Beiträge von susan

    Ben hatte sich inzwischen so weit stabilisiert, dass man guten Gewissens mit der Wiederherstellungsoperation beginnen konnte. Zunächst arbeiteten die beiden erfahrenen Chirurgen im Stehen Hand in Hand und verplatteten und nagelten die kaputten Knochen. Dann setzten die beiden Operateure Lupenbrillen auf, bzw. ließen sich die vom unsterilen Springer aufsetzen und dann wurde der Operationstisch in angenehme Sitzhöhe gebracht, Ben´s kaputtes Bein in seinen sterilen Tüchern, mit denen man es nach dem Desinfizieren abgedeckt hatte, wurde anders hingelegt und die Operationslampen auf die neue Arbeitshöhe gebracht. Jetzt begann die diffizile Arbeit, die höchstes Geschick und Konzentration erforderte und beginnend mit den Sehnen und danach den Blutgefäßen fing man an mit zunächst starken Fäden und dann solch hauchfeinen, dass die mit dem bloßen Auge fast nicht zu erkennen waren, wieder zusammenzufügen, was abgerissen war.

    „Bitte geben sie ihm unbedingt Piperacillin und Tazobactam damit wir ihn antibiotisch abdecken. Wir werden zwar sowieso schon Keime in der Wunde haben und Fieber hat er ja auch schon, aber trotzdem hoffen wir, dass wir die Infektion systemisch bekämpfen können und falls es nichts wird, haben wir es wenigstens versucht-amputieren können wir immer noch!“ erklärte der plastische Chirurg und der Anästhesist nickte und wies die Narkoseschwester an, ihm das gewünschte Antibiotikum gleich aufzulösen. Die Arbeit am Knochen war sicher sehr schmerzhaft gewesen und dafür hatte man Ben eine große Menge Opiat gegeben, was natürlich seinen Kreislauf erneut belastet hatte, aber bei den jetzt folgenden Nähten konnte man eine sehr oberflächliche Narkose fahren, so dass Ben sogar am Narkosegerät selbst atmete und nur durch die Inhalationsnarkotika und wenig Opiaten in einem leichten Schlaf gehalten wurde. Immer wieder kontrollierte man die Narkosetiefe, aber man wollte ihn nicht viele Stunden komplett ausknocken-umso schwerer würde er nämlich wieder aufwachen und mit den Nebenwirkungen der Narkosemittel zu kämpfen haben.

    Nachdem der Operateur ja die Musikrichtung vorgeben durfte, hatte er sich für klassische Klaviermusik entschieden und bei den Goldberg-Variationen von Bach, die ja auch schon pro Stück fast eine halbe Stunde dauerten, verging die halbe Nacht, währenddessen die Operateure geschickt und angespannt Hand in Hand arbeiteten. Die OP-Schwester hatte sich auch einen Stuhl geben lassen, was eher selten vorkam, aber solche Wiederherstellungsoperationen waren für das gesamte OP-Personal außer den beiden Operateuren, die sehr konzentriert arbeiteten, eigentlich langweilig und immer wieder gähnte der eine oder andere, denn auch wenn man untertags geschlafen hatte, der Körper mit seiner inneren Uhr befahl den meisten Menschen trotzdem in der Nacht müde zu sein, was ja normalerweise auch ok war.
    Man hatte um Ben´s Oberschenkel eine breite aufpumpbare Manschette gelegt und als der Operateur zur Naht der größeren Blutgefäße kam, stellte man vorübergehend eine Blutsperre her, die man aber nicht die ganze Zeit belassen konnte, denn sonst würde der Fuß komplett absterben, aber so hantierte man mit viel Fingerspitzengefühl und nachdem die wichtigsten Blutgefäße wieder verbunden waren, wurden die Fäden noch dünner und nun kam das Operationsmikroskop zum Einsatz, denn mit bloßem Auge waren trotz Lupenbrille die feinen Nerven kaum zu erkennen.

    So nahm man die Brillen ab und der Operateur und sein Assistent blickten nun durch die Optik des Operationsmikroskops, der Operateur durch den Hauptgang und sein Assistent durch den sogenannten Spion-einem zweiten optischen Aufsatz. Inzwischen lief keine Musik mehr, denn diese Tätigkeit erforderte höchste Erfahrung, Geduld und Fingerspitzengefühl und der Wiederherstellungschirurg mit seinen filigranen geschickten langen Finger, die er durch Klavierspiel beweglich hielt, arbeitete in höchster Präzision. Einige Male beratschlagten die beiden Chirurgen sich, welcher Nerv das wohl war-es war detailliertes anatomisches Wissen für solche Operationen erforderlich, denn sonst würde das nicht funktionieren und der plastische Chirurg hatte schon viele Stunden und Tage damit verbracht, menschliche Hände und Füße in der Pathologie zu präparieren und daran zu üben, aber am lebenden Objekt war das Ganze dann doch wieder ganz anders. Allerdings hatte er eine hohe Erfolgsrate und die Patienten wurden nach Unfällen mit dem Hubschrauber von weit her zuverlegt, um von seiner Erfahrung und seiner Geduld zu profitieren.

    Trotzdem kamen die Operateure einfach durch die Konzentration und das angespannte Arbeiten mit teilweise doch krummem Rücken und ein wenig verdreht an ihre körperlichen und mentalen Grenzen, alle hatten Hunger und Durst und mussten eigentlich schon lange zur Toilette, aber das verdrängte man, bis es unaufschiebbar war, denn sonst stockte der ganze OP-Betrieb, weil sich derjenige der den Saal verließ, nach der Stärkung und dem Klobesuch wieder komplett umziehen und steril waschen musste. So aber atmete die ganze OP-Besatzung erleichtert auf, als irgendwann der Operateur das Operationsmikroskop zur Seite schob, seinen schmerzenden Rücken streckte und: „Hautnaht!“ forderte. Nun wurden noch zwei dünne Redondrainagen gelegt, damit das Wundsekret ablaufen konnte und mit peniblen sauberen Hautnähten an denen jede Schneiderin ihre wahre Freude gehabt hätte, so exakt gleich waren die Abstände, wurde die Operation am Fuß beendet. Man fuhr nun den Tisch hoch, wischte die Haut nochmals mit Desinfektionsmittel ab und klebte sterile Wundverbände über die Wunden.

    Nun vertiefte der Operateur die Narkose wieder, denn jetzt würde man Ben umdrehen und die Blutergüsse an seinem Rücken inzidieren und drainieren, da sich die riesigen Hämatome sonst infizieren und schlecht abheilen konnten. Man hatte mehrmals während der Operation Blutgase gemacht und auch andere Laborwerte bestimmt, um dringend benötigte Elektrolyte auszugleichen, Ben Pufferlösungen zu verabreichen und die richtige Infusionsrate heraus zu finden, damit er einigermaßen stabil blieb. Im Pleur-Evac-Gefäß der Thoraxdrainage war Gott sei Dank kaum mehr Blut und Sekret nachgelaufen und der Hb-Wert war zwar deutlich erniedrigt, aber man konnte bisher von der Verabreichung von Blutkonserven absehen, denn diese störten das Immunsystem deutlich und man ging da heutzutage viel zurückhaltender damit um, als noch vor wenigen Jahren-oft schadete man den Patienten damit mehr, als man nutzte und Ben würde ein intaktes Immunsystem brauchen, um den Fuß zu behalten.
    Im Katheterbeutel kam immer noch sehr blutiger Urin, aber zumindest eine der Nieren arbeitete, sonst würde kein Pipi produziert und so überließ man dieses Organsystem der Sorgfalt des Urologen, der sich die Sache später wieder ansehen würde, aber jetzt musste man zusehen, dass man Ben langsam ins Bett brachte. In seinem Rektum hatte man zu Beginn der Operation eine Temperaturmeßsonde platziert, damit man ihn bei Bedarf wärmen konnte, denn Hypothermie, also Untertemperatur, war für den Operationserfolg unbedingt zu vermeiden, aber da er zunächst 38°C Fieber gehabt hatte, war die Temperatur nur bis 36,5°C gesunken und das war in Ordnung so.
    Nun erhoben sich die Chirurgen, streckten ihre schmerzenden Rücken und fassten dann gemeinsam mit dem Springer an, um Ben auf den Bauch zu legen und so auf dem Tisch zu fixieren. Die Operateure zogen dann frische Sterilkittel und Handschuhe an, der Springer desinfizierte inzwischen die mannigfaltigen Beulen und nun kam der Unfallchirurg, in diesem Fall der Mann fürs Grobe, wieder zum Zug. Mit mehreren beherzten Schnitten eröffnete er die Blutergüsse, drückte mit Kompressen die Koagel, die sich teilweise darin befanden heraus, legte dicke Drainagen ein, nähte die mit jeweils einem derben Stich fest und als man so Ben´s Rückseite versorgt hatte, befestigte man noch dicke saugende Verbände darauf und drehte ihn dann wieder zurück auf den Rücken. Der Wiederherstellungschirurg prüfte nochmals die Durchblutung der Zehen, aber so wie es aussah, war die Operation zumindest fürs Erste gelungen. Man wickelte einen warmen Polsterverband um den Fuß und legte darüber eine aufblasbare Schiene zur Stabilisierung. Die nötige Bewegung würde die ersten Tage nur kontrolliert und passiv durch die Krankengymnastik erfolgen-ansonsten musste man das Bein noch ruhig halten, damit die hauchfeinen Strukturen darin sich erholen konnten.

