Der nächste Morgen brach für Klaus Dassler mit der üblichen Arbeit an. Er fuhr zu seiner kleinen Raststätte an der A3, in Höhe der Abfahrt Leverkusen und bereitete wie immer alles vor. Regale auffüllen, Getränke in die Kühlung räumen, die Toiletten reinigen und das Toilettenpapier auffüllen. Alles machte er im Alleingang, denn seine Frau musste zunächst die Kinder für den Kindergarten fertig machen. Seit er die Raststätte übernommen hatte, musste er an alles denken. Noch warf dieses Geschäft nicht genügend ab, dass er sich Angestellte leisten konnte. Außer Katrin, seine Frau, half ihm keiner. Vor knapp drei Jahren war er Vater von einem Zwillingspärchen geworden. Sandra und Sonja waren seine Engel, wie er sie immer nannte. Für diese beiden kleinen Sonnenscheine wäre er gestorben. Er fand es schon schlimm genug, dass er kaum Zeit für sie hatte. Meistens schliefen sie schon, wenn er nach Hause kam. Aber er musste seine Familie versorgen und die Raststätte warf dafür gerade genügend ab. Er hatte es sich zur Aufgabe gemacht, die Kunden stets mit einem zufriedenen Gesicht zu entlassen. Egal wer auch kam, er wurde immer zuvorkommend behandelt. Für die Kinder gab es immer eine kleine Überraschung für die weitere Fahrt. Die Preise hielten sich im Rahmen und er drückte auch schon mal ein Auge zu, wenn das Geld nicht reichte. Nur zehn Minuten nachdem er seine Türen geöffnet hatte, kam der erste Kunde herein. „Guten Morgen…“ Klaus sah den ca. 40jährigen Mann an. „Morgen..“ Der Kunde legte einen 50 € Schein auf den Tisch. „Säule 7!“ Klaus nickte und drückte die entsprechende Taste um den zu kassierenden Betrag angezeigt zu bekommen. „48.95€“ Er nahm den Schein und gab das Wechselgeld raus. Der Kunde steckte es ein und verließ den Raum. „Einen schönen Tag noch!“
Als der Kunde gegangen war, wandte sich Klaus wieder seiner anderen Arbeit zu. Kaffeemaschine starten, Brötchen belegen und in die kleine Box legen. Doch er kam nicht weit, denn der nächste Kunde wurde durch die Türklingel angekündigt. Klaus ging durch den schmalen Gang, der den Verkaufsraum von seinem Büro abtrennte und wollte sich um den Kunden kümmern. Als er aus dem Gang heraustrat, wurde er gepackt und brutal gegen die Wand gedrückt. Nur wenig spürte er etwas Kaltes und Hartes im Genick. Klaus hob die Hände, um zu zeigen, dass er nichts unternehmen würde. „Keine Bewegung! Ich will nur das Geld und die Zigaretten!“ „Okay…kein Problem. Ich … ich gebe Ihnen alles. Aber es ist noch nicht viel in der Kasse…“ Klaus verfluchte, dass er noch keine Kameras im Raum hatte. Aber das würde sich, wenn er diese Situation überlebte, ganz schnell ändern. Bisher hatte er gehofft, dass die Attrappe Räuber abschreckte, doch es schien seine Wirkung zu verfehlen. Ein Stoß in seine Rippen ließ ihn wieder in die Realität kommen. „Geld her!!“ „Ja doch….ja… nicht nervös werden.“ Er packte das Geld in eine Tragetasche. „Zigaretten!“ „Möchten Sie eine bestimmte Marke?“ Klaus musste über seine Bemerkung selbst schlucken. Er versuchte locker rüber zu kommen, doch in Wirklichkeit, hatte er große Angst. Und dass die berechtigt war, zeigte die Reaktion des Verbrechers. Eine Kugel schlug in das Regal neben Klaus ein und er zuckte zusammen. Er packte die Zigaretten nach und nach und tat sie ebenfalls in die Tragetasche. Dann reichte er dem Mann diese, der gierig danach griff und sich zum Gehen wandte. Doch an der Tür drehte er sich wieder um, legte auf Klaus Dassler an und drückte ab. Klaus riss die Augen auf und wollte sich noch mit einem Sprung in Sicherheit bringen, doch die Kugel war schneller.
