert, im Nebenzimmer des Raumes landete, wo Sarah friedlich vor sich hin schlief.

    Semir war derweil wie ein Löwe auf und abgetigert. Er bekam mit, wie die Ärztin am Telefon jemandem die aktuellen Erkenntnisse durchgab und war nur froh, als die ihm dann mit einem erleichterten Lächeln mitteilte: „Herr Jäger hat natürlich eine Narkose und wird wie jeder andere versorgt! Die waren im OP fast ein wenig angesäuert, dass ich das unterstellen würde, sie würden Patienten ohne Narkose operieren!“ erklärte sie ihm und nun atmete er auf. Hoffentlich ging das alles gut und nun wählte er auf Geheiß der Ärztin vom Festnetztelefon aus Hartmut´s Nummer und reichte dann den Hörer an die Doktorin weiter, die nun aufmerksam den Worten des Kriminaltechnikers lauschte.

    Da wären aber eher Storys in Papierform in Gefahr-ich hatte ja früher auch Wellis (vor den Katzen :whistling:) und die haben so manches wichtige Dokument wahlweise verunreinigt, oder angefressen! Aber denen wurde man leichter Herr, als so widerlichen Hackern! X(

    Oh-ein Hackerangriff? Ach du liebe Güte! Ich hoffe, du hast deine weiteren Geschichten gleich mal auf ne externe Festplatte oder nen Stick gezogen, damit die gerettet sind!
    Nun ist Semir schon operiert. Die Operation ist gut verlaufen und er darf sogar schon auf Normalstation. Wenigstens im Nachhinein hat der Professor eingesehen, dass der Gynäkologe ja gar keine andere Möglichkeit hatte, um Semir´s Leben zu retten! Ob der allerdings die ganze Woche im Krankenhaus bleiben wird, wage ich ja fast zu bezweifeln!
    Dr. Reinders macht inzwischen in seiner Praxis weiter-ja als Selbstständiger kann man nicht so einfach zuhause bleiben-das ist der Nachteil. Und da hat der Doc sicher Recht-das Internet mit seinen Medizinforen hat nicht nur Vorteile und letztendlich braucht man halt doch nen Arzt, um kuriert zu werden!

    Ben war inzwischen im OP angekommen. Man legte ihn auf das Förderband der Schleuse und deckte ihn mit grünen Tüchern zu. Auf dem OP-Tisch hängte man die Beatmung und den Monitor um, schnallte ihn fest, damit er nicht herunterfallen konnte und fuhr ihn noch kurz in die Einleitung, bis die vorhergehende OP zu Ende war. Die übernehmende Anästhesistin hatte sich kurz Übergabe machen lassen und die Anästhesieschwester hatte die Papiere übernommen. Ben´s Kreislauf war völlig stabil, auch das Herz schlug eher langsam, dabei war er hochgradig aufgeregt. Verzweifelt versuchte er irgendetwas anzuspannen, damit man bemerkte, wie wach er war, aber es war vergeblich. Er hörte durch die nur halb geschlossene Schiebetür, wie im Saal die vorherige Narkose beendet und der Patient geweckt wurde. Man sprach freundlich mit ihm und der Mann hustete ein paarmal, um dann über die Ausleitung in die Schleuse gefahren zu werden. Von drinnen hörte man Instrumente klappern, die in metallene Entsorgungscontainer geworfen wurde. Die Saugergläser wurden erneuert und während sich die instrumentierende Schwester für die nächste Operation wusch, wischte die Putzfrau den Boden mit desinfizierender Lösung. Ans Narkosegerät kam ein frischer Filter und nun war der Saal bereit.