    Kurz hatte der Anästhesist überlegt, Ben noch ein paar Stunden nachbeatmet zu lassen, sich aber dann dagegen entschieden. Die Temperatur war in Ordnung, mit Noradrenalin hatte er einen stabilen Kreislauf und so sprach nichts dagegen, ihn aufwachen zu lassen. Er stellte das Narkosegas ab, versorgte Ben nur noch mit einem Luft- Sauerstoff-Gemisch und dann wartete man, bis der langsam zu sich kam.

    Ja leider wurde Robin doch bemerkt und bevor er sich versieht, wird er schachmatt gesetzt und im Kofferraum des Wagens des vorher Verfolgten eingesperrt.
    Ben versucht derweil Semir davon zu überzeugen, dass es in der Schutzwohnung doch ganz nett wäre, was der aber überhaupt nicht findet, sondern weiter ermitteln will-ich hätte von ihm auch nichts anderes erwartet!

    Na Gott sei Dank-Andrea und die Kinder können unverletzt befreit werden und die Kinder kriegen auch nicht mit, wie einer der Bösen erschossen wird.
    Nun richtet sich das Augenmerk auf Semir, dem schon mal raffiniert mitgeteilt wird, dass seine Familie in Sicherheit ist. Trotzdem bibbere ich ein wenig, ob seine Befreiung auch so glatt läuft wie der vorherige beinahe perfekte Plan!

    Brummer hatte das Bewusstsein verloren, als ihn die Kugel aus dem Jagdgewehr beinahe im selben Augenblick traf, als er den Abzug der Armbrust betätigt hatte. Er war rücklings umgefallen und erst wieder zu Bewusstsein gekommen, als er auf der Trage lag, um ins Krankenhaus abtransportiert zu werden. Seine Schulter schmerzte ungemein und sein Rücken auf Höhe des Schlüsselbeins ebenfalls, aber er verhielt sich mucksmäuschenstill, um niemand bemerken zu lassen, dass er wieder bei Bewusstsein war. Ein Mann und eine Frau trafen ein-aha das waren wohl Zivilpolizisten, die etwas zu sagen hatten und auch kombinieren konnten, denn obwohl er keine Personalpapiere am Mann hatte, etwas was man ihm bei der Bundeswehr in der Sondereinheit bei der er gedient hatte und wo er auch die Kunst des Nahkampfs, den Gebrauch verschiedenster Waffen, Sprengkunde und viele anderen Dinge gelernt hatte, die man im Kriegsfall so brauchte-schon vor Jahren beigebracht hatte, fiel wenig später sein Name-er war identifiziert. Er stellte sich weiter tot und hörte, dass Stumpf wohl sehr schwer verletzt war, aber ebenfalls noch am Leben und langsam begann ein Plan in ihm zu reifen.
    Obwohl es ihn sicher ordentlich erwischt hatte und er nicht mehr der Jüngste war, hatte er doch das Gefühl, dass er es schaffen konnte zu fliehen. Wenn die Schulter vorne und hinten weh tat, war es vermutlich ein glatter Durchschuss und wenn er es fertig bringen würde abzuhauen, konnte er sich irgendwo verstecken und warten bis seine Verwundung verheilt war. Wenn die allerdings erst einmal drauf gekommen waren, was er alles auf dem Kerbholz hatte, würden die ihn schnellstmöglich in ein Gefängniskrankenhaus verlegen und von dort zu fliehen war fast unmöglich. Also musste die Flucht zeitnah erfolgen und so wartete er, bis sich der Krankenwagen in Bewegung gesetzt hatte und sondierte dann mit einem vorsichtigen Blick aus halb geschlossenen Augenlidern die Lage.

    Anscheinend ging man davon aus, dass er noch tief bewusstlos, aber stabil war und würde sicher nicht sonderlich aufmerksam sein. Nachdem in diesem Fahrzeug am Herweg anscheinend der Notarzt mitgefahren war, der aber jetzt Stumpf, den es wohl schlimmer erwischt hatte, begleitete, waren in seinem Wagen nur der Fahrer und ein Sanitäter, der angeschnallt neben der Trage saß, auf der er lag. Über seinem Körper war ein Gurt, aber seine Arme waren frei, zwar mit Infusion, aber eben nicht angebunden, obwohl natürlich der rechte Arm mit der Verletzung nur begrenzt einsatzfähig war. Natürlich war es möglich, dass ein Polizeifahrzeug den Transport begleitete, aber dieses Risiko musste er eingehen-er hatte nichts mehr zu verlieren!

    Also begann Brummer sich ein wenig zu regen und zu stöhnen und der Sanitäter beugte sich zu ihm vor, um nachzusehen, was mit seinem Patienten war, da schoss plötzlich dessen linke Hand vor und mit einem gezielten Schlag gegen den Kehlkopf setzte er den Sanitäter schachmatt, ohne dass der Fahrer davon etwas mit bekam. Der Helfer sank bewusstlos in seinem Sitz zusammen und katzengleich schnallte sich Brummer ab, knebelte ihn sachgerecht und fesselte ihn mit einer Binde an den Sitz, bevor er wieder zu sich kam. Dann zog er aus dem Medikamentenschrank eine Spritze auf, öffnete leise das kleine Guckfenster, das bei diesem Fahrzeugmodell in der Metallwand eingelassen war, die die Fahrerkabine vom Inneren des RTW trennte und setzte sie an den Hals des Fahrers in den rot-weißen Klamotten der Feuerwehr an. „Wenn du dich ruhig verhältst und tust, was ich dir sage, geschieht dir und deinem Kollegen nichts-ansonsten spritze ich dir in der nächsten Sekunde das Kaliumchlorid, das sich in dieser Spritze befindet in die Halsvene und mit deinem medizinischen Fachwissen weisst du, dass das deinen sofortigen, qualvollen Tod bedeutet!“ zischte er zwischen zusammengepressten Lippen hervor und der Fahrer wurde zwar blass, fuhr aber ruhig weiter und bedeutete dem Patienten, dass er tun würde, was er von ihm verlangte.
    So bog der RTW an der nächsten Kreuzung ab und als man den eine Stunde später in einem kleinen Wäldchen am Stadtrand Kölns fand, als man ihn endlich vermisste und die Polizisten, die zur Bewachung Brummers von einer anderen Dienststelle direkt ins Krankenhaus gefahren waren, Alarm schlugen, waren die beiden Sanitäter darin gefesselt und geknebelt, einer davon ausgezogen bis auf die Unterhose und es fehlte Bargeld, Medikamente, Decken und Verbandmaterial. Obwohl man sofort mit Suchhunden ausrückte, blieb Brummer verschwunden und als man die Chefin zu später Stunde davon in Kenntnis setzte, beschloss sie, Semir erst am nächsten Morgen zu informieren-er konnte jetzt auch nichts machen! Stumpf bekam nun wieder Personenschutz, aber während er operiert und später im Marienkrankenhaus auf die Intensivstation übernommen wurde, geschah nichts weiter und so musste man davon ausgehen, dass Brummer untergetaucht war.

    Boah-ich konnte mir das so gut vorstellen, wie Semir wie eine Urgewalt über Zange hereinbricht, der nun doch zum ersten Mal ein wenig Angst zeigt. ich hätte den ehrlich gesagt jetzt einfach mit dem Entführer seiner Tochter alleine gelassen und wenn der das nicht überlebt hätte, hätte ich das als Kollateralschaden verbucht-aber natürlich geht das nicht, wenn man Recht und Gesetz achtet. Auch der Zusammenbruch Semir´s war klasse beschrieben und ja ich mag das auch, wenn die Helden sich untereinander trösten und auch mal schwach sein dürfen!

    Also Robin passt eigentlich wunderbar zu unseren Helden-er macht immer wieder Sachen, die er nicht tun sollte, informiert niemanden und verbeisst sich in einen Fall. Es wäre aber vermutlich besser gewesen, er hätte Semir und Ben von seiner Beschattungsaktion Bescheid gesagt!
    Der arme Finn wurde derweil ebenfalls ermordet-hier sieht man wieder wie skrupellos diese Männer sind-er hatte Fieber und deshalb wurde er entsorgt-sogar noch in einer Mülltonne, wie grausam!
    Semir wird derweil abgepasst, aber dank der rechtzeitigen Hilfe durch die uniformierten Kollegen der Stadtwache, ziehen die Übeltäter unverrichteter Dinge wieder ab und Semir ruft gleich Ben an, um ihm davon zu berichten!

