Beiträge von susan

    Sarah hatte ebenfalls die Augen ein wenig geschlossen und auch Semir war in seinem Stuhl fast ein wenig eingenickt-zu viel war einfach in den letzten Stunden geschehen. Auf der Intensiv hatte inzwischen die Spätschicht übernommen und die nächste Schicht lauschte ungläubig den Erzählungen der Kollegen. Sie hatten teilweise aus dem Radio schon davon gewusst, dass in ihrem Krankenhaus ein flüchtiger Mörder erschossen worden war, aber dass das hier auf ihrer Intensiv geschehen war und wie die näheren Umstände waren, dass Sarah verletzt worden war, ihre andere Kollegin stationär auf der Unfallstation lag und Herr Jäger zweimal beinahe umgebracht worden wäre und nun mit einer Kehlkopfquetschung beatmet da lag, das erfuhren sie erst jetzt. Als die Übergabe am Bett stattfand, wurde Semir ein wenig hinaus geschickt und beschloss auf einen Happen zu Essen und einen Kaffee in die Cafeteria zu gehen und Sarah trug ihm noch auf, doch bitte Hildegard Bescheid zu sagen und gab ihm deren Nummer.
    Sarah war froh, dass eine befreundete Kollegin übernahm, denn sie musste langsam mal aufs Klo, aber sobald sie versuchte sich aufzurichten, wurde ihr immer noch schwindlig und so blieb ihr nichts anderes übrig, als auf die Schüssel zu gehen und da war ihr eine Frau einfach lieber als ihr Kollege. Ben allerdings wäre vermutlich eher von einem Mann als Betreuer angetan, aber der bekam das gerade sowieso nicht mit, obwohl er ja nur flach sediert war.

    Als Sarah fertig war, saugte ihre Kollegin Ben ab und da riss der panisch die Augen auf und wollte nach oben fassen, was allerdings durch die Handfixierungen nicht möglich war. Man gab ihm einen Bolus an Schlafmittel, woraufhin er wieder wegpennte, aber trotzdem hatte Sarah voller Mitleid die Panik und das Entsetzen in seinen Augen gesehen, als er so plötzlich geweckt worden war und sich nicht ausgekannt hatte. Sie versuchte ihm beruhigend zuzureden, aber irgendwie war sie räumlich zu weit weg, als dass Ben sie mit seinen ganzen Medikamenten und dem Fieber wahrgenommen hätte. Wenig später war Semir zurück und nahm wieder seinen Platz an der Seite seines Freundes ein, der sich langsam begann unruhig herumzuwerfen. Er berichtete Sarah von der Reaktion ihrer Kinderfrau und richtete ihr liebe Grüße und Besserungswünsche aus, dann aber nahm er fest Ben´s Hand in die seine, sprach mit ihm und der beruhigende Klang der vertrauten Stimme ließ Ben wieder einschlafen.

    Am späten Nachmittag kam noch der HNO-Arzt und sah mit einer Glasfiberoptik in Ben´s Hals, sprühte lokal ein Medikament auf die immer noch geschwollenen Stimmbänder, wozu man Ben gut sedieren musste, weil er sofort panisch zu würgen begann und sich auch erbrach-nur gut, dass der Tubus gut geblockt war! „Heute ist an eine Extubation noch nicht zu denken, ich schlage vor, ihm nochmals Cortison intravenös zu geben, ihn über Nacht gut schlafen zu legen, damit er sich erholen kann und eine Magensonde würde ich ebenfalls empfehlen, damit der saure Magensaft ablaufen kann-der reizt sonst das geschwollene Gewebe noch zusätzlich!“ verkündete der Doktor und so legte die betreuende Schwester Ben noch eine Magensonde, mitleidig beobachtet von Semir und Sarah, denn obwohl man die Notwendigkeit einsah, tat er ihnen doch leid. Als sich dann allerdings fast ein Liter grünlich atonischer Magensaft in den Beutel entleerte, war Sarah doch froh, dass man es gemacht hatte, denn das hatte ihn sicher auch gedrückt und siehe da, danach war er auch deutlich ruhiger.

    Wenig später sah auch die Urologieprofessorin mit ihren beiden Studenten noch vor dem Nachhausegehen nach ihm. Gerade der jungen Frau stand das Entsetzen ins Gesicht geschrieben, als sie ihren Patienten vom Vormittag so elend daliegen sah. Um Himmels Willen, der hatte heute ordentlich was mitgemacht-dabei hätte ihre Behandlung alleine vermutlich schon gereicht! Allerdings standen die Blutungen, die Blasenspülung funktionierte und so konnte man wenigstens auf dieser Baustelle sozusagen aktuell Entwarnung geben.

    Zur Nacht wurde er nochmals gelagert, man wusch ihn kühl ab, gab ihm einen weiteren Liter Flüssigkeit und stellte das sedierende Medikament höher, damit er schlief. Sarah hatte eine Suppe vertragen und konnte sich zwar noch nicht aufrichten, aber sie fühlte sich besser und der Schwindel ließ langsam nach. „Semir es wird Zeit, dass du auch in dein Bett kommst!“ sprach sie aus, was Semir die ganze Zeit vermieden hatte zu fragen. Er wäre natürlich auch über Nacht da geblieben, aber wenn Ben jetzt sowieso vor sich hin schlief, konnte er eigentlich gar nichts machen und so verabschiedete er sich herzlich und sank wenig später erschöpft zuhause aufs Sofa und erzählte Andrea im Detail, was heute alles geschehen war.

    Ja Joshua und Mikael sind ziemlich beste Freunde, wie man an der Vertrautheit mit der sie miteinander umgehen erkennen kann. Joshua will seinem Freund helfen, er versteht ihn und ich hoffe, dass Mikael das zulassen kann.
    Bei Ben geht es leicht aufwärts und Semir ist deswegen sehr froh, allerdings ist Konrad immer noch wütend auf Mikael-na der soll mal lieber sauer auf sich selber sein, er hats nämlich genauso verbockt!

    Nun ist zwar die Katze aus dem Sack-Ben und Kevin haben über die gemeinsame Nacht von Jenny und Ben gesprochen, aber irgendwie bleibt da so ein schales Gefühl! Ich würde sagen, das ist eher suboptimal gelaufen. Und Kevin tut sich einfach schwer offen zu sein, sondern fährt lieber seinen Schutzpanzer hoch-ach Mann wie blöd-aber leider genau so wie im wirklichen Leben! ;(

    Ja vermutlich wird Mikael nie erfahren, dass sein Vater ihn geliebt hat, auch wenn er sicher schon eine Ahnung hat, dass der ihn absichtlich nur angeschossen hat.
    Ben liegt in unverändert kritischem Zustand auf der Intensivstation und Mikael macht sich Vorwürfe, dass er daran schuld ist-na so ganz unrecht hat er ja nicht!
    Der Big Boss, der bei der Polizei ist-ich tippe immer noch auf Mikaels Chef-erschießt inzwischen Hansen und macht sich dann auf die Suche nach einer ominösen Metallkiste mit Beweisen. Wer da wohl den zweiten Schlüssel hat? Vielleicht Konrad?

