Hartmut verständigte sofort Semir von der Information und der trat das Gaspedal daraufhin fluchend noch ein wenig stärker durch. Trotzdem hatte er noch ein paar Kilometer bis zur Klinik und so versuchte Jenni die Telefonnummer der Intensivstation herauszufinden, auf der Ben und Mittler lagen. Sie waren schon beinahe am Krankenhaus, als die Telefonzentrale das Gespräch endlich angenommen hatte und das Gedudel mit der Bandansage mit der Bitte um Geduld ein Ende hatte und nun versuchte, sie zu verbinden, aber nur ein leeres Tuten hallte aus ihrem Smartphone-da ging niemand ran!
Ben sah voller Entsetzen aus dem Augenwinkel seine Frau bewusstlos am Boden ein wenig entfernt von seinem Bett liegen. „Sarah!“ rief er angstvoll, aber bevor er sich weiter bemerkbar machen und um Hilfe rufen konnte, hatte Brummer, dem die pure Mordlust aus den Augen sprach, nach einem dicken Lagerungskissen gegriffen, das am Fußende von Ben´s Bett lag und das auf das Gesicht seines Opfers gedrückt, so dass dem sozusagen das Wort im Mund abgeschnitten wurde. Brummer war nun mit einem Sprung auf dem Bett und kniete sich auf Ben´s linke Hand, damit der ihn damit nicht erreichen konnte. Er nutzte den Überraschungsmoment noch aus und schaltete den Monitor auf Stand By, was eine Bedienung von zwei Tasten erforderte, aber das waren die selben Monitore wie auf der Intensivstation auf der sein Sohn gestorben war-die Funktion war ihm vertraut-wie oft hatte er gesehen, wie Ärzte und Pflegepersonal damit gearbeitet hatten. Er musste sich dazu zwar verrenken, aber indem er mit seinem Körpergewicht arbeitete und mit dem anderen Knie auf Ben´s Brustkorb thronte und ihm damit zusätzlich noch unsägliche Schmerzen bereitete und zugleich die Luft abschnürte, war er völlig sicher, dass sein Opfer bald aufhören würde zu zucken und zu strampeln und bewusstlos wurde.
Ben kämpfte währenddessen um sein Leben. Wenn er gekonnt hätte, hätte er vor Schmerz laut losgebrüllt, aber er konnte sich nicht bemerkbar machen. Das Blut begann schon in seinen Ohren zu rauschen, er befürchtete in Kürze in die Bewusstlosigkeit abzudriften, aber ein Gutes hatte der Adrenalinstoß, den sein Körper in Todesnot ausstieß doch-er spürte plötzlich keine Schmerzen, kein Fieber und keine Übelkeit mehr und die Zeit wurde regelrecht in seinem Kopf langsamer geschaltet. Jetzt müsste eigentlich sein Lebensfilm beginnen abzulaufen, wie man aus vielen Nahtoderfahrungen wusste, aber Brummer hatte nicht damit gerechnet, dass Ben´s Nase noch mit einer Sauerstoffbrille versorgt war, den Sarah vorhin fürsorglich noch etwas höher gedreht hatte, so dass er wenigstens minimal mit Luft versorgt wurde. Drei Liter in der Minute war zwar nicht viel, aber die Menge verhinderte doch, dass er das Bewusstsein verlor, sondern statt dessen fieberhaft versuchte, einen Plan zu fassen, wie er Brummer von sich herunter befördern konnte. Ben wunderte sich auch, dass der Monitor nicht alarmierte und die Schwestern und Pfleger ihm und Sarah zu Hilfe kamen, aber anscheinend hatte sein Angreifer da etwas gedreht-Semir hatte ihm ja erzählt, dass der angebliche Archivmitarbeiter mit der schmalen Rente in Wahrheit ein bestens ausgebildeter Kämpfer war, der im Krieg wohl sämtliche Skrupel verloren hatte und jetzt seine persönliche Vendetta durchzog, dabei hatte der ja überhaupt keine Schuld am Tod seines Sohnes, aber Ben hatte den Wahnsinn in den Augen des Mannes gesehen, der wollte einfach töten und verhielt sich nun wie ein Raubtier, das in Blutrausch fiel.
So schwer es ihm fiel, aber Ben befahl sich jetzt selber ganz flach zu atmen, um mit dem minimalen Sauerstoff zu Recht zu kommen und zugleich ließ er alle Glieder erschlaffen. Brummer sollte glauben, dass er nun das Bewusstsein verloren hatte-nur dann würde er vielleicht unaufmerksam werden und er hatte eine Chance sich effizient zu wehren. In Ben´s Kopf ratterte es-er ließ Semir´s Bericht noch einmal Revue passieren. Stumpf hatte Brummer angeschossen und dabei aufs Herz gezielt, nur leider eben lediglich einen Schulterdurchschuss zustande gebracht. Das bedeutete, dass Brummer´s verletzte Schulter, also seine Schwachstelle links war, sozusagen direkt über seiner rechten Hand. Obwohl Ben die bisher nicht wahrgenommen hatte und die Hand lahm und taub auf einem Kissen neben ihm gelegen hatte, fühlte er nun darin ein starkes Kribbeln-aus welchen Gründen auch immer. Vielleicht würde die ihm gehorchen, vielleicht aber auch nicht-er musste alles auf eine Karte setzen, sonst war er sowieso tot! Er kämpfte die Panik in sich nieder, die ihn zu übermannen drohte und ihm eigentlich befahl, wild um sich zu schlagen und zu treten, aber damit hatte Brummer ja kalkuliert und saß deshalb so auf ihm, dass er ihm nicht schaden konnte. In der Zeitung war gestanden, dass der Eingeklemmte vielleicht seinen rechten Arm verlieren würde, deshalb hatte Brummer den außer Acht gelassen-so wie der auf dem Kissen neben seinem Opfer gelegen hatte, als würde er nicht zu ihm gehören, stellte die rechte Hand keine Gefahr dar und darum hatte er sich lieber auf den Rumpf seines Opfers gekniet, um dem keine Gegenwehr zu erlauben.
Ben hatte jetzt einen Plan gefasst und nachdem er noch kurz überlegt hatte, wie weit Sarah vom Bett weg lag und sich sicher war, die nicht unter sich zu begraben, hob er in Zeitlupentempo den rechten Arm. Jawohl-es funktionierte, er konnte die Hand spüren und sie gehorchte ihm auch. Jetzt griff Ben beherzt nach oben, packte Brummer an seiner linken Schulter, die ja durch die Schussverletzung dessen Schwachstelle war und als der vor Schmerz und Überraschung einen Moment mit dem Druck nachließ und statt dessen aufschrie, als sich die Finger seines Opfers in die Wunde bohrten, spannte Ben alle Muskeln an, rollte mitsamt seinem Angreifer aus dem Bett und stürzte zu Boden.