    Puh das waren wieder wahnsinnig spannende Kapitel! Ja da laufen wirklich viel Rädchen ineinander, ganz viele Leute haben super Ideen, sind spontan und handeln doch überlegt. Ich fand das klasse, wie du den Plan zur Befreiung entwickelt hast, Yon und auch an die kleinste Kleinigkeit wurde gedacht-ich hoffe und bange jetzt, dass es gelingt Andrea , die Kinder und Semir unverletzt zu befreien-wenn das klappt ist das ein Meisterstück!

    Ben war derweil die Panik ins Gesicht geschrieben. Er rang mühsam nach Atem und konnte an nichts anderes denken, als dass er nicht genügend Luft bekam. Der Anästhesist hatte sich derweil gemütlich umgezogen und war in der Personalschleuse noch zur Toilette gegangen, denn so eine Wiederherstellungsoperation konnte viele Stunden dauern und gerade nachts war es manchmal schwierig, dann eine Ablösung zu bekommen, die einen im Saal vertrat, damit man was essen oder trinken und seinen menschlichen Bedürfnissen nachkommen konnte. Die Anästhesieschwester hatte derweil eine Sauerstoffmaske auf Ben´s Gesicht gedrückt und den Sauerstoff auf 15 Liter pro Minute aufgedreht, aber auch das brachte die Sättigung nicht merklich zum Steigen. Ben pumpte, setzte trotz Schmerzen die ganze Atemhilfsmuskulatur ein und in ihrer Verzweiflung fuhr die Schwester auch das Kopfteil des OP-Tischs in fast sitzende Lage, damit ihr Patient vielleicht wenigstens dann mehr Luft bekam. Verdammt, wo blieb denn ihr Oberarzt-las der jetzt noch Zeitung, oder was war los? Alle Beruhigungsversuche ihrerseits fruchteten nichts und gerade wollte sie laut um Hilfe schreien-gut dann mussten sich halt notfalls die Chirurgen unsteril machen, aber sie brauchte hier jetzt einen Arzt und zwar sofort, da bog plötzlich der Oberarzt in die Einleitung und erfasste mit einem Blick die Situation.

    „Ach du heilige Sch….!“ zischte er zwischen den Zähnen hervor. Als er einen Blick auf die Sättigung geworfen hatte, die Herzfrequenz sah, die bei fast 150 lag und bemerkte, dass sein Patient fast am Ersticken war, war ihm sofort klar, wo das Problem lag. Sein Patient hatte ja einen nachgewiesenen Hämatothorax, also Blut-und vielleicht dazu jetzt auch noch eine Luftansammlung im Pleuraspalt. Nachdem sich die Flüssigkeitsmenge dort ja langsam angesammelt hatte, konnten gerade junge Menschen das relativ lange kompensieren. Allerdings war das ein schmaler Grat und er hatte schon im Schockraum überlegt, ob es nicht vernünftiger wäre, die Thoraxdrainage und auch den ZVK sofort zu legen. Allerdings hatte man dann aus Patientenservice darauf verzichtet, weil Ben ja augenscheinlich leidlich stabil war und die Werte zwar nicht gut, aber doch mit dem Leben vereinbar waren. Nun war die Situation allerdings gekippt-vielleicht hatte sich auch beim Umlagern nochmals eine der gebrochenen Rippen verschoben, oder die letzte Infusion, die man zügig in ihn hatte hineinlaufen lassen, war momentan zu viel gewesen-wie dem auch sei-er war jetzt dekompensiert und im Begriff zu ersticken, wenn man jetzt nicht sofort etwas unternahm. Auf Ben´s Gesicht stand der Schweiß, sein malträtierter, überall blauer Brustkorb hob und senkte sich mühsam in dem angestrengten Versuch genügend Luft hinein zu bekommen. Eigentlich war es hochgradig riskant, ihn jetzt sofort zu intubieren, denn dann würde sein Blutdruck, der gerade vor Erstickungsangst in die Höhe geschossen war, rapide absinken und eigentlich versuchte man vor einer Intubation möglichst die Patienten zu präoxygenieren, was bedeutete, dass man ihren Organismus mit Sauerstoff so aufsättigte, dass man Zeit und Muße hatte, in Ruhe zu intubieren, aber das war hier nicht möglich. Man konnte ihn nicht einmal flach stellen, denn das würde er nicht tolerieren und vermutlich vor Angst wild um sich schlagen.

    So öffnete der Anästhesist die Schiebetür zum eigentlichen OP, wo die Vorbereitungen für die Versorgung des Fußes liefen und gerade das Operationsmikroskop abgedeckt wurde und rief ernst hinein: „Leute, wir haben ein echtes Problem! Bevor ihr irgendetwas anderes anfangt, braucht unser Patient sofort seine Thoraxdrainage. Ich werde ihn halbsitzend intubieren und ihm auch vor Beginn der OP noch einen ZVK legen, aber jetzt muss uns jemand helfen!“ rief er und sofort kam der Unfallchirurg, der sich bereits steril gewaschen und umgezogen hatte, herüber. Auch er erfasste mit einem Blick die Situation und sagte bedrückt: „Das war auch eine Fehlentscheidung meinerseits-wir hätten ihm die Drainage schon lange legen sollen, aber jetzt werde ich das sofort erledigen, sobald er in Narkose ist!“ sagte er und die sterile OP-Schwester ließ sich im Saal schon vom Springer, das Besteck für die Drainage öffnen.

    Der Anästhesist hatte sich derweil ein Treppchen herbei geschoben, damit er an Ben´s Kopf auch im Sitzen heran kam und nachdem Gott sei Dank wenigstens die Zugänge gut liefen, forderte er die Anästhesieschwester auf, ihm jetzt bitte das Fentanyl und danach das Propofol, das bereits aufgezogen bereit lag, zu spritzen, denn wenn man jetzt noch länger wartete, würde er vermutlich zu flimmern anfangen, denn das Herz pumpte inzwischen rasend schnell und dadurch nicht mehr kräftig, was die Atemnot verstärkte. In kurzem Abstand injizierte die Schwester die beiden Medikamente in den Zugang, danach bekam Ben noch ein Muskelrelaxans und kaum begannen seine Augen zu zu fallen, fuhr man den Tisch ein klein wenig flacher. Der Narkosearzt hatte, während er Einmalhandschuhe anzog und sich den passenden Tubus herrichtete, die ganze Zeit noch vergeblich versucht, Ben verbal zu beruhigen, aber der hatte nicht zuhören können, denn er war der Überzeugung, sein letztes Stündlein hätte soeben geschlagen und er würde statt unter der Brücke hier und jetzt in der Uniklinik sterben! Der Springer war ebenfalls dazu geeilt und machte jetzt Ben´s eine Hand, die langsam so schlaff wie die andere wurde, fest und schloss einen Gurt um seine Oberschenkel. Es bestand nämlich durchaus die Gefahr, dass ein Patient in diesem Zustand zwischen Wachen und Schlafen vom Tisch knallte und dann würden sie hier gemeinschaftlich wegen grober Fahrlässigkeit vor dem Kadi stehen. Aber irgendwann war es so weit, der routinierte Anästhesist öffnete Ben´s Kiefer, die von der Wirkung des Muskelrelaxans gerade zu erschlaffen begannen und schob unter Sicht über den Laryngoskopspatel den Tubus zügig zwischen der Stimmritze hindurch in die Luftröhre, wo der Ballon sofort geblockt wurde und man einen Beatmungsbeutel anschloss.
    Hastig hörte der Narkosearzt den Thorax ab, ob der Tubus richtig lag, aber auf der einen Seite konnte er überhaupt kein Atemgeräusch feststellen. Er zog den Tubus noch ein wenig zurück, aber auch jetzt war nichts zu hören. „Ich glaube, der ist nur noch einseitig belüftet“ fluchte er verhalten und während man den schlafenden Ben jetzt doch ganz flach stellte, begann dessen Blutdruck einzubrechen. Man hatte ihn sofort ans Transportbeatmungsgerät gehängt und dort einen hohen PEEP und hohe Beatmungsdrücke eingestellt, um das Herz zu entlasten, aber deshalb und weil jetzt auch der körpereigene Adrenalinschub nachließ, der in seiner Todesnot ausgeschüttet worden war, verabschiedete sich jetzt sein Kreislauf und man spritzte ihm nun ein kurz wirkendes kreislaufstützendes Medikament, nämlich Akrinor und stellte die Infusion schneller.