    Da der Patient schlief, unterhielten sich die Pflegekräfte über private Dinge und der Springer, also die nicht gewaschene OP-Schwester, reichte nun der instrumentierenden Schwester die einmal verpackten Materialien an, beginnend mit sterilen Kitteln, einem Abdeckset für die Tische und den Patienten und sterilen Handschuhen. Die neuen Instrumentencontainer wurden geöffnet und unter lautem Klappern entnahm die Schwester die momentan nach Standard benötigten Instrumente für eine Laparotomie und richtete die auf ihrem zweiten Tisch her. Eine Skalpellklinge wurde angereicht, ein Saugerschlauch mit Aufsatz und mehrere Tupfer, die die Schwester an langen Klemmen befestigte. Wenn im Bauch operiert wurde, kam kein Tupfer und keine Kompresse ohne Stiel zum Patienten, damit auch nichts in ihm vergessen wurde. Währenddessen wuschen sich die drei Operateure im Waschraum, das bedeutete, dass sie nach Schema mehrmals ihre Hände bis zu den Ellenbogen mit Desinfektionslösung, die sie sorgfältig einrieben, behandelten und so die Hautoberfläche keimarm machten. Dann traten sie in den Saal, wohin Ben inzwischen von der Anästhesieschwester mitsamt dem Tisch gefahren worden war, den man auf einem elektrisch verstellbaren Standfuß arretierte. Er wurde mit dem Narkosegerät verbunden und momentan bekam er nur eine schwache Lachgas-Sauerstoffmischung. Ben wurde ein wenig komisch, aber er war durchaus noch immer wach, wenn auch ein bisschen benebelt, wie nach ein paar Bier. Dann fühlte er, wie man die Tücher wegnahm, eine neutrale Klebeelektrode an seinem Oberschenkel befestigte und dann den provisorischen Verband abnahm, den Annika vorhin angelegt hatte. Die Operateure bekamen ihre sterilen Kittel und Handschuhe angezogen und in der Zwischenzeit begann der Springer Ben´s Bauch von den Brustwarzen bis über die Oberschenkel mit grelloranger Desinfektionslösung und Stieltupfern dreimal abzustreichen. Ben hätte schreien mögen, als ein wenig Desinfektionslösung in die Wunde lief, das brannte wie das Höllenfeuer! Zum Abschluss leerte man noch ein Schleimhautantiseptikum, das allerdings nicht brannte, in den Stichkanal und nun begannen die Ärzte Ben´s Bauch mit sterilen Klebetüchern abzudecken. Der wurde immer panischer, aber immer noch konnte er keinen Muskel rühren und fühlte überdeutlich jede Berührung.

    „Da haben die Kollegen in der Notaufnahme aber geschlampt!“ unterhielten sie sich dabei. „Wenn ein bewusstloser Patient eingeliefert wird, muss ich mir den doch genau anschauen. Das ist doch sonnenklar, dass man so eine Wunde zumindest Mal in die Tiefe beurteilen muss, oder einen Ultraschall machen. Die können froh sein, dass er nicht bei Bewusstsein war, sonst könnte er sie verklagen!“ sagte der Operateur und justierte noch mit zwei sterilen Handgriffen die OP-Leuchte, die nun unbarmherzig auf Ben´s Bauch strahlte. „Wie sieht´s aus, können wir?“ fragte er die Anästhesistin, aber bevor die ihm eine Antwort geben konnte, läutete schrill das Telefon in der Einleitung.

    Semir fühlte sich, wie auf glühenden Kohlen, bis endlich jemand über die Rufanlage antwortete. „Ich muss unbedingt den behandelnden Arzt von Ben Jäger sprechen!“ sagte er aufgeregt und da wurde er auch schon hereingebeten. Eine junge Ärztin trat lächelnd auf ihn zu, gab ihm die Hand und stellte sich vor. „Was gibt’s denn so Wichtiges?“ fragte sie freundlich und sah ihn aufmerksam an. „Meinem Freund und Kollegen Herrn Jäger wurde vermutlich das Gift einer australischen Seeschlange injiziert!“ sagte er schnell. „Wir haben im Wagen des Täters mehrere Ampullen gefunden, die unser Kriminaltechniker analysiert hat. Wenn mit einer hohen Wahrscheinlichkeit in der fehlenden Ampulle dieses Gift war, dann bedeutet das, dass Herr Jäger zwar am ganzen Körper gelähmt, aber sonst bei Bewusstsein sein könnte. Außerdem haben die Vergiftungsopfer anscheinend schreckliche Schmerzen, so hat das zumindest mein Kollege bei seinen Recherchen herausgefunden." fügte er hinzu.
    Nun wurde die junge Ärztin blass und griff sofort nach ihrem Telefon. „Hoffentlich haben die noch nicht angefangen!“ murmelte sie und wählte die Nummer des Operationssaals.

    Nun ist auch Semir auf einer Intensivstation gelandet! Andrea darf ausnahmsweise auch bei ihm bleiben-da waren die Schwestern aber großzügig! Immerhin ist das Fieber ein wenig gesunken und er ist zumindest wieder ansprechbar, das ist ein gutes Zeichen, wobei er ja noch eine OP vor sich hat.
    Der Professor ist ganz schön arrogant seinem Kollegen gegenüber! Ich hätte mal sehen mögen, was er in dessen Situation getan hätte, oder hat der immer ein komplettes OP-Sieb inclusive Nahtmaterial in der Hosentasche?

