Aus dem Goldenen Dreieck war inzwischen eine große Lieferung eingetroffen. Nachdem sein Mitwisser und Freund inzwischen operiert war, aber noch einige Zeit in der Klinik am Bodensee bleiben musste, packte der Geschäftsmann heimlich alleine die halbe Nacht das Rauschgift aus den neu eingetroffenen Designertaschen um. Seine Lieferanten hatten die Päckchen auch mit einem speziellen Duftstoff imprägniert, der Drogenhunde verwirren konnte. Außerdem führte keine einzige Spur zu seiner Firma und ihm persönlich. Er war ein unbescholtener Geschäftsmann, dessen Firma eine Weile ein wenig geschwächelt hatte, sich aber nun glänzend erholt hatte. Mit diesem Jäger als Informanten hatte er einen guten Griff getan und er beglückwünschte sich deswegen. Er hatte kurz überlegt, wie er dessen Nachschub zu ihm bringen sollte, aber dann hatte er beschlossen, den in einen normalen Umschlag zu stecken, einen Adressaufkleber drauf zu kleben, als wenn ein Paketdienst den zugestellt hätte und ihn dann in den Briefkasten zu stecken, während der in der Arbeit war und hoffentlich nach Informationen Ausschau hielt.
Er stellte seinen luxuriösen Mercedes in der Nähe von Ben´s Haus ab, lief ein paar Schritte und wartete dann, bis ein Mitbewohner die Haustür aufsperrte. Mit einem gewinnenden Lächeln verschwand er zielsicher im Hausflur und bei der gepflegten Erscheinung im perfekt sitzenden Anzug hatte der Nachbar auch keinerlei Bedenken den fremden Mann hinein zu lassen. Der ging zur Tarnung ein paar Treppen hinauf und atmete auf, als der Nachbar in einer unteren Wohnung verschwand. Leise stieg er die Treppe wieder hinunter und hatte gerade den schmalen braunen Luftkissenumschlag in Jägers Briefkasten versenkt, da wurde neben ihm die Tür aufgesperrt und Sarah stand vor ihm. Er erkannte sie sofort, denn er hatte schließlich genügend Fotos von ihr gesehen. Hoffentlich hatte sie nicht bemerkt, dass er gerade in ihrem Briefkasten etwas hatte verschwinden lassen! Er nickte grüßend mit dem Kopf und verließ mit schnellen Schritten das Haus. Sarah wollte gerade nach oben gehen, als sie bemerkte, dass etwas in ihrem Briefkasten war. Mit der Post konnte das nicht gekommen sein, denn die war schon da gewesen und Sarah hatte den Inhalt vorhin schon mit in die Wohnung genommen. Deshalb sperrte sie den Briefkasten auf, nahm den braunen Umschlag heraus und wog ihn neugierig in ihrer Hand. Ob da wohl ihr Geschenk drin war? Sie hätte schwören können, dass der gut gekleidete Mann den vorhin eingeworfen hatte, aber das war mit Sicherheit kein Paketdienst. Seufzend stieg sie die Treppen hinauf. Mann sie musste jetzt schon immer ordentlich schnaufen, der Bauch drückte und sie wurde auch schnell müde. Deswegen legte sie sich noch ein wenig aufs Sofa und ruhte sich aus, bevor sie sich dem Haushalt widmete. Den Umschlag legte sie auf das Sideboard und dachte auch nicht mehr weiter daran.
Heute fuhr Ben, der langsam wieder der Alte war. Es war kein Zittern zu bemerken, er wirkte konzentrierter und Semir sah auch kein einziges Mal untertags, dass er seine Hand auf den Bauch legte-anscheinend waren seine Magenschmerzen besser. Sie machten normale Streifenfahrten und unterwegs hielt Ben einmal bei einem Juwelier an und kam wenig später mit einem schmalen Päckchen wieder heraus. „Was hast du jetzt gekauft?“ fragte Semir neugierig, der im Wagen sitzen geblieben war. „Ich habe mich gestern mit Sarah gestritten. Wir haben uns zwar heute Morgen wieder versöhnt, aber jetzt möchte ich ihr eine Kleinigkeit schenken, damit sie mir nicht mehr länger böse ist!“ erklärte Ben wahrheitsgemäß. „Mann davon kann ich nur träumen-sowas gibt unser Budget nicht her-das Allerhöchste der Gefühle, wenn ich mich mit Andrea gestritten habe, ist ein Blumenstrauß zur Versöhnung!“ seufzte Semir. „Das ist eine gute Idee!“ befand Ben und als sie am nächsten Blumengeschäft vorbeikamen, ging er auch da noch hinein und kam mit zwei kleinen, aber wunderhübsch gebundenen Sträußen wieder heraus. Einen davon überreichte er feierlich Semir: „Da, der ist für Andrea-brauchst ihr ja nicht zu sagen, dass ich den gekauft habe!“ sagte er mit einem Lächeln und Semir erkannte Ben gar nicht wieder.
