„Ist es nicht normalerweise so, dass die Ordensbrüder besondere Namen tragen?“, wollte Semir wissen. „Nein, das war mal. Wir sind auch moderner geworden. Die Brüder tragen den Namen, den die Eltern vergeben haben. Vor einigen Jahren noch, war das anders. Da bekam jeder einen Namen aus der Bibel. Doch das ist jetzt lediglich den höheren Brüdern vorgesehen. Hier ist Gregor beheimatet, wenn Sie wollen.“, kam von Nikodemus. Semir nickte und öffnete die Tür. Sie war nicht verschlossen. „Ist es üblich, dass die Türen nicht abgeschlossen werden?“, wollte er sofort wissen. „Ja sicher… die Brüder haben keine Geheimnisse vor einander.“, nickte Nikodemus. „Aha…“, machte Semir und sah sich in der kleinen spärlich eingerichteten Kammer um. Auf dem Tisch lag ein Stück Papier. Semir zog sich Handschuhe über und nahm den Brief. „Meine lieben Brüder…. Ich habe gesündigt. Ich kann mit dieser Sünde nicht mehr leben und werde von daher selbst aus dem Leben scheiden. Alle meine Habseligkeiten werde ich mit mir nehmen. Zwei Menschen sind tot… ich will nicht an noch mehr Leid schuld sein…. Sucht nicht nach mir, denn ich werde mich vor dem jüngsten Gericht selbst stellen. Möge der Herr über mich richten.“, las er vor. Nikodemus sah ihn erschrocken an. „Freitod? Mein Gott… was hat er getan?“, fragte er völlig erstaunt. Semir antwortete zunächst nichts. Er sah sich um. Im Schrank hingen die Sachen von Gregor. „Womit war Gregor denn betraut? Hatte er besondere Aufgaben?“, wollte Semir wissen und sah sich im Schrank um. „Nun ja… er füllt die Weine ab, wenn wir unsere Weinprobe haben, wo viele Menschen aus Politik und der höheren Gesellschaft kommen. Aber bisher war er immer sehr korrekt und…“, kam völlig überrascht von Nikodemus. Semir nickte. „Ist das die Handschrift von Gregor?“, wollte er wissen und hielt den Brief dem Abt vor die Nase. Als dieser zugreifen wollte ermahnte er ihn den Brief nicht anzufassen. „Ja…. Das ist die Handschrift…“, nickte der Abt. „Gut…sagen Sie… wie viele Ordensbrüder haben Sie hier?“, harkte Semir nach. „Insgesamt 38 Brüder. Aber Sie denken doch nicht, dass noch mehr…ich meine, noch ist nicht sicher, dass Gregor wirklich tot ist. Ich meine, vielleicht ist es nur ein Irrtum…“, versuchte der Abt die Sache zu klären. „Ein Mensch ist tot und das ist kein Irrtum. Er ist vergiftet worden und es steht eindeutig fest, dass es wegen dem Wein war. Und genau das werde ich aufklären. Sagen Sie….Gregor spricht von zwei Menschen….aber es ist nur einer verstorben. Ich brauche eine Gästeliste der letzten Weinprobe!!“, forderte Semir den Abt auf.
Martin und Stefan gingen in den Raum wo Gregor in seinen Fesseln hing. Martin war mit dem Stößel beschäftigt und zerkleinerte die Blätter des blauen Eisenhuts. Gregor sah ihn misstrauisch an. „So mein lieber Gregor….du wirst nun deine letzte Mahlzeit bekommen…“, erklärte er. Gregor erkannte die Pflanze. „Nein… das ist Mord!! Das dürft ihr nicht tun….ich flehe euch an. Ich werde schweigen…ich lege mein Schweigegelübte ab…“, flehte Gregor. Doch Martin und Stefan waren dafür nicht zugänglich. „Tu es freiwillig schlucken. Es erspart dir die Schande vor dem Herrn…“, lachte Stefan. Martin hielt das kleine Schälchen mit den zerstampfen, zu Brei verarbeiteten Pflanzen hin. Gregor drehte sein Gesicht weg. Doch Martin und Stefan ließen nicht mit sich spielen. Während Stefan Gregors Mund zwangsweise öffnete stopfte Martin ihm das tödliche Kraut hinein. Anschließend wurde Gregor gezwungen Wein zu trinken. Er versuchte sich zu wehren, doch Martin war eisern. Er hielt Gregor die Nase zu. So musste er trinken. Er schluckte die tödliche Mischung runter. Nun dauerte es nicht mehr lange bis er spürte, wie das Kraut ihm die Magenwände zerriss und er einen grausamen extrem schmerzhaften Tod erleiden würde. Stefan und Martin sahen ihm dabei zu. „Ihr werdet eure Strafe bekommen…niemand tötet ohne Konsequenz…“, stieß Gregor aus. Schon bildete sich Schaum vor dem Mund. Krämpfe schüttelten den Körper. Blut mischte sich mit dem Schaum. Gregor riss die Augen weit auf. Das Ende schien nicht mehr lange auf sich zu warten. Martin sah auf die Uhr. Es vergingen fast zwei Stunden bis Gregor tot war. „Dieses Problem ist erledigt…“, gab er kalt von sich, während Stefan nur da stand und auf den toten Körper sah. „Wo willst du ihn entsorgen?“ fragte er. „Heute Nacht… wenn alle anderen Brüder schlafen, werden wir ihn die privaten Sachen anziehen und dann irgendwo auf der Autobahn rauswerfen. Sollen sich die Bullen doch einen Ast suchen…“, lachte Martin nur. Regungslos lag Gregor vor den beiden und sie sahen ihn nur an. „Los, bind ihn los und dann zieh ihm schon einmal die Kutte aus. Ich hol einige seiner Sachen.“, meinte Stefan und schickte Martin fort. Der späte Abend kam schnell. Stefan hatte den toten Gregor in eine Jeans und eine Trainingsjacke gepackt. Jetzt sahen sich beide vor, denn es war Sperrstunde und eigentlich müssten alle Brüder in ihren Zellen sein und schlafen. Nach dem Abendgebet und dem Abendessen durfte niemand mehr im Kloster umherwandern. „Man, der ist vielleicht schwer.“, stöhnte Stefan. „Hey, jetzt mach hier nicht schlapp. Der Wagen steht ja gleich da hinten und dann ist er weg.“, keuchte Martin und beide zogen den toten Körper zu dem kleinen Transporter, der in einer Halle, etwas abseits des Klosters stand. Schnell war Gregor verladen und schon ging die Fahrt los Richtung Autobahn.