Auch Alex und Semir traten ihren Dienst pünktlich an. Sie trafen auf dem Parkplatz gleichzeitig ein und begrüßten sich. Allerdings kamen sie nicht weit, denn Susanne rannte auf den Parkplatz. „Jungs! Ein Überfall! Tankstelle Lichtendorf! Ein Schwerverletzter!“ Alex und Semir sahen sich an, dann sprinteten sie zu Alex Mercedes und rasten nur wenig später los. Die Tankstelle Lichtendorf war, als sie dort ankamen, komplett abgesperrt. Mehrere Polizeiwagen blockierten die Ein- und Ausfahrt und der Rettungswagen stand direkt vor der Eingangstür. Semir und Alex hoben ihre Ausweise hoch und konnten durchgehen. Als sie die Tür der Tankstelle erreicht hatten, schoben die Sanitäter gerade eine Liege raus, auf der ein Mann lag, der ziemlich blass war. Semir hielt den Arzt fest. „Wie sieht es aus?“ „Schusswunde! Die Kugel steckt noch in der Schulter“ „Kann der Mann uns ein paar Fragen beantworten?“ „Nein! Er muss direkt ins Krankenhaus und operiert werden!“ Der Arzt löste sich und ging hinter der Liege her. „Semir!“ Alex, der bereits im Verkaufsraum war, rief seinen Kollegen zu sich. Als Semir in den Raum kam, hob er eine Puppe hoch. „Unsere Freunde.“ Semir nickte. Er nahm die Puppe und las den Namen. „Anja…okay. Also ist die Puppe Programm. Der Mann ist nicht vernehmungsfähig. Schultersteckschuss.“ Alex wies in die Ecke auf eine Kamera „Diese hier ist aber videoüberwacht. Das heißt, dass wir vielleicht endlich einen brauchbaren Hinweis auf die Täter bekommen.“ „Gut, dann sollten wir die Aufnahmen sichern.“ Bevor sie allerdings sich auf die Suche nach den Aufzeichnungen machen konnten, kam eine Frau in den Verkaufsraum.
„Was ist denn hier los?“ Alex und Semir drehten sich zu ihr um. „Wer sind Sie?“ „Katrin Dassler! Ich…meinem Mann gehört die Tankstelle. Wo ist er denn? KLAUS!!“ Semir zog seinen Ausweis und zeigte ihr diesen. „Gerkhan, Kripo Autobahn, das ist mein Kollege Brandt. Ihr Mann wurde überfallen.“ Die Frau riss die Augen weit auf. „Oh mein Gott! Wo ist er denn? Ist er verletzt? Liegt er im Krankenwagen?!“ Sie wollte gehen, doch Alex hielt sie fest. „Frau Dassler, Ihr Mann wurde angeschossen und wird ins Krankenhaus gebracht. Wir können Sie gleich hinbringen lassen, aber erst müssen wir die Videoaufnahmen haben. Können Sie uns helfen?“ Durch das Fenster sah er, wie der Rettungswagen mit Blaulicht und Sirene abfuhr. Katrin Dassler schüttelte den Kopf. „Das ist eine Attrappe. Sie nimmt nichts auf. Bitte, ich will zu meinem Mann…“ Alex nickte und brachte die Frau nach draußen. Er beauftragte einen der uniformierten Kollegen damit, Katrin Dassler ins St. Vinzenz nach Leverkusen zu bringen. Alex ging wieder zurück zu Semir. „Schade, ich hatte echt gehofft, dass wir jetzt ein Gesicht von dem Täter haben.“ Semir nickte nur. „Jetzt haben wir drei Puppen und drei Namen. Wie hängt das nur zusammen?“ Sein Partner zog die Schultern hoch und sah sich um. „Ich weiß es nicht. Wir haben allerdings auch keine Beschreibung der Tat.“ „Ja, das können wir frühestens morgen erfahren. Heute wird der Mann sicher nicht ansprechbar sein. Lass uns zu Hartmut fahren! Vielleicht hat er etwas herausgefunden, was die Spuren angeht.“ Alex stimmte ihm zu und sie verließen mit der Puppe den Tatort, um zu Hartmut zu fahren.