Sie brachten den Arbeitstag zu Ende, wobei gegen Abend Ben schon wieder begann unruhig und unkonzentriert zu werden, aber kurz nach fünf machten sie beide Feierabend und jeder strebte mit seinem Geschenk nach Hause.
Andrea war sehr gerührt, dass Semir ihr einfach so etwas mitgebracht hatte und nachdem die Kinder im Bett waren, machten sie sich noch einen schönen Abend. „Ach Semir-heute war der Vorarbeiter der Baufirma bei mir. Die sind jetzt mit den Böden so weit fertig, aber jetzt muss das Haus drei Wochen austrocknen. Die Firma hat Betriebsurlaub und deshalb sollen wir uns nicht wundern, wenn jetzt eine Sanierungspause ist-das sei so geplant, hat er mir gesagt. In drei Wochen geht das zügig weiter mit der Restaurierung und in etwa drei Monaten können wir dann wieder zurück in unser Haus.“ erzählte sie ihm noch und Semir nickte, bevor er sie in seine Arme zog und zärtlich küsste.
Sarah konnte zwar an und für sich von ihrer Wohnung aus nicht auf die Tiefgarageneinfahrt blicken, aber sie hatte gegen Abend festgestellt, dass sie kein Brot mehr im Haus hatten und war noch losgegangen, um in der nahe gelegenen Bäckerei eines zu besorgen. Als sie zurück kam, hätte sie schwören können, dass Ben gerade in die Tiefgarage gefahren war, als er aber eine Viertelstunde später immer noch nicht auf der Matte stand, befand sie, dass sie sich wohl getäuscht hatte. Dort unten standen mehrere silberne Fahrzeuge und sie hatte, während sie wieder mühsam die Treppe hinauf schnaufte, auch bloß aus den Augenwinkeln gesehen, wie ein Wagen dort verschwunden war. Einige Zeit später stand Ben gut gelaunt vor ihr und überreichte ihr den Blumenstrauß. „Ist Post für mich gekommen?“ fragte er harmlos und ließ derweil seine Blicke schon hektisch durch die Wohnung schweifen. Im Briefkasten war nämlich nichts gewesen!
Sarah freute sich sehr über den Strauß und wies mit dem Kopf zum Sideboard, während sie eine Vase holte und die Blumen dorthinein arrangierte. Ben nahm schnell den Umschlag an sich, ging damit ins Bad und schloss sich ein, wie Sarah verwundert konstatierte. Na sie würde auf ihre Überraschung schon warten können, so wichtig war das auch nicht! Männer-da benahmen sie sich wie kleine Kinder befand sie, aber sie freute sich dann doch sehr, als Ben ihr wenig später eine hübsche Halskette in einer schmalen Verpackung überreichte.
Ben hatte im Bad hektisch den Umschlag aufgerissen und dann erleichtert aufgeatmet, als zehn kleine Päckchen heraus purzelten. Er versteckte sie vorrübergehend in einer alten Socke im Wäschepuff-später würde er sie in die Tiefgarage schaffen. Er hatte sich vorhin den letzten Schuss verpasst, um sechs seinen Anruf erledigt und war schon entsprechend unruhig gewesen, aber so waren die nächsten Tage gesichert. Als er Sarah die Kette umlegte und ihr versicherte, wie gut die ihr stand, war der Abend gerettet und nachdem sie zu Abend gegessen hatten, dösten sie Arm in Arm ein, allerdings ohne miteinander zu schlafen-das ging einfach nicht.
Gegen Morgen stahl Ben sich wieder aus dem Bett, zog sich leise an und verschwand mit seiner Socke in der Tiefgarage. Als er sich den nächsten Schuss gesetzt hatte, kam er nach einer Weile wieder zurück ins Bett und Sarah wunderte sich im Unterbewusstsein, was er wohl so lange auf der Toilette gemacht hatte. Dann kuschelte sie sich aber wieder an ihn und bedauerte, dass er es im Augenblick vorzog in langärmligem Shirt und Shorts zu schlafen-früher war er oft nackt im Bett gelegen und sie konnte sich auch nach der ganzen Zeit, die sie schon zusammen waren, an seinem wohl geformten Körper nicht satt sehen. Aber gut-sie wurden bald Eltern, vielleicht war es einfach an der Zeit sich umzustellen, sie trug schließlich auch lieber ein Schlafshirt.