Sarah brachte Ben wieder in den Keller. Ein paarmal strauchelte er, aber sie hatte Semir, der ihnen mit Abstand folgte einen warnenden Blick zugeworfen. Wenn der näher kam, solange Ben sich noch als älterer Schüler wähnte, würde der wieder fliehen und ob es diesmal so glimpflich abgehen würde, wagte sie zu bezweifeln. Ben legte sich auch artig aufs Bett und ließ sich zudecken. Sarah fragte ihn: „Magst du einen Kaffee trinken und ein Brötchen essen?“ aber Ben schüttelte den Kopf und sagte: „Erstens mag ich keinen Kaffee und dann ist mir immer noch schlecht!“ und das nahm Sarah zur Kenntnis. Sie reichte ihm die Wasserflasche, aber als er auch nur versuchte einen Minischluck zu nehmen, musste er wieder würgen und so ließ sie es bleiben, leerte noch schnell die beiden Eimer aus und ging dann aus dem Raum zu Semir, der hinter der Tür Wache stand. Aufatmend legten sie gemeinsam den Riegel wieder vor und Semir stellte nach einem Blick auf die Uhr mit einem „Verdammt-ich muss los!“ fest, dass er schon fast zu spät war. „Kommst du alleine zurecht?“ fragte er Sarah, während er in Windeseile im Stehen eine Tasse Kaffee hinunterschüttete und sich ein belegtes Brötchen vorbereitete, das er unterwegs im Wagen essen würde. „Ich denke schon!“ antwortete Sarah und nahm sich ebenfalls ein Brötchen-sie würde sich später einen Tee machen, denn Kaffee trank sie wegen dem Kind in der Schwangerschaft nicht und sie hatte eine Packung ihrer Lieblingsteebeutel in ihrem Koffer.
So verließ Semir sie und fuhr so zügig es ging zur PASt, wo er von Frau Krüger schon erwartet wurde. Er trudelte zwei Minuten vor neun ein und atmete auf-wenigstens diesbezüglich würde er nicht auffallen! Susanne hatte ihm eine Liste mit den schwarzen Porsches dieser Baureihe vorbereitet, die in Köln und Umgebung zugelassen waren und es waren nur acht Adressen-gut das würde zu schaffen sein! Frau Krüger griff nach ihrer Jacke: „So Herr Gerkhan-nachdem sich die Zahl ihrer Mitarbeiter ja zügig dezimiert hat, werde ich sie heute bei ihrer Arbeit unterstützen. Nur immer hinterm Schreibtisch sitzen und Dienstpläne schreiben ist auf Dauer auch langweilig, ich muss mal wieder normale Polizeiarbeit machen!“ verkündete sie und Semir verdrehte innerlich die Augen zum Himmel-verdammt, gerade bei diesem Fall, wo er absolut keine Aufmerksamkeit brauchen konnte, fiel der Chefin sowas ein. Aber es blieb ihm nichts anderes übrig, als gute Miene dazu zu machen-gut, dann würde das Schicksal eben seinen Lauf nehmen, jetzt konnte er eh nichts mehr aufhalten und vielleicht war der Dealer ja auch nicht unter den Porschefahrern, sondern das Auto war geklaut, oder irgendwo ganz anders zugelassen! Sie checkten die Adressen der Halter und legten sich danach einen Plan zurecht, in welcher Reihenfolge sie sie abklappern würden und dann brachen sie auf.
Hartmut hatte in der Nacht ausnehmend gut geschlafen und sogar von Jenni geträumt. Sie waren miteinander auf einem Rockkonzert gewesen und gerade als sie ihn verliebt angesehen hatte und er sie in einer dunklen Ecke küssen wollte, klingelte sein Handywecker und er musste aufstehen. Allerdings tat er das heute ohne Murren und mit einem breiten Grinsen im Gesicht, denn er würde jetzt seine Traumfrau aus dem Krankenhaus abholen! Er trank einen Kakao und rief kurz seinen Mitarbeiter in der KTU an, dass er heute erst später kommen würde, weil er einen wichtigen privaten Termin hätte und dann kaufte er sich noch in der Bäckerei um die Ecke ein Schokocroissant, das er auf dem Weg zur Klinik genüsslich verspeiste.
Seine Lucy, sein altes Fahrzeug war leider nicht mehr zu reparieren gewesen, aber er hatte wieder einen Oldtimer erstanden, nämlich einen quietschgelben VW Käfer, Baujahr 1974 in einer Sonderedition. Den hatte er liebevoll und originalgetreu restauriert und auch problemlos durch den TÜV gebracht. Nachdem er als Oldtimer fungierte, konnte er auch das Fahrverbot für Fahrzeuge ohne grüne Plakette in der Kölner Innenstadt unterlaufen und so kam er gut gelaunt mit seinem auffälligen Wagen vor der Klinik an und fand sogar sofort einen Parkplatz. Zwei Stufen auf einmal nehmend erklomm er die Treppe und stand wenig später vor Jenni´s Zimmertür und das Herz schlug ihm bis zum Hals. Als er geklopft hatte und ein freundliches „Herein“ ertönt war, ging er ins Zimmer und tatsächlich stand Jenni schon angezogen und mit gepackter Reisetasche bereit. Sie hatte über der dick verbundenen Schulter eine leichte Jacke und hatte sonst Jeans und ein weites T-Shirt an, das sie über den Verband gezogen hatte. Den Entlassbrief für ihren Hausarzt in der Hand, packte sie ihre Tasche, die er ihr sofort abnahm. „Aber Jenni-du sollst doch nichts tragen!“ sagte er vorwurfsvoll und über ihr Gesicht glitt ein Lächeln. „Guten Morgen erst mal-und danke, dass du mich abholst! Ich bin ja nicht so krank, dass ich nicht meine Tasche hätte selber nehmen können!“ sagte sie, während sie schon zur Tür hinaus strebte. „Aber deshalb bin doch ich da-du sollst dich nicht anstrengen!“ sagte Hartmut ganz Gentleman und ging neben ihr zum Fahrstuhl. Gemeinsam fuhren sie nach unten und als sie vor dem auffälligen Käfer standen, sagt Jenni erfreut: „Mensch Hartmut, der ist ja der Knaller-ich wollte immer schon mal in so einem mitfahren!“ und nachdem der Kriminaltechniker ihre Tasche auf den Rücksitz gestellt hatte, stiegen sie beide ein und Hartmut kurvte mit dem typischen Geräusch des luftgekühlten VW-Motors vom Hof. „Der klingt super!“ sagte Jenni, während sie die Seitenscheibe herunterkurbelte und ihren Kopf in den Wind streckte. „Das finde ich auch!“ erwiderte Hartmut glücklich und schlug den Weg zu ihrer Wohnung ein.