    In Ben´s Zimmer waren inzwischen alle Fotos gemacht worden und als wenig später der Gerichtsmediziner eintraf und auch noch kurz die Leiche untersuchte, scheuchte der Pfleger, der sich ab sofort um Ben kümmern würde, weil seine Pflegekraft ja nun selber Patientin war, alle Anwesenden außer dem Pathologen, der ja schließlich selbst Mediziner war, aus dem Zimmer. Er würde seinen Patienten jetzt kurz waschen, bevor das Blut seines Beinahe-Mörders auf ihm antrocknete und ihn dann in ein frisches Bett legen. Er musste sogar einen Teil der Verbände erneuern und überall waren noch Blutspritzer zu entdecken-wie traumatisch würde dieses Erlebnis wohl für den jungen Polizisten gewesen sein? Leise und beruhigend sprach er mit ihm und Ben öffnete zwischendurch immer wieder ein wenig orientierungslos die Augen, wusste aber durch die sedierenden Medikamente im Augenblick nicht wo er war und was passiert war, aber die ruhige Stimme tat ihm gut, Schmerzen hatte er auch keine und so fuhr langsam sein aufgeputschter Organismus herunter.
    Nachdem sein Patient sauber war, überließ der Pfleger kurz der Putzfrau die Reinigung des Bodens und der abwaschbaren Wände, die Leiche wurde abtransportiert und dann holte er den Stationsarzt und eine Kollegin, die ihm helfen sollten, Ben in ein frisches Bett zu ziehen. Der Arzt sicherte den Tubus und den ZVK und mit einem Rollbrett zog man den Kranken dann vorsichtig hinüber und breitete ein dünnes Laken über ihn, denn wie der Monitor zeigte, hatte er immer noch um die 39°C Fieber.

    Wenig später holte der Pfleger Sarah zurück und Semir, der bis dahin an ihrem Bett ausgeharrt und sie ein wenig abgelenkt hatte, schob mit und für einen kurzen Augenblick stellte man die beiden Betten ganz nah nebeneinander, so dass Sarah ihrem Ben nahe sein konnte. Ihr liefen die Tränen der Erleichterung herunter, als sie ihn berührte und er auch kurz und verschlafen die Augen öffnete, als er ihre vertraute Stimme und das liebevolle Streicheln wahrnahm. Dann allerdings dämmerte er wieder weg und man fuhr Sarah´s Bett auf seinen Monitorplatz zurück, denn es standen sowieso schon so viele Geräte rund um Ben´s Liegestatt, von irgendeiner Seite musste man auch an den Patienten rankommen. Semir holte sich einen Stuhl und setzte sich nun erst einmal neben seinen Freund und atmete erleichtert auf.
    Von draußen hörte er die Stimme der Chefin, die anscheinend gerade eine Pressekonferenz gab und er hatte natürlich seine Waffe an Hartmut übergeben, damit man die Spurensicherung und den Papierkram vervollständigen konnte, seine Aussage würde er später zu Protokoll geben. Er hatte soeben einen Menschen erschossen, aber es tat ihm nicht leid, denn dieser Mann war eine gefährliche Tötungsmaschine gewesen und wenn er ihnen erneut entwischt wäre, wären vermutlich noch mehrere Menschen gestorben. Allerdings war er damit momentan raus aus dem regulären Dienst und ehrlich gesagt war er froh darüber. Er hatte das Gefühl, er müsse sich jetzt ausschließlich um seinen Freund und dessen Familie kümmern, die brauchten ihn gerade notwendiger als seine Dienststelle. Er hatte von Mittler´s Zimmer aus kurz mit dem Stationstelefon Andrea verständigt, damit die nicht aus der Presse von den Vorfällen erfuhr und die war sehr froh gewesen, dass ihm nichts geschehen war und auch Ben und Sarah lebten. Nun konnte man sich auf die Genesung der Patienten konzentrieren und Ben war ja noch nicht gesund und entlassen, vor dem lag noch ein harter, steiniger Weg.

    Nach der Pressekonferenz steckte die Chefin noch kurz den Kopf ins Zimmer, verabschiedete sich von Sarah, Semir und dem schlafenden Ben und sagte: „Ich fahre jetzt noch mit Jenni zu Brummer´s Frau und verständige die, euch wünsche ich alles Gute und Gerkhan-sie kommen einfach bei Gelegenheit in die Dienststelle und geben ihre Aussage als reine Formsache zu Protokoll, ansonsten möchte ich sie diese Woche nicht mehr in der PASt sehen!“ verkündete sie mit einem Lächeln und Semir nickte dankbar-ja genau das hatte er hören wollen!

    Als Frau Krüger und Jenni wenig später an der Wohnungstür von Frau Brummer läuteten, herein gebeten wurden und ihr kurz darauf die traurige Mitteilung machten, schluchzte die zwar momentan auf, aber wenig später rief sie ihren Seelsorger an, der auch versprach sofort zu kommen und sagte: „Nun hat auch mein Mann seinen Frieden gefunden und ist wieder mit seinem geliebten Sohn vereint!“ und da fügten die beiden Frauen nichts hinzu. Dass er allerdings ein skrupelloser Mörder gewesen war, das verdrängte die Frau wohl, aber für sie machte es keinen Unterschied-sie übergab das Verfahren sozusagen an einen höheren Richter und würde Kraft ihres Glaubens darüber hinweg kommen-fast beneidete Jenni sie darum, sowas vereinfachte das Leben ungemein.

    Nun ist es raus. Joshua konnte seinem besten Freund nicht verheimlichen, dass es Ben schlecht geht! Der macht sich natürlich Vorwürfe, dass der ohne ihn nicht in die Schusslinie gekommen wäre, aber wie Joshua schon sagt-es wäre vielleicht auch sonst passiert, denn durch die Verwicklungen von Konrad in diesen Fall war automatisch auch Ben involviert.
    Hoffentlich macht Michael nun keinen Blödsinn-ich traue dem nicht-wetten der hievt sich in Kürze aus dem Bett und sucht seinen Vater, der nur noch "Hansen" für ihn ist, um heraus zu finden was Ben gespritzt wurde und wie man den retten kann!