    Alle packten mit an und Sekunden später war der Operationstisch im Saal auf dem elektrischen Stützfuß arretiert , man löste die Armfixierung wieder und zog Ben´s Arm jetzt einfach kopfwärts und legte ein dickes Polster unter seinen linken Brustkorb, wo man kein Atemgeräusch mehr feststellen konnte. In Windeseile strich der Unfallchirurg persönlich den Thorax ab, schmiss ein grünes steriles Tuch darüber und hatte auch schon das Skalpell in der Hand. Während der Narkosearzt und die Anästhesieschwester Ben, der trotz Intubation jetzt tiefblau angelaufen war und dessen Sättigung kaum mehr messbar war, an das Narkosegerät hängten, Medikamente vorbereiteten und Infusionen bereit hielten, eröffnete der Chirurg mit einem beherzten Schnitt seitlich zwischen zwei Rippen-erst mit dem Messer und dann mit einer groben Schere unter Führung mit dem Zeigefinger den Thorax, im Sinne einer Minithorakotomie und dann kam er nicht schnell genug zur Seite, denn kaum war eine Verbindung zwischen Pleuraspalt und Außenwelt hergestellt, schoss das dunkelrote Blut, das sich da sicher seit Stunden, wenn nicht Tagen angesammelt hatte, wie eine Fontäne heraus. Völlig besudelt, aber unbeeindruckt machte der Operateur weiter, ließ sich eine dicke Thoraxdrainage anreichen und nähte die fest. Der Springer schloss das inzwischen vorbereitete Pleur-Evac-Gefäß mit einem Sog von 20 cm Wassersäule an und auch da lief sofort noch knapp ein Liter Blut, durchsetzt von Luftblasen nach. Der Narkosearzt hatte derweil von vorne unter dem Tuch auf den Brustkorb gehört und bemerkte nun zufrieden: „Jetzt habe ich wieder ein Atemgeräusch!“ und langsam begann Ben sich zu erholen. Man legte noch einen Verband an und bevor er sich erneut steril wusch, ging der Unfallchirurg erst mal duschen, denn er hatte keine Lust jetzt die nächsten sechs bis acht Stunden in einer Mischung aus Schweiß und Patientenblut vor sich hin zu köcheln.

    Ben brauchte wegen der massiven Flüssigkeitsverschiebungen jetzt zwar Noradrenalin, aber als das einigermaßen gleichmäßig lief, legte der Narkosearzt an seinem Hals gleich einen Mehrlumen-ZVK und bis die ganzen Vorbereitungen abgeschlossen waren, kam der Unfallchirurg schon wieder umgezogen und mit noch feuchten Haaren unter der grünen Mütze aus der Umkleide. „Gut dass ich den Mundschutz aufhatte-sonst wären wir jetzt Blutsbrüder!“ bemerkte er trocken und langsam begann sich die Anspannung im Saal zu lösen-man hatte den Patienten halbwegs stabil, die Beatmungsdrücke waren im Normbereich, die Sauerstoffsättigung war einigermaßen gut und mit der Unterstützung des Noradrenalins hatte Ben auch wieder einen Kreislauf. „Das war verdammt knapp!“ bemerkte der Wiederherstellungschirurg, der jetzt begonnen hatte, nachdem der Springer die Vakuumschiene abgenommen hatte, den Fuß zu desinfizieren, damit man den bald versorgen konnte und alle Anwesenden nickten.

    Zuerst muss Semir seine Frau trösten und erzählt ihr jetzt erst von den anderen Kindern im Koma. Beide fragen sich wieder und wieder, ob es die richtige Entscheidung war, aber schön, dass Andrea ihrem Mann vertraut, der allerdings gar nicht so sicher ist, ob er das Richtige getan hat.
    Cablonsky kommt derweil zum alten Krankenhaus zurück und berichtet Reuter, dass Zange nicht gekommen ist-jetzt muss wieder ein Plan umgeworfen werden, aber mit Cablonsky ist nicht zu spaßen-der bedroht jetzt sogar schon seinen Komplizen-und ganz in der Nähe ist Ayda und die anderen Kinder!
    Das Verhör tritt derweil auf der Stelle, aber jetzt greift Semir ein und ich denke, es wäre mal an der Zeit, dass Zange mal ordentlich in die Zange genommen wird-ich habe gerade ein wenig Angst um den Entführer-hoffentlich kann der überhaupt noch sprechen, wenn Semir mit ihm fertig ist X( !

    Brummer sah gebannt auf den Weg der von der Terrassentür, durch die Stumpf vorher ins Haus verschwunden war, in die Tiefe des riesigen parkähnlichen Gartens führte. Irgendwann musste sein Opfer doch endlich wieder herauskommen, aber eine ganze Weile geschah nichts, bis er plötzlich ein Rascheln hörte. Gelangweilt sah er sich um-war da vielleicht ein Vogel im Gebüsch? Aber dann erschrak er beinahe zu Tode, schräg hinter ihm stand nämlich Adalbert Stumpf und hatte ein Gewehr auf ihn angelegt. Mit einem Fluch sprang Brummer von der Mauer und verschwand im nächsten Busch-eigentlich erwartete er jederzeit, dass der Alte, der mit seiner weißen Mähne und dem zornigen Gesichtsausdruck hinter ihm gestanden hatte, abdrückte und damit sein letztes Stündlein geschlagen hatte, aber nichts geschah.
    Adalbert war ein wenig verwirrt-er hatte den Mann mit der Armbrust eigentlich auffordern wollen die Waffe wegzulegen und auch wissen wollen, wer er war und wie er hereingekommen war, aber kein Ton kam über seine Lippen. Außerdem kam ihm der Mann, der ungefähr in seinem Alter war irgendwie bekannt vor-war das vielleicht sogar ein Freund oder Bekannter? Ach er konnte sich in letzter Zeit an so viele Dinge nicht mehr erinnern, Menschen nicht unterscheiden und mit dem Sprechen war es auch so eine Sache-er formulierte die Worte in seinem Kopf, aber wenn er sie dann von sich geben wollte, kam kein Ton über seine Lippen. Ein wenig verwirrt stand er da und blickte auf die Waffe in seiner Hand. Was hatte er damit gewollt? Einen Augenblick lang begann er zu zweifeln, ob da überhaupt jemand gewesen war-so oft spielte ihm sein Gehirn üble Streiche, aber dann teilte sich plötzlich das Gebüsch und vor ihm stand der Mann, den er vorhin überrascht hatte, allerdings nun mit abschussbereiter Armbrust.

    „Herr Stumpf-ich werde sie jetzt töten und sie sollen wissen, warum sie sterben müssen. Vor fünfzehn Jahren wurde mein Sohn durch ihre Fahrlässigkeit und mangelnde Baustellensicherung schwerst verletzt und war seitdem querschnittsgelähmt. Vor wenigen Wochen ist er jetzt elendig an den Folgen eines infizierten Dekubitus am Gesäß, der zu einer Blutvergiftung geführt hat, gestorben. Er würde noch leben, wenn sie damals ihren öffentlichen Auftrag ernst genommen hätten und die Brücke ordnungsgemäß gesichert worden wäre. Ich habe meinen Sohn jetzt gerächt, indem ich alle die für dieses Fiasko verantwortlich waren, hingerichtet habe-bis auf sie und genau das werde ich jetzt nachholen und so mein Werk vollenden!“ sagte er und löste in diesem Augenblick die Arretierung, die den Carbonpfeil in der gespannten Armbrust an Ort und Stelle gehalten hatte. Während der mit leisem Sirren Richtung Stumpf flog, hatte der im selben Moment auf den Auslöser seiner entsicherten Waffe gedrückt und nun fielen fast im selben Augenblick die beiden alten Männer zu Boden.

    Stumpf´s Frau hatte einen Schuss aus dem Garten gehört und eine eiskalte Hand griff nach ihrem Herzen. Um Himmels Willen-was war hier geschehen? „Adalbert!“ rief sie laut und in diesem Moment läuteten schon die beiden Polizisten, die den Eingang des Anwesens im Auge behalten hatten Sturm-auch sie hatten den Schuss wahrgenommen. Mit gezückten Waffen rasten sie in den Garten, sich gegenseitig Deckung gebend und hatten wenig später die beiden Opfer gefunden. Beide lagen am Boden, es war eine Menge Blut im Spiel, aber als die Polizisten nach dem Puls tasteten, waren beide noch am Leben. „Schnell zwei RTW´s und einen Notarzt!“ rief der eine der beiden in sein Funkgerät und gleich danach ging die Meldung weiter an alle Dienststellen und unter anderem auch die Autobahnpolizei, deren Sekretärin sofort die Chefin verständigte. Und so trafen Semir und Frau Krüger gerade ein, als man die beiden Verletzten erstversorgt und in die Rettungswagen eingeladen hatte. Beide waren schwer verletzt, aber es bestand laut Aussage des Notarztes trotzdem eine Möglichkeit, dass sie überlebten. Man hatte den fremden Mann mit der Armbrust durchsucht, aber keine Papiere bei ihm gefunden. Als Semir allerdings die Sekretärin der Autobahnpolizei bat, ihm das Passfoto Brummer´s aufs Handy zu schicken, konnte der bewusstlose Mann zweifelsfrei identifiziert werden.