    Wenig später stand der diensthabende Chirurg im Zimmer und untersuchte die Bauchwunde. Er tastete sogar mit sterilen Handschuhen in die Tiefe. „Wie kommt er denn zu sowas?“ fragte er verwundert und nun beeilte sich die Stationsärztin den Grund und die Umstände von Ben´s Einlieferung zu erklären. Nun nickte der junge Arzt: „Na, da hat aber bei der Aufnahmeuntersuchung jemand geschlampt. Gut, dass er bewusstlos ist, das tut nämlich ganz schön weh-sieht aus wie `ne Messerstichverletzung!“ erklärte er. „Ich werde gleich meinen Hintergrund verständigen. Er muss sobald wie möglich laparotomiert werden!“ sagte er und die Ärztin nickte. Wenig später war das diensthabende OP-Team verständigt und der Operationsbeginn in einer Stunde angesetzt. Annika zog Ben noch Antithrombosestrümpfe an und setzte ihm ein grünes Häubchen auf. Das transportable Beatmungsgerät wurde am Bett befestigt, das man noch frisch bezog, wie der Transportmonitor und eine frei tropfende Infusionslösung. „Ein Wunder, dass er noch so kreislaufstabil ist, auch die Herzfrequenz verändert sich überhaupt nicht!“ bemerkte die Ärztin, die noch ihre Papiere ordnete. Dann ließ man Ben kurz alleine und machte eine andere Arbeit und als der Zeitpunkt gekommen war, fuhren Annika und die Ärztin los in den OP, um ihren Patienten dort abzugeben.

    Ben war erleichtert gewesen, als schlagartig seine Übelkeit nachließ. Als dann die Ärztin das Pflaster an seinem Bauch löste und die Steristrips entfernte, war auch das eine momentane Erleichterung gewesen, als sich das gestaute Sekret entleerte. Als die nun allerdings seinen Bauch noch systematisch abtastete, hätte er wieder schreien mögen vor Schmerz. Normalerweise hätte er jetzt seine Bauchmuskeln bretthart angespannt, aber nachdem das völlig unmöglich war, musste er eben die Schmerzen aushalten. Wenig später kam ein Mann-vermutlich der Chirurg, den sie gerufen hatte, ins Zimmer. Auch der drückte wieder auf seinem Bauch herum, was ihn zum Aufstöhnen gebracht hätte, wenn er nur gekonnt hätte. Nun ließ sich der von Annika sterile Handschuhe geben und Ben meinte vor Pein an die Decke gehen zu müssen, als er seinen Finger im Stichkanal versenkte. Danach konnte er kaum der Unterhaltung folgen, so sehr war er damit beschäftigt, irgendwie den furchtbaren Schmerz zu verarbeiten. Er bekam nur so viel mit, dass wohl einer geschlampt hatte und ihn nun jemand laparotomieren wollte. Was war das noch gleich? Er war ja kein Fachmann, aber dann fiel es ihm wieder ein. Die wollten ihm den Bauch aufschneiden. Um Himmels Willen und wenn er nun dazu keine Narkose bekam, weil alle dachten, er wäre so weit weg? Der Schweiß brach ihm aus und zusätzlich zu den Schmerzen überfiel ihn eine schreckliche Angst vor dem, was ihm nun bevorstand!