    Die bedrückende Atmosphäre im Zimmer hast du erste Sahne beschrieben, Campino.
    Die Mutlosigkeit und Verzweiflung der Eltern, die Hilflosigkeit der Mediziner und auch der Freunde!
    Und die kleine Ayda kämpft derweil verzweifelt aus dem Wachkoma zu entkommen-immerhin hat der Finger gezuckt und irgendeine Regung war zu bemerken, auch wenn das Andrea und Semir noch gar nicht bemerken-aber aus dem ersten Kapitel wissen wir ja, was gerade in ihr vorgeht und dass sie gar nicht so weit weg ist, wie alle denken!
    Hoffentlich wacht sie bald von alleine auf-und sonst wünsche ich mir, dass alle drei Polizisten jetzt ihren ganzen Ehrgeiz daran setzen, den Verursacher des Komas zu finden und zu verhören-wenn er überhaupt noch lebt! ;( Ach ja und ich plädiere dafür, dass er dann im Anschluss-wie seine beiden Komplizen auch-eine Dosis des Komamittels gespritzt kriegt-nur so als Selbstversuch natürlich! ;)

    Die Schwester hatte den speziellen Führungsstab des Glidescopes mit Gleitmittel bestrichen und durch den Tubus geführt. Der Arzt hatte sich schon eine Größe kleiner vorbereiten lassen, als er normalerweise für Ben als erwachsenen Mann nehmen würde. Auch von außen bestrich man den Tubus mit Endosgel, prüfte, ob der Blockungsballon intakt war und dann nickte der Arzt und der Pfleger spritzte Ben, der wirklich kurz vor dem Ersticken war, zuerst das Opiat und danach das Beruhigungsmittel. Ben war nicht wirklich ganz weg, aber alles drehte sich um ihn und er war nicht mehr fähig sich zu wehren. Er merkte zwar, wie sein Mund geöffnet wurde und der Arzt, der hinter ihn getreten war, den Spatel des Glidescopes einführte und seine Zunge nach unten gedrückt wurde, aber erst als der Tubus an seinen fast zugeschwollenen Stimmbändern anstieß, überkam ihn ein unbändiger Hustenreiz. Aus der Spitze des Spezialspatels, in dem eine Lichtquelle und eine Videokamera saßen, wurden die Videosignale auf den kleinen Bildschirm neben dem Bett, der zum Spezialintubationswerkzeug gehörte, übertragen und man konnte nun auf den ersten Blick sehen, dass der Tubus noch zu groß war. Schnell zog der Arzt seine Instrumente wieder aus Ben´s Mund und in Windeseile wurde der nächstkleinere Tubus aufgefädelt. Mit dem gelang es dann endlich dem Arzt, durch das trotz Cortison durch die Schwellung immer kleiner werdende Löchlein zu zielen und wenig später war der Blockungsballon aufgeblasen und Ben´s Atemwege gesichert. Man setzte einen Ambubeutel auf und schloss an den den Sauerstoff an und als man nun vorsichtig, um seinen vorgegebenen Atemrhytmus nicht zu stören, mithalf den dringend benötigten Sauerstoff in seinen Organismus zu pumpen, wurde Ben´s Hautfarbe immer rosiger und der Arzt und seine Helfer atmeten ebenfalls auf.
    Erst jetzt holte man ein Beatmungsgerät, der Arzt wählte die Einstellungen, damit die Eigenatmung seines Patienten erhalten blieb, er aber genügend Sauerstoff und eine Druckunterstützung bekam und das Ersatzprogramm einsprang, falls er doch aufhörte zu atmen, aber ansonsten würde es genügen den Patienten leicht zu sedieren, damit er den Tubus tolerierte und den herauszuziehen, sobald die Schwellung abgeklungen war.

    Ben war jetzt vor Erschöpfung ganz schlaff geworden, man hatte das Bett wieder flacher gestellt, die Verdunklung aufgehoben und nun lockerte endlich auch Semir, der wie beschwörend seine beiden Hände auf seinem Partner liegen gehabt, aber dabei völlig unnatürlich verkrampft dagestanden hatte, seine Glieder und getraute sich wieder befreit durch zu atmen. Das war verdammt knapp gewesen! Beinahe hätte Brummer es doch noch geschafft, seinen Freund zu erledigen, aber nun würde der Verbrecher niemandem mehr etwas Böses tun.

    Die Chefin war vorgetreten und bat, bevor man Ben nun frisch machte und das blutige Bett austauschte, darum, Tatortfotos machen zu dürfen und nach dem O.K. des Arztes trat Hartmut, der inzwischen zur Spurensicherung eingetroffen war, ein und machte mit seiner Kamera mehrere Aufnahmen aus allen Winkeln. Brummer ließ man momentan liegen wie er war, denn der Gerichtsmediziner war nun ebenfalls bestellt und würde sich um die Leiche kümmern und nun endlich wandte der Arzt seine Aufmerksamkeit der jungen Schwester, die Brummer mit einem klassischen Faustschlag niedergestreckt hatte, zu. Man hob sie in ein Bett und nachdem der Arzt nach einer kurzen Untersuchung eine Gehirnerschütterung und ein Schleudertrauma vermutete, wurde sie noch ins CT gebracht, wo man den Kopf und die Halswirbelsäule untersuchen und sie dann zur Beobachtung auf die Unfallstation aufnehmen würde.

    Nachdem sich Semir mit einem abschließenden Blick auf seinen Freund vergewissert hatte, dass der im Augenblick vor sich hin schlief und deshalb seine Anwesenheit nicht unbedingt erforderlich war, ging er erst zum Waschbecken und machte- soweit möglich- seine blutigen Hände sauber. Gegen die Spuren auf seiner Kleidung konnte er aktuell nichts machen, aber jetzt musste er dringend Sarah Bescheid sagen, dass Ben noch lebte-die war sicher vor Sorgen inzwischen fast wahnsinnig!
    Wie es in einem Krankenhaus eben so war, hatte sich in Windeseile herumgesprochen, was auf der anästhesiologischen Intensiv passiert war und sofort wurde von einer Nachbarstation, die heute ausnahmsweise gut besetzt war, eine Intensivschwester abgezogen, um den Kollegen dort zu helfen und bis zum Schichtwechsel die Patienten mit zu versorgen.

    Semir trat nun ins Zimmer, in dem Sarah inzwischen laut schluchzend voll banger Sorge im Bett lag. Sie hatte mehrfach verzweifelt versucht sich aufzurichten, um irgendwie zu ihrem geliebten Mann zu gelangen, aber es war einfach nicht gegangen und so hatte sie mit den Nerven am Ende einfach neben dem friedlich schlafenden Mittler ausharren und warten müssen, bis jemand daran dachte, ihr Bescheid zu sagen. Mit völlig blutleeren Lippen musterte sie voller Entsetzen Semir, als der das Zimmer betrat. War das Ben´s Blut auf seiner Kleidung und würde der ihr jetzt die schrecklichste Mitteilung machen, die für sie möglich war- Ben wäre tot? Aber als sie das Lächeln auf seinem Gesicht sah, er ohne Umschweife an ihr Bett trat, die Arme ausbreitete und sagte: „Ben lebt und der Attentäter ist tot!“ flog sie regelrecht an seine Brust und obwohl der Schwindel sie erneut übermannte, genoss sie es, jetzt von dem vertrauten Freund ihres Mannes, der über die Jahre auch ihr Freund geworden war, einen Moment gehalten und gedrückt zu werden, bis sie sich wieder flach hinlegte. Semir setzte sich jetzt neben sie und versuchte ihr halbwegs schonend zu erklären, was passiert war und sie wurde ein wenig blass, als er die dramatische Intubation schilderte. „Sarah ich denke die werden jetzt das Zimmer und deinen Mann sauber machen und dann darfst du wieder zurück zu ihm. Endlich besteht keine Gefahr mehr und ich bin mir sicher, Ben wird in Kürze wieder der Alte sein-du weisst doch, er ist ein Kämpfer!“ tröstete er sie und Sarah lächelte unter Tränen. Sie legte die Hand auf ihren Bauch und sagte beschwörend: „Baby-es ist alles gut, du wirst deinen Papa doch kennen lernen!“ und Semir lief erneut ein Schauer über den Rücken, wenn er daran dachte wie knapp das gewesen war!