    Stumpf´s Frau war mit den Kindern weinend im Haus geblieben, die Polizisten hatten den Garten nochmals gründlich durchkämmt, aber keine weiteren Täter dort gefunden. „Ach du liebe Güte-ich bin völlig fassungslos!“ schluchzte Frau Stumpf und auch die Pflegerin war aus ihrem Appartement geeilt und übernahm dann die Kinder, so dass Frau Stumpf sich noch kurz von ihrem Mann verabschieden konnte, bevor der abtransportiert wurde. Danach hatte sie sich ein wenig gefasst und inzwischen war auch die Spurensicherung eingetroffen und nahm den Tatort in Beschlag, den zuvor schon Semir und die Chefin begutachtet hatten.
    „So wie es aussieht hat sich Brummer auf das Gelände geschlichen, um ein Attentat auf ihren Mann zu verüben!“ sagte Semir und nun weiteten sich die Augen von Frau Stumpf. „Wenn sie Brummer sagen, weiss ich sofort wer gemeint ist. Vor fünfzehn Jahren hat sich auf einer unserer Baustellen ein tragischer Unfall ereignet, bei der ein junger Mann schwer verletzt wurde, allerdings hatte da eigentlich niemand daran Schuld-außer dem Opfer selber, dem seine Hilfsbereitschaft zum Verhängnis wurde. Wie ich gehört habe, ist der vor einiger Zeit gestorben, aber unsere Firma konnte da wirklich nichts dazu!“ beteuerte sie. „So wie es aussieht, hat der Vater des damaligen Opfers jetzt seinen privaten Rachefeldzug durchgeführt, wobei auch völlig unbeteiligte Personen schwerst verletzt wurden!“ erklärte Semir kurz. „Wir hätten jetzt allerdings schon gerne gewusst, woher ihr Mann die Waffe hatte, mit der er Brummer verletzt hat!“ fragte er und wortlos ging Frau Stumpf zum Waffenschrank an dem der Zweitschlüssel steckte. „Das sind die ehemaligen Jagdwaffen meines Mannes, der früher passionierter Jäger war. Der Schlüssel dazu ist bei unserem Sohn, damit Adalbert da auf gar keinen Fall rankommt, aber woher dieser Schlüssel ist-ich habe keine Ahnung!“ bemerkte die ältere Frau kopfschüttelnd. „Mir ist völlig klar, dass ein dementer Mensch nicht an Waffen kommen darf, aber ich hatte keine Ahnung vom Vorhandensein eines Zweitschlüssels. Was mich zudem erstaunt, ist, dass er ihn überhaupt gefunden hat, denn normalerweise verlegt er eigentlich alles, was nicht niet- und nagelfest ist!“ wunderte sie sich und die Chefin nickte ernst. „Am besten bringen sie die Waffen an einen sicheren Ort unter, damit er, falls er das überlebt, auf gar keinen Fall mehr einen Zugriff hat. Allerdings hat er sich ja nur verteidigt und ist vermutlich auch nur deshalb auch noch am Leben, das war also Notwehr und außerdem kann er in seinem Zustand sowieso nicht gerichtlich belangt werden, also darf er normalerweise –falls er das überleben sollte-wieder zurück in ihre gute häusliche Pflege!“ erklärte Frau Krüger die Rechtslage und nachdem man vor Ort nichts mehr tun konnte, fuhren Semir und sie noch zur Adresse Brummer´s, um dessen Frau zu verständigen.

    Die wartete schon ganz unruhig und fiel aus allen Wolken, als man ihr erzählte, was ihr Mann getan hatte. „Ich muss sofort den Pfarrer anrufen, damit er mir beisteht!“ weinte sie und ließ sich auch gleich das Krankenhaus durchgeben, in das ihr Mann gebracht worden war. „Er steht allerdings unter Bewachung und wird, falls er das überlebt, sobald sein Gesundheitszustand das zulässt, in ein Gefängniskrankenhaus verlegt!“ informierte die Chefin sie und Frau Brummer weinte. „Seit dem Tod unseres Sohnes war er schon so komisch und hat so merkwürdige Sachen gesagt, ich habe die aber nicht ernst genommen! Heute wollte er mit mir zum Abendessen in ein Gartenlokal gehen-ich habe die ganze Zeit schon gewartet, dass er bald aufkreuzt-und jetzt so etwas!“ lamentierte sie. Semir hatte sich derweil mit der Erlaubnis der Frau in der Wohnung ein wenig umgesehen und neben einem Wegwerfhandy auch in einer Wohnzimmerschublade noch Aufzeichnungen gefunden, die auf die anderen Taten hindeuteten. „Ich denke das sind genügend Beweise!“ sagte er und die Chefin nickte. So fuhren sie, als endlich der Seelsorger bei der verstörten Frau eingetroffen war, getrennt voneinander nach Hause und Andrea atmete auf, als ihr Mann unversehrt vor ihr stand. „Du sollst dich doch noch schonen, hat der Arzt gesagt!“ murmelte sie vorwurfsvoll, aber weiter schimpfte sie nicht und so lag Semir, dem nun doch beinahe jede Gräte weh tat, nach einer heißen Dusche und nachdem er die Mädels zu Bett gebracht hatte, auf dem Wohnzimmersofa und erzählte seiner Frau von den neuesten Entwicklungen. „Dann habt ihr den Täter ja gefasst, jetzt hoffen wir nur, dass Ben das folgenlos übersteht!“ meinte Andrea und Semir nickte bestätigend mit dem Kopf. „Sarah wird mich in der Nacht auf dem Handy anrufen wie die OP verlaufen ist!“ erklärte er Andrea und die nickte. „Ich warte auch schon gespannt auf die Nachricht-hoffentlich kann er den Fuß behalten!“ sagte sie und so sahen die beiden noch ein wenig fern, bevor sie gegen Zehn zu Bett gingen und auch sofort einschliefen.

    Semir, Andrea und die Chefin hatten im Wartebereich gesessen und auf irgendeine Nachricht gewartet. Nachdem sie Ben in den OP verabschiedet hatte, war das Sarah plötzlich eingefallen. Fast ein wenig schuldbewusst ging sie zu den anderen und teilte ihnen die erhobenen Befunde mit und dass Ben jetzt operiert würde und man hoffte, den Fuß erhalten zu können. Semir nahm sie in den Arm und nachdem Sarah das Krankenhaus nicht verlassen wollte und Tim und Lucky ja bei Hildegard in den besten Händen waren, bestand Semir darauf, dass sie sich eine Pizza bestellten und so schmausten eine halbe Stunde später alle Vier und obwohl Sarah zuvor hätte schwören mögen, dass sie überhaupt keinen Hunger hatte, verspeiste sie ihre Portion trotzdem mit Appetit und den Salat gleich hinterdrein-das neue Baby forderte sein Recht.
    Die Chefin hatte nur einen Salat gegessen und als Sarah nach einem Blick auf die Uhr feststellte, dass es inzwischen 17.00 Uhr geworden war und sie sich nun zu ihren Kollegen auf die Intensiv begeben und dort warten würde, stimmten ihr alle zu und verabschiedeten sich. Semir und Andrea mussten nach Hause und die Kinder bei ihren Freundinnen abholen, wo Andrea sie geparkt hatte und Kim Krüger wollte nun auch noch ein wenig ihren Feierabend genießen, als plötzlich im Hinausgehen ihr Handy läutete. Als sie es langsam sinken ließ, sah Semir, der neben ihr lief, sie prüfend an. Das war etwas Dienstliches, so viel hatte er ihren Worten entnommen, die ein wenig entsetzt geklungen und den Anrufer angewiesen hatten, vor Ort auf sie zu warten-sie würde gleich kommen.

    "Chefin-was ist los?“ wollte er wissen und nachdem Semir sie nach der langjährigen Zusammenarbeit inzwischen lesen konnte wie ein Buch, versuchte sie erst gar nicht ihn anzulügen. „Auf Stumpf senior wurde ein Mordanschlag verübt!“ sagte sie tonlos und Semir schluckte. Verdammt-sowas sollte nicht passieren, wenn Personenschutz zugeordnet war. Nun fiel ihm aber siedend heiß ein, dass er ja den Zettel mit der Adresse und dem Namen eines Verdächtigen im Auto liegen hatte-hatte er da vielleicht etwas verbummelt und dafür hatte ein Unschuldiger sterben müssen? „Chefin-ich muss da mit hin und zuvor ist es sehr wichtig, dass wir noch in der PASt vorbeifahren, ich habe von der Chefsekretärin, die mit ihrem Tipp letztendlich Ben´s und Mittler´s Leben gerettet hat, einen Namen bekommen und versäumt den weiter zu geben-ich hoffe jetzt, dass das nicht der Attentäter war, denn sonst bin ich vielleicht mit verantwortlich für den Tod eines unschuldigen Opfers!“ sagte er unglücklich und nachdem Andrea´s Proteste ungehört verhallten, waren Semir und die Chefin wenig später unterwegs in die PASt und von dort mit zwei Fahrzeugen-Semir konnte seinen geliebten BMW doch nicht einfach da im Hof stehen lassen- weiter zum Stumpf´schen Anwesen, während die diensthabende Stationssekretärin derweil diesen Brummer durchleuchtete, dessen Namen auf dem Zettel stand.