    Hartmut hatte endlich Semir erreicht, der gerade auf dem Rückweg von der Intensivstation zu Andrea war. Warum war Ben im OP? Bei welchen Komplikationen hatte er denn schon wieder hier geschrien, überlegte Semir fieberhaft, denn natürlich hatte er diesbezüglich über die Rufanlage keine Auskunft bekommen. Als sein Handy klingelte, ging er ran: „Hartmut, hast du was rausgefunden?“ fragte er, als er auf dem Display den Anrufer erkennen konnte. „Ja schon Semir-es gibt eine gute und eine schlechte Nachricht!“ sagte der dann und begann nun mit lauter Fachtermini um sich zu werfen. Er referierte über die Analyseverfahren und viele andere Dinge, bis Semir ihn unterbrach: „Die Kurzform bitte, Hartmut, ich versteh sowieso nur Bahnhof von dem, was du mir gerade zu erklären versuchst!“ bremste er seinen Kollegen ein und nun rückte der allgemeinverständlich raus: „Also wenn wir davon ausgehen, dass in der Ampulle, die Ben gespritzt bekommen hat, das Gleiche war, wie in der anderen daneben, was laut Wahrscheinlichkeitsrechnung zu 75% naheliegend ist, dann war das das Gift einer seltenen australischen Seeschlange. Dieses Gift wirkt neurotoxisch, es hemmt praktisch die Weiterleitung der Nervenimpulse innerhalb des Muskels, was zu einer fortschreitenden Lähmung führt, die zuletzt auch auf die Atemmuskulatur übergreift und normalerweise bei den Opfern bei vollem Bewusstsein zum Tod durch Ersticken führt. Wenn man jetzt eine künstliche Beatmung vornimmt, wie bei Ben geschehen, kann man den Tod verhindern. Allerdings wird das Gift-das übrigens auch noch besondere Nebenwirkungen im Herz-Kreislaufsystem macht, aber die sind gerade nebensächlich-nur sehr langsam abgebaut, es dauert Tage bis Wochen, bis die Wirkung nachlässt. Ach ja und was ich noch sagen wollte: Die Betroffenen, die so einen Biss überlebt haben, haben übereinstimmend erklärt, dass sie die ganze Zeit bei vollem Bewusstsein waren und anscheinend auch schreckliche Schmerzen hatten!“ erklärte er und nun wurde es Semir ganz anders. War es möglich, dass Ben die ganze Zeit hellwach gewesen war und nicht von gnädiger Bewusstlosigkeit umfangen?
    „Und, Hartmut, kannst du nicht ein Gegenmittel, wie beim letzten Mal herstellen?“ fragte Semir nun bang und war schon dabei, wieder zur Intensivstation umzudrehen, um die Ärzte zu informieren. „Leider geht das nicht, denn Schlangenserum wird aus dem Blut von Pferden gewonnen, die über mehrere Wochen mit ansteigenden Dosen an das Gift gewöhnt werden und aus deren Blut dann das Gegenmittel gewonnen wird. Ich konnte nirgendwo in Europa auch nur eine Dosis des Serums auftreiben, allerdings gibt es in Australien, wo die Gefahr eines solchen Bisses ja eher besteht, durchaus mehrere Schlangenfarmen und Krankenhäuser, die es vorrätig haben. Allerdings sind wir uns ja nun beileibe nicht sicher, dass Ben wirklich dieses Gift gespritzt bekommen hat, vielleicht war auch etwas völlig anderes in der Ampulle!“ gab Hartmut zu bedenken. „Das ist völlig egal, Hartmut, wir müssen so ein Serum besorgen-Geld spielt keine Rolle-ich informiere jetzt die Ärzte!“ sagte Semir, der inzwischen an der Intensivstation wieder angekommen war. „Ich lege dich jetzt kurz weg, aber ich denke, ich werde dich in Kürze wieder anrufen, damit du dich von Fachmann zu Fachmann unterhalten kannst!“ sagte er aufgeregt und drückte vehement auf den Knopf der Rufanlage.

    Jetzt ist auch Semir in der Uniklinik eingetroffen-hey, da kann er ja mit Ben in ein Doppelzimmer beziehen-äh ich glaube, da bringe ich gerade was durcheinander :D.
    Semir wird untersucht, allerdings ist das ziemlich unwahrscheinlich, dass da die Ärzte persönlich den Patienten ausziehen, das ist normalerweise der Job der Pflege oder zuvor schon der Sanitäter und was noch ein wenig realitätsfern ist, ist dass der Gynäkologe der Semir operiert hat, brav im Wartebereich Platz nimmt. Wenn er nicht sowieso gleich mit dem Notarztwagen mitgefahren wäre, dann wäre er spätestens im Krankenhaus sofort in die Notaufnahme spaziert und hätte sich zu Semir durchgefragt, um den behandelnden Ärzten Übergabe zu machen. Was unbedingt notwendig in so einem Fall ist, ist tatsächlich die Wunde wieder operativ zu eröffnen und nachzusehen, woher die Infektion kommt-ob das so eine gut Entscheidung des Arztes ist, das auf morgen zu verschieben? Aber immerhin kriegt Semir ein starkes Antibiotikum, hoffen wir, dass das wirkt!

    Ben war voller Verzweiflung zurückgeblieben, nachdem ihn der Neurologe untersucht hatte. Wenn die Ärzte von ihm so eine Meinung hatten, würden sie sich keine Mühe geben, die Ursache dafür zu finden, warum er sich nicht rühren konnte. Er dachte darüber nach, was er wohl verbrochen hatte, dass ihm das widerfuhr. Er würde hier unter Schmerzen krepieren, ohne zu wissen, wie es Sarah und seinem Kind ging. Eines war klar-denen ging´s nicht gut, wenn sie überhaupt noch am Leben waren, denn es war sicher: Seine Sarah hätte das nie einfach so hingenommen, dass man so einfach nichts machte. Wie beim letzten Mal, an das er sich eigentlich nicht erinnern konnte, was sie ihm aber erzählt hatte, hätte sie alle Hebel in Bewegung gesetzt, um ihm zu helfen und auch da war es Hartmut ja gelungen, ein Gegenmittel herzustellen. Die Tatsache, dass sie nicht zu ihm kommen konnte, bewies ihm, dass sie sehr schwer verletzt war. Wie er, wurde sie auch beatmet, hatte ihm Semir erzählt. Jetzt konnte er nur hoffen, dass wenigstens sie dabei nicht leiden musste, sondern ausreichend Narkosemittel bekam.
    Immer wieder dämmerte er weg, aber am endgültigen Einschlafen hinderten ihn die Schmerzen. Am Anfang war er sich sicher gewesen, dass die Schmerzwellen, die ihn regelmäßig durchfuhren, das Schlimmste waren, aber mehr und mehr kristallisierte sich nun der fürchterliche Bauchschmerz heraus. In ihm tobte es, aber ihm blieb nichts anderes übrig, als es hinzunehmen. Semir konnte er keinen Vorwurf machen. Der war kein Mediziner-wenn die es nicht einmal bemerkten, dass er wach war, wie sollte dann Semir als medizinischer Laie seinen Zustand beurteilen?