    Ben sog keuchend Luft ein, als der Druck um seinen Hals nachließ, allerdings ging das überhaupt nicht gut und zudem lag nun Brummer mit seinem ganzen Gewicht auf ihm und erschwerte ihm so zudem das mühsame Nach-Luft-Ringen. Semir rief laut: „Wir brauchen hier medizinische Hilfe-es besteht keine Gefahr mehr, der Attentäter ist tot!“ denn das sah man auf den ersten Blick, dass eine solche Schussverletzung niemand überleben konnte und jetzt brauchten Ben und die kleine Schwester dringend einen Arzt. Sekunden später standen der Pfleger, der Stationsarzt und noch eine weitere Schwester im Zimmer, die beim Knall des Schusses entsetzt ihre Arbeit unterbrochen hatten, die sie gerade ausübten. Die Schwester rannte nach dem Notfallwagen, während Semir zunächst schon den Attentäter von Ben herunter gezogen und am Boden abgelegt hatte. Der Pfleger schleppte die bewusstlose Schwester zur Seite und prüfte kurz ihre Vitalfunktionen. „Sie ist nur ohnmächtig, aber stabil!“ sagte er und der Arzt bestätigte mit einem Nicken die Kurzdiagnose-er glaubte dem erfahrenen Pfleger und würde sich später um die Schwester kümmern, aber jetzt musste er zuerst das Leben seines Sorgenpatienten retten, der immer noch blau war und pfeifend versuchte, mühsam Luft in seine Lungen zu pumpen. Verdammt-alles deutete auf eine Kehlkopfquetschung hin und wenn es ihnen nicht bald gelang, ihrem panischen Patienten genügend Sauerstoff zuzuführen, dann wusste man nicht, ob der das folgenlos überstehen würde.
    Vielleicht konnte er ihn noch auf normalem Weg intubieren, bevor die Stimmritze komplett zu schwoll, denn danach blieb ihm nur noch eine Notfallkoniotomie, das was man im Volksmund als Luftröhrenschnitt bezeichnete, was aber eigentlich gar nicht richtig war-der eigentliche Luftröhrenschnitt, die Tracheotomie, die z. B. bei Langzeitbeatmungen durchgeführt wurde, um den Totraum der Luft, die im Beatmungssystem war zu verringern und so das Weaning erst möglich zu machen, wurde unter kontrollierten Bedingungen beim intubierten Patienten durchgeführt, während dieser Notfalleingriff von vielen Risiken begleitet war.

    Der Arzt hatte also zunächst einmal zur Ohiomaske gegriffen, den Sauerstoff voll aufgedreht und die Maske auf Ben´s Gesicht gedrückt. Semir war, nachdem er den toten Brummer möglichst weit weg von Ben gezogen hatte, damit der Arzt seine Arbeit tun konnte, an die Seite seines Freundes geeilt, hatte seine Hand ergriffen und versuchte ihm beruhigend zuzureden, denn die Panik in dessen Augen war zum Erbarmen. Ayda hatte schon einmal einen Pseudokruppanfall gehabt und genau so erlebte Semir jetzt wie in Trance den Zustand seines Freundes. Auch sie hatte damals mühsam nach Luft gerungen und Andrea und er hatten fürchterliche Angst gehabt sie zu verlieren. Der Notarzt hatte ihr sofort ein Beruhigungsmittel gegeben und sie dann mit einer Mischung aus abschwellendem Cortison und bronchienerweiternden Mitteln inhalieren lassen und er konnte sich noch gut an die Erleichterung erinnern, als ihre Atemzüge ruhiger wurden und sie schließlich in Andrea´s Armen eingeschlafen war. Aber die Angst ersticken zu müssen musste einfach furchtbar sein, wie man an Ben´s weit aufgerissenen dunklen Augen sehen konnte und er stand so hilflos daneben und konnte nichts tun, als seine Hand zu halten, ihm nahe zu sein und ihn zu versuchen durch Worte zu beruhigen, bis der Arzt geeignete Maßnahmen ergriffen hatte.

    Der hatte sich vergewissert, dass die Infusionen noch liefen und ordnete jetzt mit knappen Kommandos an, was er brauchte und erklärte seinen Helfern, was er vorhatte. „Bitte sofort 250 mg Prednisolon auflösen und i.v. spritzen, dann möchte ich 5 mg Midazolam haben, dazu bitte 7,5 mg Piritramid aus dem hängenden Perfusor und werde dann versuchen, ihn mit dem Glidescope oral zu intubieren. Wenn uns das nicht gelingt, werde ich eine Notfallkoniotomie vornehmen!“ sagte er. Sehr gerne würde er seinen Patienten wie sonst zur Intubation üblich, erst komplett in Narkose legen, ein Muskelrelaxans spritzen, damit er völlig entspannt war und dann in aller Ruhe intubieren, aber das war leider im Moment nicht möglich, denn er musste versuchen die Eigenatmung so lange wie möglich zu erhalten, denn nur mit der Kraft seiner Atemmuskulatur gelang es dem jungen Polizisten gerade noch ein wenig Luft in seinen Organismus zu pumpen. Die Schwester, die den Notfallwagen gebracht hatte, rannte nun wieder los, um das Glidescope, ein spezielles Gerät für schwierige Intubationen zu holen und der Pfleger bereitete in Windeseile die Medikamente vor und spritzte zunächst das Cortison in den liegenden Zugang, während er schon den Ambubeutel bereit machte und Handfixies um Ben´s Handgelenke schlang und die festmachte, damit er nicht nach oben fassen konnte.
    „Ich intubiere halb sitzend!“ gab der Arzt knapp Bescheid und fuhr auch schon das Bett hoch, während die Schwester nun das Glidescope schon an der Steckdose angesteckt hatte, das Zimmer leicht verdunkelte und eine Trittstufe für den Arzt holte, während Semir nun ans Fußende des Bettes zurückwich, aber immer noch beide Hände beruhigend auf seinem Partner liegen ließ, um dem Nähe und gespielte Zuversicht zu signalisieren, obwohl er selber wahnsinnige Angst um seinen besten Freund hatte.