Auf einem der vielen Autobahnraststätten hatte Günther Gruwe sein Nachtquartier aufgeschlagen. Schon seit vier Jahren tingelte er von einem Ort zum anderen und suchte sich ein ruhiges Plätzchen zum Schlafen. Dieses Mal zogen ihn die überdachten Bänke in der Nähe des Waldes an. Seitdem er vor fünf Jahren alles verloren hatte, ließ er sich einfach von der Zeit treiben und lebte von der Hand in den Mund. Sein ständiger Begleiter war ein zerzauster, ebenso grauer, wie liebevoller Schäferhund namens Bruno. Günther hatte ihn an einen der vielen Raststätten gefunden und mit ihm sein Wasser geteilt. Der arme Kerl wurde damals einfach ausgesetzt und seitdem wich er Günther nicht mehr von der Seite. „Na komm, alter Freund. Hier bleiben wir für die Nacht und dann hoffen wir, dass wir morgen mehr Glück haben.“, meinte Günther zu seinem Hund. Beide wollten nach Köln, doch bisher wollte sie keiner mitnehmen. Der Obdachlose ließ seinen Rucksack von den Schultern gleiten, packte eine Decke für sich und eine für Bruno aus und ließ sich dann auf die Bank nieder. Mit einem lauten Gähnen fielen beide sofort in einen tiefen Schlaf. Doch er währte nicht lange. Bruno wachte als erster auf und knurrte laut. Jetzt erhob sich auch Günthers Kopf und er sah, in die Richtung, wo auch der Hund seinen Kopf gewendet hatte. Der Mann konnte jedoch nur zwei vermummte Gestalten erkennen, die ein wenig komisch aussahen. Günther rieb sich die Augen... Trugen die beiden da gerade etwas? So schnell sie gekommen waren, so schnell waren sie auch wieder verschwunden. Langsam stand Günther von seiner Schlafstätte auf, Bruno tapste hinterher und gemeinsam näherten sie sich dem Ding, was die beiden dort am Waldrand abgelegt hatten. „Hallo? Alles mit ihnen in Ordnung?“, fragte er vorsichtig und stieß den leblosen Körper des Mannes, soviel konnte er erkennen an. Als dieser sich nicht regte, drehte er ihn auf den Rücken und sah dann den Schaum vor dessen Mund. Sofort wich er zurück, erschrak vor dem Anblick. Dieser Mann war tot. Schnell rannte Günther zur Notrufsäule und alarmierte die Polizei.
Semir saß mit seiner Aida auf der Couch und las seinem kleinen Sonnenschein eine Geschichte vor, als das Telefon neben ihm klingelte. „Ja Gerkhan?“, meldete er sich, doch in diesem Moment begann Aida zu quengeln und deutete immer wieder auf das Buch. Sie wollte wissen, wie es weiterging, wollte, dass ihr Papa Zeit für sie hatte. „Okay, gut ich komme sofort.“, meinte Semir ergeben und legte das Telefon wieder weg. „Papa bleiben...“, kam es von Aida. „Schätzchen, der Papa muss leider arbeiten.“, entschuldigte sich Semir und gab seine Tochter in die Hände von Andrea, die gerade aus der Küche kam. „Musst du weg?“ „Ja leider... Leichenfund auf einem Rastplatz... also muss ich wohl.“, meinte er mit trauriger Miene und rief noch im Gehen zu seinem Wagen Ben an. Dieser klang gerade sehr beschäftigt. „Semir, was ist denn? Sag mir nicht, dass irgendwas passiert ist?“, zischte Ben, doch Semir musste ihn leider enttäuschen. „Entschuldige, aber wir haben eine Leiche. Ich brauche dich…“, gab er durch. „Ich wusste es… immer dann wenn ich was vorhabe. Gibt es keine Freizeit für Bullen bei der Autobahn…“, stöhnte Ben. „Ich bin in fünf Minuten bei dir.“, meinte Semir nur und beendete das Gespräch. „Semir….pass auf dich auf…“, kam von Andrea. Semir gab ihr schnell noch einen Kuss und verschwand. Nur wenig später war er mit Ben unterwegs.