    Alle zwei Stunden kamen Schwestern oder Pfleger, die ihn anders hinlegten, absaugten und kühl abwuschen. Er merkte selber, wie sein Fieber stieg. Dann war der nachmittägliche Schichtwechsel. Die Schwester, die ihn übernahm, kannte Ben. Sie war schon manchmal bei ihnen zu Hause gewesen und war eine enge Freundin Sarah´s. Sie ließ sich von der Frühschichtschwester Übergabe am Bett machen und nun erfuhr Ben wenigstens Neuigkeiten: „Ich bin vor dem Dienst noch auf der chirurgischen Intensiv gewesen!“ erzählte sie ihrer Kollegin. „Sarah ist tief sediert, aber kreislaufstabil. Wenn sie die ersten 48 Stunden überstanden hat, besteht die Möglichkeit, sie aufwachen zu lassen. Es ist zwar eine gefährliche Situation, aber sie hat alle Chancen, wieder gesund zu werden, denn die Zeit arbeitet für sie. Beim Kind hoffen sie eben auch, dass es nie mangelversorgt war, aber das wird sich erst nach der Geburt herausstellen, ob da irgendwelche Schädigungen entstanden sind, da kann man so früh keine Prognose abgeben!“ erklärte sie und Ben lauschte angestrengt ihren Worten. Gott sei Dank-die Neuigkeiten waren ja doch erfreulich! Zumindest was Sarah betraf. Er würde nie dieses letzte entsetzliche Bild vergessen, solange er die Augen noch offenhalten konnte. Sarah auf dem Bett gefesselt, mit einem Messer, das aus ihrem schwangeren Bauch ragte. Und mit dem Baby-nun, er hatte immer wieder beteuert, dass er diesen kleinen Wurm lieben würde, ob er perfekt war, oder nicht. Wenn irgendwelche Schädigungen auftraten, dann würde man das Kind eben fördern, soweit es möglich war, aber der Liebe seiner Eltern war es gewiss, ob behindert oder gesund und Sarah dachte da genauso darüber!

    Die Schwestern gingen weiter und wenig später hatten auch die Ärzte Schichtwechsel. Für Ben war ab sofort als Stationsärztin eine junge, engagierte Medizinerin zuständig. Der Doktor, der am Morgen für ihn mehr schlecht als recht dagewesen war, machte Übergabe am Bett. „Hier haben wir Herrn Jäger, der übrigens der Lebensgefährte von unserer Sarah ist. Du warst ja letzte Woche in Urlaub, daher hast du das nicht mitgekriegt. Er lag in der Vorwoche schon bei uns mit einer Vergiftung durch eine unbekannte Substanz. Er hatte da schwere Krämpfe, wir mussten ihn dialysieren und eine Pneumonie hatte er auch noch mitgebracht, aber dann hat er sich relativ schnell von selber erholt. Was das für eine Substanz war, konnten wir nicht herausfinden. Angeblich hatte er die von einem Dritten gespritzt gekriegt, aber du weißt ja, was man von solchen Behauptungen halten kann. Kaum ist er zu Hause, hat er die nächste Intoxikation, diesmal mit einer anderen Substanz, über die wir noch nichts Näheres wissen. Seine Freundin, die mit ihm in der Wohnung ist, wird schwer verletzt-also in meinen Augen klingt die Behauptung, das wäre ein Dritter gewesen, sehr dürftig. Ich denke eher, dass er mit unbekannten Drogen herumexperimentiert hat und dabei ordentlich auf die Schnauze gefallen ist. Vermutlich hat Sarah irgendein Dealer verletzt, vielleicht weil Herr Jäger nicht bezahlen konnte oder wollte und sie deckt ihn natürlich, weil sie ihn liebt, du weißt doch, was Sarah für eine Nette ist!“ erklärte er seine Vermutung zur Situation. Die junge Ärztin äußerte sich nicht zu den Verdächtigungen, sondern fragte detailliert ab, was denn schon vom Labor bekannt war. „Das übliche Tox-Screen auf Opiate, Metamphetamine usw. war negativ, wie beim letzten Mal auch. Die machen schon weitergehende Untersuchungen und Blut und Urin wurden auch weggeschickt, aber du weißt ja, das kann dauern, bis wir da einen Befund haben!“ erklärte er ihr. „Ach ja und die Entzündungswerte sind regelrecht explodiert, der Chef vermutet, dass seine Pneumonie, die ja noch nicht ausgeheilt war, aufgeflackert ist. Er kriegt das Antibiotikum iv, sonst soll er schon oral ernährt werden und weil er tief bewusstlos ist, haben wir ihn auch nicht sediert!“ erklärte er und dann gingen sie weiter zum nächsten Patienten.