    Inzwischen waren die Chefin und weitere Polizisten eingetroffen, die aber auf den Flur verwiesen wurden, denn momentan galt es in erster Linie Ben´s Leben zu retten, die Polizeiarbeit konnte man später erledigen, aber auch sie hatten auf den ersten Blick gesehen, dass Brummer tot war und deshalb erleichtert aufgeatmet-der konnte niemandem mehr schaden. Allerdings sah Ben´s Bett aus wie ein Schlachtfeld und überall war Blut, dazu hatten sie einen Blick auf sein völlig panisches, blau angelaufenes Gesicht erhascht und jetzt drückten sie einfach die Daumen, dass der Arzt ihm in Kürze helfen konnte.

    Die kleine Schwester kam stöhnend wieder zu sich, aber ihr Kollege rief ihr zu, als sie versuchte sich aufzurichten: „Bleib liegen-wir kümmern uns gleich um dich!“ und so ließ sie den Kopf wieder auf den Boden zurück sinken, denn alles drehte sich um sie. Jenni, die neben der Chefin in der Tür gestanden hatte, zog kurz entschlossen ihre Jacke aus, ging die drei Schritte zu der jungen Frau, legte sie unter deren Kopf und hockte sich neben sie. Sie würde natürlich den Arzt nicht bei seiner Arbeit stören, aber vielleicht tat es dem zweiten Opfer des verrückten Attentäters auch gut, wenn es jetzt nicht alleine war und so richteten sich alle Blicke angespannt auf Ben und den Arzt-hoffentlich gelang es dem Doktor ihn zu retten!

    Brummer war direkt zur Intensivstation gegangen und zwar mit erhobenem Kopf, geradewegs und nicht etwa heimlich durch die Gänge schleichend. Im Vorbeiweg hatte er noch irgendwo einen langen weißen Arztkittel mitgenommen, der über einer Stuhllehne hing, so liefen nämlich die Chirurgen und Anästhesisten immer rum, wenn sie kurz den OP verließen, um nach einem Patienten zu sehen. Sie mussten sich danach zwar dann immer neu einschleusen und frische OP-Wäsche anziehen, aber wenigstens ein Umkleiden ersparten sie sich so. Bisher war nur den Mitarbeitern der Intensivstation und wenigen anderen bekannt, wie er aussah und so kam er völlig unbehelligt dort an, wo er noch eine Mission zu erfüllen hatte. Diesmal würde es klappen und er würde sich von nichts und niemandem aufhalten lassen. Er musste schnell und effizient zuschlagen und das, obwohl er jetzt keinerlei Waffe außer seinen Händen dabei hatte, aber seine Opfer waren geschwächt und er war entschlossen, also würde das auch funktionieren. Wer ihm am meisten Sorgen machte, war der kleine Polizist, der anscheinend mit dem jungen Architekten befreundet war. Der war kräftig und geschickt, außerdem jünger als er und zudem nicht verletzt-dem musste er aus dem Weg gehen und so betätigte er auch schon den Türöffner und trat ein.

    Das Zimmer, in dem er vorhin festgenommen worden war, lag ganz vorne in Türnähe und als er einen vorsichtigen Blick hineingeworfen hatte, umspielte ein Lächeln sein Gesicht. Eine kleine zierliche Schwester sortierte gerade Kabel am Bett seines ersten Opfers, aber sonst war niemand im Raum, der Monitor war zwar an, aber das Alarm-Aus aktiviert, so dass der die nächsten drei Minuten nicht alarmieren würde. Ohne groß nachzudenken, nutzte er die Gunst der Stunde und trat mit forschem Schritt ein. Die Schwester hatte sich gar nicht umgedreht, sondern aus dem Augenwinkel einen Arzt in typischer Kleidung wahrgenommen und sagte: „Wir verlegen Herrn Jäger…“aber weiter kam sie nicht, denn nun schoss von der Seite eine Faust auf sie zu und es gelang ihr gerade noch einen Warnruf aus zu stoßen, als sie auch schon bewusstlos zu Boden sank.

    Ben hatte entsetzt die Augen aufgerissen, so schnell war das gegangen. Auch er hatte gedacht ein Arzt würde nach ihm sehen, aber als er erkannte, dass das Brummer war, war es schon zu spät. Mit mordlustigem Funkeln in den Augen stürzte sich nun der Wahnsinnige auf ihn und umschloss wie mit einem Schraubstock mit beiden Händen Ben´s Hals. Auch wenn er in der linken Hand nicht so viel Kraft hatte, es würde genügen, sein Opfer zu erdrosseln, Brummer war entschlossen die Sache diesmal zu vollenden, aller guten Dinge waren drei und der dritte Anschlag auf Jäger, der schon sehr gezeichnet aussah, würde endlich klappen, da war er sich sicher!
    Ben entwich ein Gurgeln und er fasste noch mit beiden Händen nach oben und versuchte verzweifelt die Hände abzuwehren, die seinen Hals umschlossen und ihm die Luft abdrückten, aber in seinem geschwächtem Zustand hatte er seinem Mörder wenig entgegen zu setzen. Die Augen weit aufgerissen versuchte er vergeblich nach Luft zu ringen und direkt vor ihm war Brummer mit zu einer Fratze verzogenem Gesicht und tat das, was er am liebsten machte: Töten!
    Diesmal begann der Lebensfilm in Ben´s Kopf abzulaufen, seine Abwehrbewegungen erlahmten nach kurzer Zeit und er wurde bereits blau, da ertönte ein Schuss und plötzlich erschlafften die würgenden Hände, mit einem unendlichen Erstaunen im Gesicht brach Brummer über ihm zusammen und sein Blut, das aus der großen Austrittswunde an seiner Brust lief, färbte Ben´s weiß bezogenes Bett rot.

    Semir war so schnell er konnte zu Ben zurück gerannt, als er den Aufschrei vernommen hatte und wie er befürchtet hatte, wurde der gerade wieder von Brummer angegriffen. Die kleine Schwester lag bewusstlos oder tot-auf den ersten Blick konnte er das nicht erkennen-am Boden vor dem Bett und Brummer stand mit durchgedrückten Armen, um möglichst viel Kraft aufzuwenden, leicht über Ben gebeugt und würgte den, dass ihm schon die Augen aus den Höhlen traten. Ben war noch am Leben, wie Semir am Monitor erkennen konnte, der allerdings keinen Alarm gab, aber viel Zeit hatte er sicher nicht mehr. Einen kurzen Moment überlegte Semir, Brummer von seinem Freund erneut weg zu reißen, wie er es vor kurzer Zeit schon einmal getan hatte, aber es war nicht sicher, ob das funktionieren würde und wenn er versagte und das nicht schaffte, was bei diesem Mann, dem der Wahnsinn aus den Augen sprach, immer möglich war, dann wäre Ben tot und er trüge eine Mitschuld daran. So blieb Semir in der Tür stehen, schüttelte jegliche Aufgeregtheit ab und wie tausendfach im Schießstand geübt, hob er die Waffe, zielte auf die linke Brustseite des Mörders und drückte ab.