    Ben war unendlich müde und nachdem er im MRT etwas gespritzt bekommen hatte, war ihm irgendwie alles egal. Natürlich hatte das weh getan, als der Urologe den Ultraschall gemacht und seine Flanken betastet hatte, wie auch der Fuß ganz schrecklich brannte, aber seit der Spritze hatte eine wohltuende Gleichgültigkeit von ihm Besitz ergriffen, er war sozusagen stiller Beobachter seines eigenen Schicksals, aber es machte ihm nichts aus und das Grübeln und Nachdenken war sowieso viel zu anstrengend. Sarah war da und er bemerkte wie sein Bett irgendwohin geschoben wurde. Zuvor hatte man noch sein Gesicht abgewaschen und auch seine Hände grob sauber gemacht, wobei ihn das durchaus erschreckte, dass er seine rechte Hand überhaupt nicht spürte, weder als sie untersucht wurde, noch als Semir die später genommen hatte, was er ja gesehen, aber eben nicht gespürt hatte. Eine grüne Haube war über sein staubiges verklebtes Haar gestülpt worden und nun fuhr er langsam nach einem letzten Kuss von Sarah über das Schleusenband auf den OP-Tisch, der mit Gelmatten ausgelegt und ganz weich war.
    Der Arzt der die letzte halbe Stunde etwa bei ihm gewesen war und ihm auch etwas gegen die Schmerzen gegeben hatte, war bis zur Patientenschleuse mitgelaufen, dann aber selber in die Personalumkleide gegangen, um sich umzuziehen und während ihn nun eine grün vermummte Schwester in Empfang nahm, von der man nur die Augen mit den Lachfältchen sehen konnte, begann Ben nun doch unruhig zu werden und Angst zu kriegen. Verdammt-das war doch nicht seine erste Narkose, aber er hatte plötzlich fürchterliche Angst aufzuwachen und kein Bein-vielleicht auch keinen Arm mehr zu haben. Sein Herz schlug schneller, er rang nach Luft und sein Brustkorb tat ihm plötzlich auch wieder fürchterlich weh. Die Schwester hatte ihn inzwischen mit grünen Tüchern zugedeckt und in die Einleitung gebracht. Als sie ihn dort verkabelte, erschrak sie ein wenig, so schlecht war die Sauerstoffsättigung: „Ruhig Herr Jäger!“ versuche sie ihm gut zuzureden und sah sehnsüchtig zur Tür, wann denn endlich ihr Oberarzt käme, denn hier musste dringend etwas geschehen!

    Die drei Ärzte betteten den Fuß vorsichtig auf ein steriles Tuch. Jetzt erst wurde das Ausmaß der Verletzung komplett sichtbar und man sah, dass die Knochen des Fußknöchels alle gebrochen waren, die Sehnen größtenteils abgerissen und auch die Nerven und Blutgefäße in Mitleidenschaft gezogen waren. Allerdings stand doch eine Gewebebrücke durch die Blutgefäße liefen und so war trotz der schweren Verletzung der Fuß noch versorgt worden. Die Zehen waren zwar eiskalt, aber als nun der Neurologe sein Gerät wieder ansetzte, um verschiedene Nervenleitungen zu prüfen, spürte Ben wie der Strom hindurch lief und tat das mit lautem Jammern kund. Unendlich vorsichtig stabilisierte man nun den Fuß durch Polster, die man drum herum drapierte und fuhr dann das Bett zum MRT. Man hatte momentan doch auf einen ZVK verzichtet und stattdessen einen zweiten Zugang zur Sicherheit gelegt, da Ben´s Kreislauf recht stabil war-das konnte man dann später im OP in Narkose nachholen.
    Semir war zwar ein paar Schritte mitgegangen, aber als er auf den Flur trat, war eine aufgelöste Andrea inzwischen eingetroffen und fiel ihm regelrecht um den Hals. „Gott sei Dank-du lebst!“ schluchzte sie und während Sarah mit bis zum MRT ging, blieb nun Semir fürs Erste bei seiner Frau und Frau Krüger im Wartebereich, die beide noch schnell Ben, der angespannt da lag und hoffte, dass niemand seinen Fuß mehr berühren würde und der Schmerz bald nachließ, eine gute Besserung gewünscht hatten.

    Als man Ben auf den fahrbaren Tisch des Magnetresonanztomographen umgelagert hatte, wobei die beiden Chirurgen-der Neurologe war wieder abgezogen- wirklich nichts anderes taten, als seinen Fuß zu stabilisieren und den hinterher wieder mit den Polstern in eine korrekte Lage zu bringen, gab man ihm einen Kopfhörer und Sarah, die ebenfalls hinter der Glasscheibe Platz nehmen musste, hielt Ben´s Ehering, den man ihm abgenommen hatte, damit das Metall die Schallwellen nicht störte, wie einen Talisman fest in ihren Händen. Für die Untersuchung hatte man außer einer speziellen EKG-Überwachung, deren Elektroden ohne Metall auskamen und über Funk mit dem Monitor im Nebenraum verbunden waren, jegliche Kabel entfernt-das war der Grund gewesen, warum man auf eine vorherige Intubation verzichtet hatte. Es gab zwar spezielle Beatmungsmöglichkeiten mit sehr langen Schläuchen, aber da bestand eben ein sehr hohes Risiko für den Patienten im MRT. So fuhr der Tisch, auf dem Ben vor Schmerzen im Bein, am Rücken, dem Brustkorb und den Flanken sowieso ganz durcheinander war, nun langsam in die geschlossene Röhre und Sarah sah plötzlich entsetzt hinüber, als er die Augen aufriss und laut zu brüllen begann, was man durch den Lautsprecher gut hören konnte. „Was ist los, Herr Jäger?“ wollte der Unfallchirurg wissen, der die Tür aufstieß und wieder in den Raum stürzte, gefolgt von seinem Kollegen und Sarah, während die Radiologieassistentin, die die Untersuchung durchführen würde, den Tisch per Fernbedienung wieder herausfuhr. Ben hatte zu schluchzen begonnen, er konnte es gar nicht so in Worte fassen, aber als sich die enge Röhre um ihn geschlossen hatte, hatte er dermaßen Platzangst bekommen-er fühlte sich wieder verzweifelt und eingesperrt, wie in dem Gebäude, in dem er jetzt fast drei Tage verschüttet gewesen war. Nachdem Sarah ebenfalls zu ihm getreten war und ihn liebevoll geküsst und gestreichelt hatte, fiel es dem Unfallchirurgen ein, wie der Unfallhergang gewesen war. „Her Jäger war doch verschüttet?“ fragte er und Sarah nickte. „Dann müssen wir ihm etwas zum Sedieren geben!“ beschloss er und ließ sich eine Ampulle mit zwei Milligramm Tavor anreichen, die er ihm sofort in den Zugang spritzte. Innerhalb weniger Sekunden wurde Ben hundemüde, in seinem Kopf drehte sich alles und seine Augen fielen zu. Dieses angstlösende Beruhigungsmittel war ein Segen und so konnte man einen erneuten Versuch starten und diesmal schlief Ben tatsächlich vor sich hin, sogar als die lauten Schallwellen mit rhythmischem Dröhnen zu ertönen begannen. Fast zwanzig Minuten dauerte die Untersuchung, aber obwohl man ihm ferngesteuert auch noch ein Kontrastmittel verabreichte, was zu einem intensiven Wärmegefühl führte, gab Ben keinen Ton mehr von sich-zu fertig und erschöpft war er von den vergangenen Tagen und überließ sich gerne den wohltuenden Fesseln des Psychopharmakums.

    Der Urologe hatte kurz den Kopf zur Tür hereingestreckt und versprach später nochmals vorbei zu kommen, wenn die Untersuchung fertig war. Irgendwann lag Ben wieder in seinem Bett und nun besprachen der Unfall-und der Wiederherstellungschirurg konzentriert die angefertigten Bilder und planten die nun folgende Operation. Man hatte nun einen Anästhesisten angefordert, der Ben ab sofort begleiten und auch die Narkose machen würde. Sarah kannte ihn gut und hatte auch großes Vertrauen zu dem Oberarzt, der sie begrüßte, indem er sie kurz in den Arm nahm und drückte. „Na was hast du denn schon wieder für Aufregung-bei euch hörts ja irgendwie nie auf?“ fragte er und Sarah, die inzwischen selber fix und fertig war, hätte beinahe zu weinen begonnen-dieses Mitgefühl das von Herzen kam, tat einfach gut. Man hatte Ben´s Bein wieder in eine Vakuumschiene gepackt, um es für den Transport in den OP zu stabilisieren und der Arzt, der Ben von seinen vorherigen Aufenthalten durchaus kannte, hatte sich ihm kurz vorgestellt, was Ben in seinem momentanen Zustand, in dem seine Gedanken sehr träge liefen, aber wenig interessierte.

