„Los mach nicht schlapp!“, fauchte Karsten der das Dach des Turms erreicht hatte. Er stieß Semir gegen die Burgmauer. Das Seil aus seinem Mund löste sich. Vorsichtig leckte er sich über die durch das Seil in Mitleidenschaft gezogenen Mundwinkel und schmeckte Blut. „Rauf da! Dein Fahrstuhl kommt.“, lachte Karsten. „Sie sollten…sich überlegen, ob Sie es wirklich machen. Meine Kollegen werden bereits in der Nähe sein und…“, der Rest ging in ein Stöhnen über. Karsten hatte mit der Faust zugeschlagen. Vor Schmerzen windend lag Semir am Boden. „Los und laber nicht soviel!“, stieß er aus. Er zerrte Semir hoch und sah ihn fest in die Augen. „Ich bin ein Gewinner und ich werde immer gewinnen. Wenn du jetzt nicht sofort auf die Mauer gehst, werde ich dich eigenhändig über die Mauer werfen…“, drohte er. Semir sah ihn an. Er nahm dem Mann alles ab. Seine Drohungen würde er ohne mit der Wimper zu zucken wahr machen. Langsam stieg Semir auf die Mauer und sah in die Schwärze unter ihn. Es ging sicher 15 oder 20 Meter runter. Doch dann sah Semir etwas, das ihn erleichterte...das war die Chance….wenn er das schaffte, würde er sich aus den Fängen von Karsten befreien können. Sicher war Ben schon auf dem Weg hier her. „Na los! Verdammt ich hab nicht den ganzen Abend Zeit!“, fauchte Karsten. Semir stellte sich auf. „Und nun, sag Lebewohl.“, grinste Karsten. Er stellte sich hinter Semir und gab ihm einen Stoß. Semir schrie vor Schreck auf und verlor den Boden unter den Füßen. „NEIN!!! SEMIR!!“, hörte er im Fall.
„NEIN!! SEMIR!!“, schrie Ben, als er das Dach erreicht hatte und sah, wie Karsten Semir vom Turm stieß. Er legte an und schoß den Gegner Kampfunfähig. Dann rannte er zur Mauer und sah hinunter. Von Semir war nichts zu sehen. Er war zu spät gekommen…zu spät… Langsam ließ er sich an der Mauer entlang auf den Boden senken. Was sollte er nun Andrea sagen? Wie sollte er ihr erklären, dass er zu spät gekommen war… seinen Partner nicht retten konnte? Wie sollte er Ayda und Layla in die Augen sehen können und dabei wissen, dass er ihren Vater in den Tod getrieben hatte? Ein Stöhnen riss ihn in die Wirklichkeit. Er sah wie Karsten versuchte sich humpelnd aus seiner Reichweite bringen wollte. Ben stand langsam auf und sah dem vergeblichen Treiben des Verbrechers zu. „Willst du noch eine Kugel? Ich kann dir das Knie zerschießen und dann bist du immer noch besser dran, als mein Partner. Du kannst nämlich dein verdammtes unnützes Leben hinter Gitter fortsetzen…aber die Kinder und die Frau meines Partners werden es mir immer übel nehmen….und das macht mich sauer...und wenn ich sauer bin, dann werde ich verdammt unangenehm.“, stieß er aus. Er stellte sich vor Karsten und sah ihn ins Gesicht. Die Wut die in ihm aufgestaut war, entlud sich mit einem Faustschlag in das Gesicht des Mannes. Karsten flog zurück und schlug schwer auf dem Boden auf. Ben griff in das T-Shirt und riss den Mann hoch. „Willst du auch das Fliegen lernen? Ich kann behaupten, dass du einfach die Mauer übersehen hast und gestolpert bist….“, drohte er ihm. „Nein…nein…ich..ich will nicht…sterben..das…das dürfen sie nicht….das ist Mord.“, stieß Karsten aus. „Mord? Na und? Mord an einem Mörder? Siehst du hier irgendwelche Zeugen die das bestätigten können? Ich nicht….“, stieß Ben aus. Er schien den Hang zur Wirklichkeit zu verlieren und drängte Karsten immer weiter gegen die Mauer.