    Als die Ärztin die gesamte Übergabe von ihrem Kollegen erhalten hatte, ging sie zu Ben zurück ins Zimmer. Der sah eigentlich nicht aus wie ein Junkie. Gut, da konnte man sich täuschen, aber sie konnte sich erinnern, dass Sarah, bevor sie sich vom Intensivdienst wegen ihrer Schwangerschaft hatte freistellen lassen, ihr mal erzählt hatte, dass ihr Freund bei der Polizei war. Sie beschloss, ihn nochmals gründlich durch zu untersuchen und das machte sie auch. Sie prüfte die Reflexe, hörte ihn ab und betastete seinen ganzen Körper von oben bis unten. Sein Fieber war inzwischen bei fast 40°C, aber sie konnte beim Abhören der Lunge keine absonderlichen Geräusche hören. Da würde sie noch eine Röntgenaufnahme veranlassen! Tatsächlich war ihr Patient völlig schlaff, trotzdem sprach sie mit ihm, als wenn er es verstehen würde. Sie vergab sich dadurch nichts und oft wurden Patienten mit einem Rest Bewusstsein durch eine beruhigende Stimme positiv beeinflusst. Gerade wollte sie das Pflaster von seinem Unterbauch lösen, um zu sehen, was für eine Wunde darunter war-dazu hatte ihr nämlich ihr Kollege gar nichts gesagt-ging in einem anderen Zimmer der Herzalarm los. Sie warf nur kurz das dünne Laken über ihren Patienten und rannte los, um im Nebenzimmer zu reanimieren. Dann vergingen die nächsten beiden Stunden damit, den anderen Patienten zu stabilisieren und zu verkabeln und erst am frühen Abend kam sie dazu, bei Ben ihre Untersuchung fortzuführen.

    Dem war inzwischen noch schlecht-furchtbar schlecht! Durch die Ernährungssonde tropfte die Sondennahrung kontinuierlich in seinen Magen und verursachte ihm schreckliche Übelkeit. Er hatte das Gefühl, jeden Augenblick brechen zu müssen, aber nicht einmal das geschah, weil die Muskeln, die dafür notwendig waren, ja ebenfalls gelähmt waren. Annika, Sarah´s Freundin pflegte ihn vorbildlich. Auch sie sprach immer mit ihm, wenn sie irgendetwas an ihm machte, aber Ben hatte durchaus den Verdacht, dass sie das eben einfach immer tat. Sie wischte seinen Mund mit feuchten Mundpflegestäbchen aus, wusch ihn kühl herunter und lagerte ihn sorgfältig, da drückte keine Falte! Aber die Schmerzen und die Übelkeit schlugen immer wieder wie eine Woge über ihm zusammen, da half keine noch so gute Pflege! Auch die Röntgenaufnahme der Lunge war inzwischen im Bett angefertigt worden, aber erst einige Zeit später hatte die engagierte Ärztin Zeit, sich die anzusehen. „Das ist merkwürdig-ich kann mir nicht vorstellen, dass das Fieber und die hohen Entzündungswerte von der Pneumonie kommen. Ich habe die Bilder verglichen, ich würde sagen, die ist schon fast weg!“ vertraute sie Annika an. Die stimmte ihr zu und sagte: „Ich kann auch kaum Sekret aus der Lunge absaugen, auch das spricht ja eigentlich gegen eine Pneumonie. Gut, das Fieber könnte ja auch von dem Gift kommen, aber woher sind dann die Entzündungszeichen, wie das hohe CRP?“ überlegten sie gemeinsam und nun setzte die Ärztin ihre Untersuchung fort. Sie hörte den Bauch ab und sagte: „Ich kann überhaupt keine Darmgeräusche wahrnehmen, stoppe doch bitte mal die Ernährung und häng´die Magensonde auf Ablauf!“ bat sie, was Annika auch gleich erledigte. Im Schuss kam die ganze Ernährung, die Ben bisher erhalten hatte, zurück und gleich wurde seine Übelkeit besser.
    Nun löste die Ärztin das Pflaster an seinem Bauch und sah entsetzt auf die Wunde, die von den Steristrips zusammengezurrt wurde. Man konnte sehen, dass da eine massive Entzündung ablief. Die Wundränder waren stark gerötet und kurz entschlossen entfernte die Ärztin die Strips. Im selben Augenblick klaffte die Wunde auseinander und eine Menge übles Sekret, das eindeutig nach Stuhlgang roch, entleerte sich daraus. Annika versuchte noch etwas unterzulegen, aber trotzdem war das Bett beschmutzt. „Lass das so!“ befahl die Ärztin. „Ich verständige einen Chirurgen!“ sagte sie, zog ihre Einmalhandschuhe aus, desinfizierte ihre Hände und griff zu ihrem Telefon.