    Das war ein sehr emotionales Kapitel ganz nach meinem Geschmack! Ben liegt beatmet und in kritischem Zustand auf der Intensivstation, während Semir vor Sorgen fast umkommt.
    Joshua führt ein gutes Gespräch mit ihm und besucht danach seinen Freund Mikael. Ich dachte eigentlich auch, dass er durchschaut, dass Joshua ihn bezüglich Ben anlügt, aber anscheinend hat sich Mikael doch täuschen lassen.
    Von wem ich ein wenig enttäuscht bin ist Joshua´s Frau -die versucht gleich mit den Ermittlungen fort zu fahren und verhört Mikael regelrecht-ich denke nicht, dass das ein guter Zeitpunkt ist-immerhin ist der selber noch schwer krank und mit einer Sepsis ist nicht zu spaßen!
    Aber immerhin erfährt Mikael jetzt, wer der Maulwurf im finnischen Drogendezernat ist!

    Semir überlegte fieberhaft, wie er seine Freunde und den Bauleiter alle miteinander schützen konnte. Er rief die Schwester und fragte: „Der Attentäter ist auf dem Transport entkommen-wäre es möglich, Herrn Mittler hier in diesen Raum zu bringen, denn nach unserer Einschätzung schwebt der in genau derselben Gefahr wie meine Freunde hier und es wird noch ein wenig dauern, bis die Verstärkung eintrifft-und außerdem wage ich es zu bezweifeln, dass man ihn auch bei einer Durchsuchung des Krankenhauses so einfach finden wird, der ist mit allen Wassern gewaschen und ein ausgebildeter gefährlicher Einzelkämpfer-wir werden die Opfer über einen längeren Zeitraum bewachen müssen!“ erklärte er ihr, aber die Schwester schüttelte den Kopf. „Herr Mittler wird gerade dialysiert, der ist im Moment nicht transportfähig, aber wir könnten Herrn Jäger und Sarah rüber bringen, er ist aktuell ja auch alleine in einer Zweierbox, da können wir Herrn Jäger dort an den Monitor nehmen und Sarah braucht nur eine Minimalüberwachung, da genügt ein Bettmonitor!“ überlegte sie und kurz entschlossen sagte Semir: „Dann tun wir das!“

    „Ich brauche allerdings eine Weile, um Herrn Jäger wieder transportfähig zu machen, da unsere Infusionen und Saugungen hier ja gerade stationär eingespannt sind. Ich fange sofort damit an, alles vorzubereiten-Moment ich rufe einen Kollegen!“ bot sie an und wenig später stand der im Raum. „Könntest du bitte Sarah in das Zimmer zu Herrn Mittler bringen und mir danach hier beim Umschieben helfen?“ bat sie. „Der Mörder, den sie vorhin verhaftet haben ist getürmt und jetzt besteht die Möglichkeit, dass er zurück kommt!“ erklärte sie und der Pfleger erblasste. Mann so aufregend und gefährlich hatte er seinen Arbeitsplatz gar nicht eingeschätzt, aber es war vernünftig die drei Opfer in einen Raum zu bringen und dort rund um die Uhr zu bewachen, das war eigentlich logisch, auch wenn es da dann ein wenig eng hergehen würde, aber machbar war es.

    So spannte der Pfleger Sarah´s Infusion aus, steckte den Transportmonitor in eine Halterung am Kopfende des Bettes und damit war sie schon abfahrtbereit. Ben hatte den Ausführungen gelauscht und fand den Vorschlag der Schwester vernünftig, nur hatte er jetzt eine Bedingung: „Semir, ich bestehe aber darauf, dass du bei Sarah bleibst. Ich werde ja sofort nachgebracht und so schnell wird Brummer schon nicht zuschlagen, der ist sicher eher damit beschäftigt zu fliehen und befindet sich vielleicht schon nicht mehr im Krankenhaus. Ich möchte aber, dass du meine Familie beschützt, sonst rede ich nie mehr ein Wort mit dir!“ befahl er knapp, als Semir gerade begann zu protestieren. So beugte sich der kleine Türke dem Willen seines Freundes und half dann dem Pfleger, Sarah´s Bett in das andere Zimmer zu bringen, wo Mittler inzwischen ohne Besuch an der Beatmung vor sich hin schlief und nebenbei dialysiert wurde.

    Man musste dabei um mehrere Ecken fahren und Semir´s ungutes Gefühl nahm mit jedem Meter, den er sich von seinem Freund entfernte, zu. Verdammt, er konnte Ben doch nicht einfach im Stich lassen, aber genauso konnte er nachvollziehen, dass der seine Frau beschützt haben wollte, immerhin war Mittler ja noch mehr im Fokus des Verbrechers, denn der trug ja seiner Meinung nach eine Mitschuld am Tod seines Sohnes, darum wären nach der Risikoeinschätzung, die sie immer wieder bei ihrer Polizeiarbeit vornahmen, er und Stumpf die bevorzugten Opfer und die anderen kamen erst in der zweiten Reihe. Allerdings wusste Semir nicht, wie rational dieser Brummer überhaupt dachte, in dessen Oberstübchen war nämlich irgendetwas ganz gewaltig nicht in Ordnung und der war im Augenblick so gefährlich und wenig berechenbar wie ein Amokläufer!

    Der Pfleger hatte gerade Sarah´s Bett ganz in die Ecke geschoben und arretiert und fuhr noch einen Infusionsständer näher, da lauschten er und Semir plötzlich. Hatten sie gerade einen Schrei gehört? Es hatte nach einer Frauenstimme geklungen, die dann aber sofort abgebrochen war. Semir und Sarah wurden blass. „Schnell Semir-sieh nach! Bitte rette meinen Ben!“ flehte Sarah und Semir befahl dem Pfleger bei Sarah und Mittler zu bleiben und auf sie aufzupassen und stürzte mit gezückter und entsicherter Waffe so schnell er konnte zurück in das Zimmer, das sie vor wenigen Minuten verlassen hatten.

    Oh Mann-das ist aber ein sauberer Vater dieser Hansen! Anstatt das zu tun, was wohl fast jeder Vater tun würde, nämlich sein Kind zu schützen, schießt er ihn an, um seinen Boss, der ihn erpressen kann, milde zu stimmen. Ja man kann sich alles schönreden. Und das mit dem Schlangengift ist genauso besorgniserregend-Mann da können ja jetzt Ben und Michael Seite an Seite um ihr Leben kämpfen.
    Ob es Mikael ein Trost sein wird, wenn ihm sein Vater erklärt, dass er es nicht so gemeint hat, als er ihn beinahe umgebracht hat und zudem seinen besten Freund aus Kindertagen dazu?

