Paul brachte das Auto zu Andrea zurück und ließ sich dann von ihr zu seinem Wagen fahren. „Ich kann Kilian sehr gut verstehen. Ich wäre sicher auch so vorgegangen. Bist du sicher, dass dieser Typ wirklich nicht in Deutschland ist? Ich meine, wenn ihr die Firma durchsucht, ist es doch sicher schnell festzustellen, oder?“ Paul sah sie kurz an. „Andrea, ich verstehe ihn auch. Aber durch seine Aktion hat er Semir noch mehr in Gefahr gebracht. Die Kollegen werden Stöcker sicher informieren und wenn er wirklich mit Semirs Verschwinden zu tun hat, dann wird er den unbequemen Zeugen nun aus dem Weg räumen. Und ich muss dir sicher nicht sagen, wie das aussieht oder?“ Andrea schüttelte den Kopf. „Willst du morgen den Durchsuchungsbeschluss erwirken?“ Paul nickte leicht. „Ich werde es auf jeden Fall versuchen. Hoffe nur, dass ich nicht diese Schrankmann als Ansprechpartner bei der Staatsanwaltschaft habe.“ stöhnte er leise auf. Andrea sah ihn kurz an. „Du weißt doch wohl, dass ich ihre Sekretärin bin. Ich kann dich beruhigen, Schrankmann ist für die nächsten zwei Wochen nicht in der Stadt. Sie hat einige Dinge in Hamburg zu erledigen. Der Stellvertreter ist Dr. Harmsen und das ist ein sehr netter Mensch. Lass mich nur machen. Du kannst dir den Beschluss morgen um elf abholen.“ versprach sie. Paul lächelte sie an. „Ich werde ihn dir zurück bringen. Ich hoffe nur, dass ich nicht zu spät komme.“ gab er zu bedenken. Andrea hielt vor Pauls Wagen an und er verabschiedete sich von ihr. Bevor er jedoch ausstieg, hielt sie ihn fest. „Paul, ich glaube fest an dich. Ich weiß, dass du es schaffst. Bring ihn mir zurück und diesen Kerl, der dafür verantwortlich ist, hinter Gitter.“ Paul schluckte schwer und stieg aus. Nur wenig später fuhr er selbst nach Hause. Als er bei sich in der Wohnung war, war alles ruhig. Er schloss die Tür zum Gästezimmer auf und sah Kilian auf dem Bett liegen. Er schien tief und fest zu schlafen. Leise trat er an das Bett und überprüfte die Handschellen. Sie saßen nicht sehr fest, doch es reichte, um seinen Freund von Dummheiten abzuhalten. Er verließ den Raum wieder und schloss die Tür. Er selbst legte sich in sein Wohnzimmer, welches auch sein Schlafzimmer war. Mit wenigen Griffen zog er die Couch auseinander und erhielt ein 2m breites Bett. Er zog sich aus und setzte sich auf die Bettkante. Seine Gedanken gingen zu Semir. Was musste sein Kollege wohl gerade durchstehen? Hatte man ihm schon Blut abgenommen? War er vielleicht schon tot? Nein! Du wirst ihn finden! Und er wird leben! Das hast du Andrea versprochen, mahnte er sich selbst. Er legte sich hin, doch der erholsame Schlaf wollte sich nicht einstellen.
Semir wachte auf, als die Tür heftig gegen die Wand schlug. Bevor er jedoch wach war, wurde er gepackt und gegen die Wand gedrückt. Ein harter Schlag in der Magengegend, ließ ihn aufschreien. Er sah in das wutverzerrte Gesicht von Karsten Stöcker. „Deine verdammten Kollegen sind in mein Haus eingedrungen! Das ist schon schlimm genug, aber das du mich angelogen hast, ist der Gipfel!“ Semir hob abwehrend die Hände. Die Schmerzen im Magen ließen nur langsam nach. „Ich verstehe nicht.“ stieß er mühsam aus. „Ach nein? Ich habe die Überwachungsbilder meiner Alarmanlage vom Haus gesehen. Es war Winther, der sich illegaler Weise Zutritt verschaffen wollte! Und du hast Blutgruppe Null negativ! Zwei Fehler, die du jetzt bezahlen wirst!“ Stöcker packte Semirs Shirt und wirbelte ihn herum. Er stieß ihn so heftig in Richtung Tür, dass Semir zu Boden ging, als er ihn losließ. Semir landete direkt am Ausgang und jetzt war er hellwach. Er raffte sich auf und rannte diesmal nach rechts. Tatsächlich kam er sogar bis zu einer Treppe, die nach oben führte, doch hier standen zwei Männer, die muskelbepackt an einer weiteren Tür standen und die Arme verschränkt hatten. „Bleib Stehen!“ schrie Stöcker hinter ihm und das richtete die Aufmerksamkeit der beiden lebenden Schränke auf ihn. Semir blieb wie angewurzelt stehen und sah sich gehetzt um. Von hinten kam Stöcker und vor ihm stand diese Mauer aus Muskelmasse mit vermutlich wenig Hirn. Die Männer lösten sich und kamen nun auf ihn zu. Semir wusste, dass er schon verloren hatte, doch so einfach wollte er nicht aufgeben. Er griff die Männer an und konnte sogar einige gute Schläge anbringen, doch sein Glück verließ ihn, als auch Mario sich in den Kampf einmischte. Er packte Semir und würgte ihn von hinten. Dieser griff sofort den Arm und wollte sich so Luft verschaffen und diesen Augenblick nutzte einer der Schläger. Er ließ seine Faust in Semirs Bauch versinken und der Hauptkommissar stieß einen heiseren Schrei aus. Er wollte sich krümmen, doch Mario hielt ihn eisern fest. Nun hatte auch Stöcker die Gruppe erreicht und Semir sah ihn an. „Lass ihn los! Er soll sich ruhig noch einmal austoben.“ lachte er und Mario führte den Befehl aus. Semir ging kurz zu Boden und schnellte an die Wand, um wenigstens nicht mehr von hinten angegriffen zu werden. Sein Atem ging schwer und voller Angst sah er die Gruppe der Männer an und wusste dass es nun vorbei war.