    Ach du liebe Güte! Ob das mit dem Tränengas jetzt so nötig war? Der wahnsinnige Oliver quält Semir noch weiter-ich bin jetzt ein wenig zornig auf Ben, dass sich der nicht auf den Geiselnehmer geschmissen hat, als der damit angefangen hat. Angebrochene Hand hin oder her, aber der Doc hätte ihn sicher unterstützt! So müssen aber Alex und seine Männer zur Befreiung ran-und anscheinend ist der Gaseinsatz dem sowieso schon angeschlagenen Semir überhaupt nicht gut bekommen-ich schätze, der wird jetzt der nächste Gast auf Intensiv werden!

    Hartmut hatte derweil begonnen, den Inhalt der Ampullen zu analysieren. Binnen Kurzem stand fest, dass das organisches Material war, was sich darin befand, aber die Zusammensetzung war ihm erst mal völlig unbekannt. Er hatte mit der einzelnen Ampulle begonnen, denn von der Logik her konnte man ja davon ausgehen, dass Ben dasselbe Mittel gespritzt bekommen hatte, wenn die Ampullen alle paarweise vorhanden waren. Oder die zweite Alternative war, dass es sich jeweils um Gift und Gegengift handelte. Hartmut kam zwar voran, aber langsamer, als er sich das vorgestellt hatte. Ihm war schnell klar, dass es sich tatsächlich um tierische Gifte handelte. Viele Enzyme und Polypeptide waren nachweisbar. Hartmut konzentrierte sich nun tatsächlich schwerpunktmäßig auf den Inhalt der einzelnen Ampulle, nachdem in den anderen gleichfarbigen Ampullen jeweils die selbe Substanz war, wie er nach kurzen Tests feststellen konnte. Immer mehr Inhaltsstoffe kamen zutage und Hartmut hatte sich die Seiten über Schlangengifte im Internet bereits intensiv angesehen. Je mehr Stoffe er entschlüsselte, desto mehr konnte er die Suche eingrenzen. Irgendwann unterbrach er die Analysen und begann auf Seiten namhafter Toxikologen, die sich mit Schlangengiften beschäftigten, zu suchen. Er musste das Rad nicht neu erfinden, sondern die bereits einwandfrei herausgefilterten typischen Substanzen nur einer speziellen Schlangenart zuordnen. Erst jetzt wurde ihm bewusst, wie viele Forschungen und Untersuchungen es dazu gab, aber verschiedene Schlangengifte wurden in der Medizin eingesetzt. Man hatte damit Erfolge in der Krebstherapie, in der Herstellung von Mitteln gegen Bluthochdruck, in der Hämatologie und sogar in der Labordiagnostik. Der Renner auf dem Markt war allerdings der Einsatz der Gifte in der Kosmetik. Durch die teilweise muskellähmenden Substanzen erhoffte man sich faltenglättende Wirkung und so wie ja auch Botox, ein Nervengift, das aus Bakterien gewonnen wurde, zur Unterspritzung eingesetzt wurde, so testete man auch viele Schlangengifte in ihrer diesbezüglichen Wirkung. Es war schon Abend, als Hartmut endlich der Durchbruch gelang. Er konnte das Gift eindeutig einer speziellen, hoch giftigen Seeschlange zuordnen, die ausschließlich in Australien vorkam. Die sonderte ein Nervengift ab, das unter anderem neurotoxisch wirkte, also auf die Nervenzellen und so die Atmung lähmte. Zusätzlich wirkte es noch dämpfend aufs Herz und verursachte nebenbei stärkste Schmerzen. Die Symptome würden passen und so griff Hartmut nun, nachdem er noch einige Recherchen angestellt hatte, zum Telefon, um erst mal Semir zu informieren.