    Ach dieses Gespräch in der Dienststelle-genau so hätte es sich mit den Personen die dabei sind, zugetragen! Die PASt-Familie, zu der jetzt auch Kevin gehört, hält zusammen, die Chefin lässt sich nicht einschüchtern, sondern teilt eher aus und steht vor allem hinter ihren Männern. Das LKA muss zornig abziehen, aber eigentlich ist es eine Patt-Situation. Das wären ja alles nette Spielchen, aber Ayda läuft die Zeit davon-ich denke, da werden Ben und Kevin trotzdem den Chemiker selber ermitteln müssen, wenn das LKA nicht in die Pötte kommt.
    Allerdings wäre es besser gewesen, Ben hätte Kevin vorher doch von dem Zünder informiert-wobei ich da schon wieder Angst habe, dass dann der nächste Drogenabsturz kommt!
    Mann Campino-übrigens hat mich deine Geschichte jetzt bis in meine Träume verfolgt, ich hatte nach dem Nachtdienst, wo ich eh so schlecht schlafe, einen Alptraum in dem mir die verbrannte Schwester Kevin´s erschienen ist-ich verstehe jetzt, warum er sich da abdopen muss, das war kaum zu ertragen! ;(

    Sie hatten gerade die Türen aufgemacht, der Fahrer saß noch hinter dem Lenkrad, als Brummer plötzlich aufsprang, den Überraschungseffekt nutzte und mit einem Handkantenschlag in bester Karatemanier den ersten Bewacher außer Gefecht setzte. Bevor der zweite nach seiner Waffe greifen und um Hilfe rufen konnte, denn sein Kollege vorne im Wagen war gerade auf etwas anderes konzentriert und hatte noch gar nicht mitbekommen, was hinter ihm geschah, hatte Brummer auch den angesprungen und nach kurzem Gerangel lag auch der zweite Polizist bewusstlos am Boden und Brummer verschwand, beobachtet von den entsetzten Augen des Ambulanzpersonals, das gerade mit einer Trage hergefahren kam, im Inneren des Krankenhauses.
    Als der Fahrer endlich schaltete, was geschehen war und aus dem Wagen sprang, um mit gezogener Waffe den flüchtigen Mörder zu verfolgen, war der wie vom Erdboden verschluckt. Aufgeregt rannte der Bewacher, während seine Kollegen stöhnend wieder zu sich kamen und besorgt von den Schwestern und Pflegern betreut wurden, herum und befragte etwaige Zeugen, wo der Mann hin verschwunden war, aber nach kurzer Zeit verlor sich seine Spur. Missmutig kehrte der Bewacher zum Fahrzeug zurück, sah kurz nach seinen Kollegen, die sich aber schon wieder aufrappelten, um dann zum Funkgerät zu greifen und der Zentrale durchzugeben, was geschehen war. Nach einem kurzen Schweigen am anderen Ende wurde das Gespräch zu ihrem Vorgesetzten durchgestellt und der Bewacher stand stramm, als ein Anschiss vom Feinsten aus dem Apparat schallte. Dann allerdings wurde eine Menge Polizisten mobil gemacht und auch ein Suchhund mitgeschickt, um das Krankenhaus abzusuchen.

    Ben war kaum wieder komplett verkabelt, der Neurologe verschwunden und er begann sich gerade ein wenig von den ganzen Eingriffen zu erholen, als eine Schwester in der Tür stand und Semir den Hörer des Stationstelefons in die Hand drückte, denn die Mobilmachung war natürlich auch in die PASt durchgedrungen und der Handyempfang auf Intensiv ließ ja zu wünschen übrig. Die Chefin war dran und sagte aufgeregt: „Gerkhan-Brummer ist auf dem Transport zur JVA die Flucht gelungen, er hält sich vermutlich im Krankenhaus auf. Wir kommen sofort und ein Suchtrupp mit Hund ist auch schon unterwegs-passen sie gut auf Mittler und Jäger auf, bis wir da sind und der Übeltäter geschnappt ist!“ beauftragte sie ihn und Semir sah nun entsetzt auf den Hörer, als die Chefin auch schon aufgelegt hatte. Wie sollte er das anstellen-die lagen doch in verschiedenen Zimmern?

    Brummer saß derweil in einem Müll-und Wäscheentsorgungscontainer, verborgen zwischen Wäschesäcken und spähte durch einen Spalt hinaus. Ein dunkelhäutiger Mann warf einen weiteren Sack mit benutzter Klinikwäsche hinein und Brummer verzog angewidert das Gesicht. Allerdings wurde er nun aus der Notaufnahme in Richtung Wirtschaftshof gefahren und als der Container zum Stehen kam und der Mann aus einem Raum weitere Wäschesäcke holte, hatte Brummer darin sich blitzschnell entkleidet und aus einem grünen Sack, in dem sich OP-Wäsche befand eine einigermaßen saubere grüne Hose und ein Oberteil angezogen. Die anderen Säcke schob er so vor, dass man seine Kleidung nicht sofort entdecken würde und als sein unfreiwilliger Transporteur wieder in einem Zimmer verschwand, um den nächsten Sack seiner Tour aufzuladen, verließ Brummer den Container und flüchtete in seiner Verkleidung in Richtung Intensivstation. Er würde jetzt schnell und effizient zuschlagen und sich dann ins Ausland absetzen. Seine Schulterwunde spürte er gar nicht mehr, denn er hatte Fährte aufgenommen und war wie ein ausgehungerter Wolf auf der Jagd, der nur ein Ziel hatte-seine Beute zu erlegen und zu zerfleischen!

    Gott sei Dank-Semir hat Ben sozusagen in letzter Sekunde gefunden und jetzt wird man sich in der Uniklinik (ja auch mein Krankenhaus der Wahl für die schwierigen Fälle ;) ) um ihn kümmern-ich bin ja gespannt,. was für ein Teufelszeug Hansen ihm gespritzt hat. Die Szene als Semir Ben auf seine Knie bettet und seine Hand hält, bis der Notarzt eintrifft, war sehr rührend!
    Ja jetzt können wir nur hoffen, dass Michael und Ben beide überleben und man Hansen und Seifert schnappen kann!

    Erst mal die gute Nachricht: Jenny ist bei Kevin geblieben und will das anscheinend mit ihm durchstehen. Sie gehen am nächsten Tag in die Past, als wäre nichts gewesen.
    Dort sitzt Ben und macht sich Sorgen-um Ayda und ihre Familie, um das bevorstehende Gespräch mit dem LKA und auch um Kevin.
    Die Chefin agiert wieder souverän, obwohl ihr selber nicht wohl ist, und Hartmut´s Erkenntnisse den Zündmechanismus betreffend machen es für alle Beteiligten auch nicht leichter. Ich finde allerdings auch-40 Stunden später wären sowieso alle Kinder tot gewesen und in dem Tempo, wie das LKA bisher ermittelt hat, wären die zu spät gekommen.
    Interessant sind aber die Erkenntnisse über die Chemikalien-ja klar, die Mittel die den Zelltod auslösen sind ja für das Supermedikament das Reuter gegen Krebs entwickelt, die haben mit dem Komamittel vermutlich wenig zu tun. Ich hoffe jetzt aber auch, dass sie über die Lieferscheine des Chemielieferanten an Reuter rankommen. Ich muss jetzt dann dringend wissen, ob der noch lebt, oder ob Cablonsky ihn schon erledigt hat-wobei ein Gegenmittel für das Komazeugs hat der ja auch nicht, wie wir wissen! :(

    Obwohl auch dieser Eingriff unangenehm und ein wenig schmerzhaft war, brachte Ben ihn anstandslos hinter sich, denn gegen das Vorhergehende war das trotzdem ein Sonntagsspaziergang und endlich wollte im Augenblick niemand mehr etwas von ihm, sondern man deckte ihn nur mit einem leichten Laken bis zur Hüfte zu und ließ ihn fürs Erste in Ruhe.