Dieter und Hotte hörten den Schrei und liefen sofort zum Turm hin. „Oh verdammt...schnell, such eine Leiter...“, stieß Dieter aus, als er sah, was sich da in den Baunetzen verfangen hatte, die rings um den Turm angebracht waren. Sofort rannte der dickliche Polizist in einen der Schuppen rein und kam mit einer großen Holzleiter wieder. Sofort wurde sie gegen das Netz gelegt und Dieter erklomm das wackelige Teil. „Semir...Hey Semir, alles in Ordnung mit dir?“, wollte er wissen und tätschelte die Wangen des bewusstlosen Hauptkommissars. Doch keinerlei Reaktionen. Vorsichtig nahm Dieter den leblosen Körper über seine Schulter und stieg die Leiter hinab. Unten angekommen nahm Hotte seinen Kollegen Semir ab und legte ihn vorsichtig auf den Steinboden. „Junge, komm schon...wach auf...“, forderte auch dieser. „Ich hole mal Wasser...“ Dieter ging zum alten Ziehbrunnen, ließ den Eimer hinab und füllte ihn mit dem kühlen Nass. Mit kraftvollen Bewegungen zog er den vollen Eimer wieder nach oben. Schnell löste er ihn von der Kette und ging zurück zu Semir. „Hotte...weg da...“, meinte er nur und leerte dann das ganze Ding mit einem Schwall auf Semirs Gesicht aus. Dieser prustete sofort los und richtete sich erschrocken auf. „Ganz ruhig Semir...wir sind hier...“, stieß Hotte aus und löste die übrigen Fesseln vom Körper seines Kollegen. Nickend dankte ihm Semir. Sagen konnte er nichts. Er war nur heilfroh, dass er lebte. „Wo...“, versuchte er und sah dann in die Richtung von Dieter. „Wo ist...“ „Ben?“, beendete Dieter Semirs Satz. Dieser nickte nur. „Er ist noch oben auf den Turm und verhaftet diesen Karsten.“, erklärte Dieter nur. Semir nickte.
„Nein, bitte nicht...“, stieß Karsten immer wieder aus, als sie sich an der Brüstung befanden. Ben stieß ihn weiter dagegen. „Du hast meinen Partner eiskalt da hinunter gestoßen. Warum sollte ich mit dir Mitleid haben? Glaub mir, danach fühlen wir uns beide sehr viel besser.“, fauchte der junge Hauptkommissar und lehnte Karsten schon über die Brüstung, fasste nach seinem Bein und wollte ihn über die Zinnen hebeln, als er plötzlich jemanden rufen hörte. „Hey Ben...wir haben Semir...er lebt...er lebt...hast du gehört...“, schrie Dieter von unten den Turm hinauf. In Bens Kopf hallten die Worte immer wieder...Semir lebt...Semir lebt. Er sah nach unten und erblickte wirklich seinen Partner, der sich an Hotte abstützte und ihm leicht entgegenwinkte. Zögerlich erwiderte Ben diese Geste. Ben sah, warum Semir nicht tot war. Diese dicken Baunetze schienen ihn aufgefangen zu haben. Der junge Hauptkommissar sah Karsten an und fing an zu grinsen. „Das ist heute dein Glückstag...Und weißt du was, du wirst jetzt auf den schnellsten Wege nach unten kommen.“, meinte Ben und hebelte Karsten dann über die Mauer. „AAAAAAAAAAAAAAAAHHHHHH...“, hörte er nur, bevor er selbst über die Brüstung sprang. Seine Jacke flatterte im Wind und die Haare nahmen torpedoförmige Ausmaße an. Plötzlich wurde er weich aufgefangen und wippte noch einige Male auf und ab, bevor er dann sah, dass auch Karsten weich in den Netzen gelandet war. Das Gesicht des Jungen war kreidebleich und wurde langsam grün. „So, das war dafür, dass du meinen Kollegen runtergeschmissen hast.“, knurrte Ben nur und ließ ihn dann von Dieter über die Leiter hinunter tragen. Danach stieg Ben selbst hinunter und ging sofort auf Semir zu.