    Der Urologe hatte sich inzwischen die CT-Bilder, die leider ohne Kontrastmittel angefertigt worden waren und das Retroperitoneum, wo die Nieren lagen, nur undeutlich zeigten, angesehen und auch den blutroten Urin in dem Beutel begutachtet. Er betastete Ben´s Flanken, was dem nun allerdings schon weh tat und worauf der Anästhesist sofort reagierte, indem er ihm ein wenig Piritramid, also ein Opiat i.v. verabreichte. Der Urologe hatte noch das Ultraschallgerät näher geholt und routiniert schallte er Ben´s beide Nieren und die ableitenden Harnwege. „So wie es aussieht, haben wir eine beidseitige Nierenquetschung mit Kapselhämatom. Auf der rechten Seite sehe ich einen Parenchymeinriss, aber ich glaube nicht, dass das Nierenbecken oder die Harnleiter eröffnet sind-das werden wir aber die nächsten Tage mit weiterführenden Untersuchungen, unter anderem einer retrograden Kontrastmittelfüllung klären. Momentan empfehle ich Flüssigkeit, Schmerztherapie und Bettruhe-eine sofortige chirurgische Intervention ist nicht nötig, die Klassifizierung nach der Traumskala ist rechts Grad zwei und links Grad eins-da die Verletzung aber beidseitig ist, muss ich die Graduierung höher stufen, also zwei und drei. Die linke Niere wird sich fast mit Sicherheit wieder von alleine erholen und rechts müssen wir sehen, auch ob sich nicht ein Urinom bildet!“ teilte er seinen Kollegen mit, denn auch die beiden Chirurgen waren inzwischen wieder zu der kleinen Gruppe gestoßen.
    „Gut-dann gehen wir jetzt in den OP-Frau Jäger-diese Operation wird mit Sicherheit mehrere Stunden dauern und wir werden ihn im Anschluss natürlich auf die Intensivstation übernehmen-wollen sie nicht ein paar Stunden nach Hause gehen?“ fragte der Unfallchirurg, aber Sarah schüttelte den Kopf. „Ich gehe zu meinen Kollegen auf die Intensiv und warte dort!“ sagte sie fest und begleitete Ben auch noch bis zum OP. Erst als er auf dem Schleusentisch lag und langsam mit dem Fließband hinübergefahren wurde, verabschiedete sie sich, küsste ihn noch zärtlich und flüsterte: „Ich bin da, wenn du wieder wach wirst!“ und Ben nickte unendlich müde.

    Robin wird jetzt angegriffen, aber dank Ben´s sofortigem Eingreifen passiert ihm nichts. Gerade hat er Robin von seinem Freund erzählt, da klingelt schon sein Telefon und der zumindest seiner Meinung nach wieder genesene Semir verlangt dringend abgeholt zu werden, was auch sofort gemacht wird. Also Semir ein wenig höflicher hättest du auch sein können und dir erst mal erklären lassen, warum Faber im Wagen sitzt und den begrüßen, anstatt sich erst mal auf den Stand bringen zu lassen.
    Oh je-der Böse will nun wohl ein Druckmittel einsetzen, um die Polizei gefügig zu machen und die Zeugin mundtot!
    Tanita erklärt derweil Jenny wie sich das so verhält mit der Gesichtsblindheit-das ist aber auch schwer vorstellbar, wenn man das selber nicht hat!

    Kevin und Ben kommen mit Zange zur Past und beginnen dort mit der Vernehmung. Der Kerl ist die Unverfrorenheit in Person, aber obwohl die engsten Kollegen und sogar die Chefin die Aktion decken, dürfen sie ihn natürlich nicht misshandeln-also bitte sperrt Semir vorsichtshalber weg, wenn euch das Leben und die Unversehrtheit Zange´s wichtig ist! Der wurde anscheinend von seinem Boss dermaßen instruiert, dass er denkt, ihm könne nichts passieren-wenn er sich da mal nicht täuscht!

    Obwohl die verletzten Ganoven plötzlich singen wie die Vögelchen, bleibt der momentane Aufenthaltsort der Geflohenen erst mal unbekannt-bis, ja bis, die ihren Plan in die Tat umsetzten und Semir mit seiner Familie erpressen wollen, ihnen das beschlagnahmte Geld zurückzuholen, was sicher auch gelingen wird-denn Semir weiss inzwischen, wie skrupellos diese Verbrecher sind und dass für die ein Menschenleben nicht viel wert ist!
    Jetzt ist guter Rat teuer-und was macht Alex gerade? Auf den setze ich gerade meine Hoffnungen, oder vielleicht Ben-wollte der nicht zufällig bei den Gerkhans vorbeischauen und mit denen ins Schokoladenmuseum humpeln?

    Semir war in der Zwischenzeit aus dem Wartebereich geholt und ins nächste Behandlungszimmer gebracht worden. Er hatte die ganze Zeit sorgenvoll die Tür betrachtet hinter der Ben verschwunden war und machte sich die größten Gedanken um seinen Freund. Gut-immerhin war er gerettet, aber hatte er ihm vielleicht mit seinem Amputationsversuch schlimmere Schäden zugefügt? Er begann mit seinem Schicksal zu hadern, vergrub sein Gesicht in beide Hände und hatte das Gefühl, die Zeit schritte nicht voran, als er plötzlich eine Berührung merkte. „Herr Gerkhan, sie haben alles Menschenmögliche getan, um ihren Freund und Kollegen zu retten, jetzt sind die Ärzte dran und sie wissen doch-Ben ist stark, er wird das schaffen!“ ermunterte ihn die Chefin, während sie sich wie selbstverständlich neben ihn setzte. „Ihre Frau habe ich auch verständigt, die kommt, sobald sie einen Babysitter gefunden hat und sogar ihren Wagen haben wir schon von der Unfallstelle mitgebracht und im Hof der PASt abgestellt!“ informierte ihn Frau Krüger und Semir nickte dankend. Wie egal ihm gerade sein Auto war-wenn man da ein Stück demolierte, konnte man das problemlos austauschen, ach wenn das beim Menschen nur auch so einfach ginge! Da wurde er auch schon aufgefordert mitzukommen und wie in Trance folgte er der Schwester ins Behandlungszimmer.

    Ein junger Assistenzarzt bat ihn, sich bis auf die Unterhose auszuziehen und untersuchte ihn gründlich. Sein Blutdruck wurde kontrolliert und dann noch ein Ultraschall gemacht, aber bis auf mannigfaltige Blutergüsse am Rücken konnte man keine weiteren Verletzungen feststellen. „Sie können sich wieder anziehen, wir machen auch gleich noch den Zugang raus-ich würde ihnen raten, sich zwei Tage zu schonen-und ach ja-da hinten wäre ein Waschraum!“ plapperte der Arzt, denn sein Patient sah aus, als wäre er gerade einem Bergwerk entstiegen-vor allem das Gesicht war Dreck-und Staub-verschmiert.

    In diesem Augenblick hörte man Ben im Nebenzimmer laut und schmerzvoll aufschreien-die Behandlungsräume waren nämlich durch Schiebetüren miteinander verbunden und nun hielt Semir nichts mehr. Hastig schlüpfte er noch in sein T-Shirt und öffnete dann einfach die Tür zum Nebenraum, obwohl der junge Arzt heftig protestierte. Dort musste Semir sich erst einmal orientieren, aber als er sah, dass sich drei Ärzte über den beinahe abgerissenen Fuß beugten und dort herum manipulierten, Sarah Ben´s Hand hielt und ihn mitleidig ansah, während er immer weiter schrie, war er mit wenigen Schritten bei seinem Freund und strich ihm liebevoll über die Wangen, über die gerade die Tränen kullerten. „Ben ich bin da!“ flüsterte er und griff nach dessen rechter Hand, die ganz einfach neben ihm auf einem Tischchen lag und an der außer der anscheinend inzwischen versorgten und verbundenen Verletzung am Oberarm, die er ihm zugefügt hatte, nichts Außergewöhnliches zu entdecken war. Ben sah ihn zwar schmerzerfüllt an, aber die Hand, die er gefasst hatte war eiskalt und schlaff und Ben schien seine Berührung nicht zu spüren. In diesem Augenblick hatten die Ärzte es auch geschafft den Schuh und die Socke endlich auszuziehen, bzw. soweit möglich herunter zu schneiden und Sarah wagte es kaum zu denken, weil es eigentlich furchtbar gemein war, aber es war gut, dass die Liebe ihres Lebens dort Schmerzen hatte, immerhin zeigte das-der Fuß war noch dran!