    Inzwischen war der Neurologe zunächst zu Sarah gekommen. Er prüfte ihre Reflexe, leuchtete ihr in die Augen und fragte dann nochmals genau nach dem Mechanismus, mit dem ihr Angreifer sie außer Gefecht gesetzt hatte. „Er hat den Arm von hinten um meinen Hals gelegt, dann habe ich einen fürchterlichen Druck gespürt und dann war ich schon weg!“ erklärte sie und zeigte dem Arzt den Punkt, der sich immer noch irgendwie komisch anfühlte. „Dann ist die Sache eigentlich klar-er hat da durch den Druck auf das große Blutgefäß, das hauptsächlich den Kopf versorgt und das Nervengeflecht, das sich da herum windet eine intermittierende Blutleere im Gehirn verursacht, was zur Ohnmacht geführt hat. Ich vermute, dass sich da jetzt haarfeine Blutergüsse und Schwellungen gebildet haben, die die Nerven irritieren, sobald der Kopf in eine bestimmte Richtung bewegt wird, was zu den Schwindelattacken führt!“ erklärte der Neurologe und wenn man genau hinsah, konnte man auch schon erkennen, wie sich da in der Tiefe ein Bluterguss abzuzeichnen begann. „Ich würde noch vorschlagen, dass der Gefäßchirurg sich das vorsichtshalber noch mit einem Doppler ansieht, denn mit Röntgen und Kontrastmittel können wir im Moment ja leider nicht arbeiten. Meist vergeht sowas aber ganz von alleine-einfach Bettruhe einhalten, bis sich die Symptome bessern und vielleicht eine Kühlkompresse gegen die Schwellung!“ schlug er vor und wandte sich dann seinem anderen Patienten zu.

    „Na Herr Jäger-ich habe schon gehört, dass sie ihren Arm wieder spüren und gebrauchen können, das ist ja eine freudige Überraschung!“ sagte er und besah sich erst einmal äußerlich die Extremität. Dann strich er mit einem Untersuchungshämmerchen, das er zur Reflexprüfung in der Tasche trug, systematisch über die einzelnen Bereiche der Hand, die von unterschiedlichen Nerven versorgt wurden und stellte Ben immer wieder Fragen, der in sich hinein lauschte und sich bemühte, die zu beantworten. Das Gefühl war zwar noch nicht ganz wieder so wie sonst, aber laut der Aussage des Arztes, würde sich das vermutlich vollständig wieder erholen. „Aber wie kann sowas eigentlich sein?“ wollte nun Semir wissen, der interessiert beobachtet hatte, was dieser Arzt, der seinem Freund ausnahmsweise mal nicht weh tat, so mit ihm anstellte. „Ich bin nun schon so lange Neurologe, aber die Nerven und ihre Funktionen erstaunen mich immer wieder von neuem. Nervenleitung ist ja nicht nur wie ein Stromkabel, das man flickt, wenn es unterbrochen wurde, sondern da spielen viele biochemische Reaktionen hinein und ein Nerv kann auch durch einen Schock seine Funktion einbüßen. Was letztendlich dazu geführt hat, dass der Arm sozusagen wieder am Netz ist, kann man im Moment nicht sagen-es wäre auch möglich, dass das Problem viel weiter oben lag, in der Halswirbelsäule zum Beispiel und dass durch das Aufdrücken des Kissens und eine unwillkürliche Bewegung da eine Blockade gelöst wurde, die die Lähmung verursacht hat-aber völlige Gewissheit wird es vermutlich nie geben. Seien sie froh, dass das Gefühl und auch die Motorik wieder da ist-jetzt kann man mit krankengymnastischen Übungen und Elektrostimulation versuchen den Zustand noch weiter zu verbessern, aber ich bin fürs Erste mal sehr zufrieden!“ gab der Neurologe zur Antwort und jetzt war Semir ebenfalls glücklich-manchmal musste man gar nicht so genau wissen, warum etwas funktionierte-Hauptsache es tat es!

    In Ben´s und Sarah´s Abwesenheit war Hartmut zur Spurensicherung dagewesen. Hartmut hatte nicht mehr viel sichern können, denn der Tatort war ja schon geputzt und aufgeräumt. Er machte trotzdem ein paar Fotos, sprach kurz mit Sarah als die zurück gebracht worden war und stellte dann fest: „Na ja-die Aussage von Augenzeugen wiegt ja mehr als jedes Foto!“ und Jenni war ja wie Semir auch am Ort des Überfalls gewesen, das würde dem Richter hoffentlich reichen. Er nahm Jenni dann mit zur PASt, bevor er zur KTU weiterfuhr, denn Semir würde jetzt erst einmal bei seinem Freund bleiben und sogar die Krüger hatte dafür vollstes Verständnis.

    Die Polizisten mit ihrer gefährlichen Fracht waren inzwischen schon ein Stück gefahren, als ihr Gefangener plötzlich blau anlief, die Augen verdrehte und zu krampfen begann. Einen Augenblick waren sie unschlüssig, ob Brummer den Anfall nicht vortäuschte, aber als das Blut aus seinem Mund lief, weil er sich auf die Zunge gebissen hatte, er am ganzen Körper zuckte und das Kiefer in einem unnatürlichen Krampf verzogen war, beeilten sie sich, seine Fesseln zu lösen und ihn hinten im Kastenwagen auf den Boden zu legen. „Sollen wir einen Notarzt rufen?“ fragte der eine der Polizisten bestürzt, aber der andere sagte kurz entschlossen: „Bis der da ist, sind wir wieder in der Uniklinik! Wir fahren mit Blaulicht und Sirene zurück-ich mache übrigens in meiner Freizeit ab und zu Rettungsdienst und habe eine Sanitäterausbildung. Ein Zungenbiss ist ein eindeutiger Hinweis auf einen echten Krampfanfall-sowas täuscht keiner vor!“ erklärte er seinen Kollegen und die stimmten ihm nach kurzem Nachdenken zu. So wendete der Wagen und wenig später rollten sie in die Notaufnahme der Uniklinik.

    Liebe Leser-heute im Laufe des Tages geht das Geheimkapitel online, das ich gerade verfasse. Ich habe allerdings gerade Nachtdienst und der schlaucht ungemein, so dass ich noch nicht genau weiss wann es fertig wird, ein wenig muss ich jetzt doch erst mal schlafen und mich dann um Haushalt, Familie und Einkäufe kümmern, denn morgen geht´s mit Spätschicht weiter-ich denke aber bis spätestens heute Abend habt ihrs im Postfach!