    Der war nach einem erholsamen Mittagsschlaf einigermaßen erfrischt gegen 15.00 Uhr aufgewacht. Er hatte fast ein schlechtes Gewissen deswegen, aber dann machte er sich klar, dass er ja die wichtigsten Dinge am Vormittag erledigt hatte. Alles andere würde nun auch ohne ihn laufen! Außerdem schmerzte die Schnittverletzung an seinem Arm und so nahm er dann doch eine der Schmerztabletten, die er vom Krankenhaus mitbekommen hatte. Als er nach einer Flasche Wasser endlich ins Auto stieg, steuerte er auch erst noch den nächsten Imbiss an, an dem er schon so oft mit Ben Mittag gemacht hatte. Würde das je wieder möglich sein?
    Nach einer kurzen Stärkung fuhr er dann nochmals zu seinem Haus. Irgendwann am Vormittag hatte der Sachverständige von der Versicherung angerufen, dass der Schaden geschätzt sei und man nun mit den Aufräumungsarbeiten anfangen konnte-wenn er wollte, würde er schon mal erste Sicherungsmaßnahmen einleiten und Semir hatte zugestimmt. Tatsächlich waren zwar einerseits noch die Feuerwehrleute anwesend, die bis zum Abend noch Feuerwache halten würden, aber auch eine Handwerkerfirma mit einer fahrbaren Hebebühne war da und deckte notdürftig das offene Dach mit Brettern und Folie ab, damit nicht beim nächsten Unwetter der Schaden ins Unermessliche stieg. Nachdem hier alles am Laufen war, machte sich Semir nun auf den Weg zurück ins Krankenhaus. Alle konnten ihn übers Handy erreichen und er musste jetzt dringend nach seiner Familie und seinen Freunden sehen. Unterwegs kaufte er noch ein paar Anziehsachen in einem Bekleidungsmarkt-wenigstens ein paar Shirts und Unterwäsche für sich und Andrea und zwei Jogginghosen waren sicher nicht verkehrt!

    Er stellte sein Fahrzeug auf dem Parkplatz ab, nahm die beiden Puppen heraus und machte sich auf den Weg zur Station. Dort wurde er freudig von Andrea begrüßt-seine Mädels hatten gerade kaum Zeit für ihn, denn sie machten gerade mit Oma ein Würfelspiel. Erst als sie ihre Puppen sahen, unterbrachen sie es kurz und drückten die liebevoll an sich. Nur Ayda bemerkte dann: „Papa, meine Annabelle stinkt!“ und nun musste Semir ihr Recht geben. Der Rauchgeruch war durchdringend. Margot sagte: „Wisst ihr was, ich wasche heute eure Puppen und dann kriegt ihr sie morgen ganz frisch und sauber wieder!“ und damit waren die Mädchen einverstanden. Alle drei hatten keinen Sauerstoff mehr über die Nasensonde und deshalb ging Semir mit seiner Frau, nachdem er ihr die Anziehsachen gezeigt hatte und Andrea sich umgezogen hatte, ein wenig auf dem Krankenhausflur spazieren. „Wie hat´s ausgesehen?“ fragte sie bang und Semir erzählte im Detail davon und auch von allen Hilfsangeboten. „Andrea, was denkst du? Sollen wir in unserem Haus bleiben, oder sind die Erinnerungen an gestern Abend zu belastend für dich und die Kinder?“ fragte er. „Du musst dich aber nicht sofort entscheiden!“ erklärte er ihr noch, aber Andrea hatte sich dazu schon ihre Gedanken gemacht. „Ich denke, dass ich schon wieder in unser Haus zurück will, wenn das möglich ist. Wir haben uns dort immer sehr wohl gefühlt, die Nachbarschaft ist nett, Schule und Kindergarten sind in der Nähe und die Mädchen haben auch ihre Freunde da-übrigens war Evelyn mit ihren Töchtern vorher schon zu Besuch da und hat Spielsachen und Kleidung für die Mädchen mitgebracht! Das Haus kann ja nichts dafür, was gestern passiert ist und der Verursacher ist tot. Ich denke, ich werde darüber hinwegkommen und die Kinder nach einer angemessenen Zeit sicher auch. Ich möchte dann nur eine Alarmanlage haben, wenn alles saniert ist, dann fühle ich mich sicherer!“ erklärte sie und Semir nickte. Er konnte mit dieser Entscheidung gut leben und alles andere wäre finanziell sicher auch sehr schwierig geworden. Er ging mit Andrea zurück zum Zimmer und sagte: „Ich sehe noch kurz nach Sarah und Ben, bevor ich wiederkomme!“ und Andrea nickte.

    Semir ging nun erst zur chirurgischen Intensiv und erfuhr dort, dass Sarah´s Zustand unverändert war. Einen kurzen Blick durfte er ins Zimmer werfen und an Sarah´s Bett saß ganz ruhig ein älteres Ehepaar und hielt ihre Hände-ah, Sarah´s Eltern waren eingetroffen! Danach ging er auf die andere Intensivstation. Als er draußen läutete und Ben besuchen wollte, bekam er aber die Auskunft durch die Sprechanlage: „Das ist leider nicht möglich, Herr Jäger ist gerade im OP!“