    So im Verlauf der letzten Tage habe ich es geschafft, mich auch bei dieser Geschichte wieder auf den Stand zu lesen.
    Interessante Sache mit der Gesichtsblindheit, ich wusste gar nicht, dass es sowas gibt, bis ich jemanden kennengelernt habe, der sowas wirklich hat-gell Elli, du weisst wen ich meine! :D Aber eigentlich logisch-wenn es sowas wie Farbenblindheit gibt, die ja ebenfalls von den Betroffenen nicht wahrgenommen wird, wenn sie das von Kindheit an haben, dann muss es sowas fast auch geben.
    Tanita wurde also zufällig Zeugin eines brutalen Mordes und wird seit dem Bekanntwerden ihrer Geschichte durch die doofe Reporterin von den Bösen gejagt. Ich hoffe nur, die Schutzwohnung ist wirklich sicher, denn die kann echt nicht zwischen den Personen unterscheiden, ob die gut oder böse sind, wie man bei ihrer Flucht aus ihrer Wohnung gemerkt hat!
    Die Kinderhändler, die skrupellos Kinderpornographie vertreiben und dabei auch vor dem Töten und der brutalen Vergewaltigung der armen Kinder nicht zurückschrecken, werden nun von unseren Helden und auch einem gut aussehenden Düsseldorfer Beamten gejagt, der ganz nebenbei noch Susanne den Kopf verdreht hat. Ich hoffe sehr, dass die Jagd erfolgreich ist und zwar bald, denn ich mag gar nicht an die armen Kinder denken, die da ein schreckliches Schicksal erleiden sollen!

    Nun hat das Gespräch doch noch statt gefunden und Andrea schafft es tatsächlich nicht auszuflippen, Semir keine unhaltbaren Versprechen abzunehmen und sogar noch Interesse am Fall zu zeigen-Respekt!
    Alex findet auch, dass man die Vernehmungen auf den nächsten Tag schieben kann und auch Ben war fähig sich nach medizinischer Versorgung ein Taxi zu nehmen und alleine nach Hause zu fahren-ja ich würde sagen, nach diesem Tag haben sich alle ein erholsames Schläfchen verdient!

    Ben war froh, wieder still liegen zu dürfen, aber er hatte durchaus gehört, was die Ärzte mit ihm vorhatten-allerdings war er so fertig und durstig, obwohl die Infusionen in ihn hinein rauschten, so schnell der Zugang an seinem linken Arm das zuließ, dass ihn das im Augenblick wenig berührte. Sarah war bei ihm und navigierte ihn sozusagen durch den Medizindschungel, das war gut. Als nun allerdings die Pflegekraft auf der einen Seite ein steriles Tischchen herrichtete mit Handschuhen, Klemmen, Scherchen, Tupfern und Nahtmaterial und die beiden Ärzte sich begannen die Hände zu desinfizieren, wurde er ein wenig unruhig. Noch viel unruhiger allerdings wurde er, als er sah, was eine zweite Pflegekraft auf seiner anderen Seite vorbereitete-verdammt das kannte er schon, das war ein Blasenkatheter! „Muss das denn sein?“ fragte er leise und warf einen Blick darauf, aber Sarah nickte unnachgiebig. „Doch Ben-das muss sein!“ sagte sie fest und wartete nun darauf, dass Ben wieder eine Diskussion mit ihr anfangen würde wie beim letzten Mal, dass sie doch selber den Katheter legen solle, was sie aber nicht tun würde. Anscheinend hatte er sich das aber vom Vorjahr gemerkt und er errötete nun zwar, als man ihm vor aller Augen noch die Unterhose aufschnitt, die ihm als letztes Kleidungsstück noch geblieben war und ein älterer Pfleger-Gott sei Dank wenigstens ein Mann-ihm den Katheter legte, aber als das Ding an Ort und Stelle war und es auch nicht allzu schlimm gewesen war, sank seine Herzfrequenz wieder, die vor Aufregung in die Höhe geschossen war, als man ihn völlig entkleidet hatte. Man legte nun auch eine dünne Decke über ihn, allerdings hatten alle Anwesenden, Sarah eingeschlossen, sich sorgenvolle Blicke zugeworfen, als man sah, was da in den Beutel lief. Der Inhalt der Blase, von der Menge her sowieso sehr wenig, aber das war auch durch die Austrocknung, das Fieber und den Wundschock zu erklären, war fast das pure Blut gewesen und nachdem man ja im Unterbauch keine Verletzungen hatte feststellen können, war beinahe sicher, dass eine der Nieren, wenn nicht sogar alle beide ordentlich was abgekriegt hatten. „Bitte auch noch einen Urologen zuziehen!“ bat der Unfallchirurg und während er in den sterilen Kittel schlüpfte, den die Schwester ihm anreichte, war der Pfleger, nachdem er sein benötigtes Material entsorgt hatte, seine sterilen Handschuhe ausgezogen und seine Hände ebenfalls desinfiziert hatte, zum Telefon gegangen und hatte den diensthabenden Urologen angerufen, der versprach in Kürze vorbei zu kommen.

    Inzwischen war Ben´s Aufmerksamkeit wieder von den beiden grün gekleideten Chirurgen gefesselt, die jetzt seinen rechten Arm, der ab dem Ellbogen wie eingeschlafen war, oberhalb aber an der Wunde ordentlich tobte, nun begonnen hatten zu desinfizieren. Der Pfleger war dazu getreten, hatte den Arm weisungsgemäß gehalten und nachdem der Operateur großflächig desinfiziert hatte, wickelte man die Extremität in sterile grüne Einmaltücher und legte sie auf einem Tischchen ab. Die beiden Operateure setzten sich einander gegenüber auf zwei Rollhocker, denn wenn es diffizil wurde operierte man oft lieber sitzend, weil dann die Hände ruhiger waren und schon begann der eine der beiden die Wunde mit Lokalanästhetikum und einer Spritze zu infiltrieren. Ben zog zwar die Stirn kraus, das brannte und drückte, aber wenig später war sein Oberarm um die Verletzung wie ein Stück Holz und er spürte zwar noch Druck, aber eben keinen Schmerz mehr. Sehr geschickt verschlossen die beiden erfahrenen Operateure schichtweise die Wunde, sie mussten zwar die Bizepssehne, die Semir bereits durchtrennt gehabt hatte, nähen, aber die Nerven und Blutgefäße würden Umgehungskreisläufe bilden und so konnte man die Arterien und Venen, deren Stümpfe deutlich sichtbar in die glatte Wunde ragten, einfach unterbinden. Bevor man nun auch die Haut noch verschloss, bekam der Pfleger den Auftrag die Blutsperre zu lösen und als er zischend die Luft aus der Manschette entweichen ließ, kamen wirklich nur ein paar Tropfen Blut, die man abwischte und die Haut dann ordentlich verschloss. Ein steriler Klebeverband beendete den Eingriff und als man nun die grünen Tücher entfernt hatte, besahen sich die beiden Männer aufmerksam den Unterarm, der von außen außer ein paar Schrammen am Ellbogen und am Handballen unversehrt wirkte. Sie fassten Ben dort an, strichen auch energisch und fest über die ganze Extremität, aber er konnte ihre Berührungen nicht spüren, auch wenn er doch deutlich sah, dass er angepackt wurde.

    Auch der Neurologe war mit einem kleinen Gerät eingetroffen, stellte sich kurz bei Sarah und Ben vor und klebte nun an bestimmten Triggerpunkten am Arm kleine Elektroden auf, die er geschickt mit seinem Apparat, den er mitgebracht hatte, verband. Aber als er dann Strom hindurch leitete, spürte Ben wieder kein Kribbeln und der Arzt konnte zwar eine Muskelkontraktion des Unterarms hervorrufen, als er die Stromstärke erhöhte, aber Ben hatte immer noch kein Gefühl im Unterarm und der rechten Hand, die schlaff herunter hing. „Prognose?“ fragte der Wiederherstellungschirurg knapp, aber der Neurologe zuckte nur mit den Schultern, bevor er sich dem verletzten Fuß zu wandte.

    Jetzt hat Semir, regelrecht bedrängt von Ben, die Entscheidung zum Zugriff getroffen, was Kevin auch gleich umsetzt. Mich würde schon interessieren was der Mediziner Zange im Falle einer Verhaftung eingebläut hat. Der wehrt sich auf jeden Fall schon mal nicht!
    Während der von Kevin abgeführt wird, versucht Ben seinem Freund schonend bei zu bringen, dass er den Geiselnehmer nicht verhören soll-ob das allerdings klappt? Ich glaube, das wird Semir sich nicht nehmen lassen, die Wahrheit aus Zange herauszuprügeln!
    Äh Campino-ich bin gerade ein wenig verwirrt-du hast zum Schluss geschrieben, dass Kevin mit Cablonski am Lieferwagen eintrifft-hat sich der jetzt auch noch an die Fersen von Kevin und Zange gehängt, oder hast du da nur die Namen verwechselt?