Wusste ich doch, dass Anna nochmal auftauchen wird Deutlicher konnte man das mit "Ich werde sie im Auge behalten, Semir." auch nicht machen...
Beiträge von Campino
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Krankenhaus - 6:30 Uhr
Es war diesmal nicht Bens Wecker, der ihn aufweckte sondern das Klingeln seines Handys. Auch das war nichts ungewöhnliches, oft genug dass er von seinem besten Freund Semir mitten in der Nacht geweckt und angerufen wurde, wenn der mal wieder irgendwo in der Klemme steckte, in einem Fall eine heiße Spur hatte oder ein wichtiger Einsatz anstand. Grummelnd drehte sich der Polizist um in Richtung des Nachtisches und nahm sein Handy zur Hand, das erbarmungslos Krach machte. Der Name auf dem Display beunruhigte ihn. "Carina... was ist passiert?", fragte er und war sofort hellwach. Er hörte nur das zaghafte Schniefen der jungen Frau. "Kannst du... kannst du mich vielleicht abholen kommen?" Ben sagte sofort zu, ohne zu fragen was passiert war... aber eigentlich hätte er es sich denken können.
Der Polizist sprang, nur in Shorts bekleidet, aus dem Bett und lief ins Bad, wo er sich schnell wusch, die Zähne putzte und die wild abstehenden langen Haare halbwegs in eine Form brachte. Dann schlüpfte er in Klamotten, schnappte den Autoschlüssel und seine dicke Winterjacke vom Haken und lief die Treppen im Flur herunter zur Tiefgarage seiner teuren Wohnung, wo er schon Monatelang allein lebte. Die Tiefgarage empfing ihn mit flackerndem Licht und unangenehmer feuchter Kälte, die draussen in trockene eisige Kälte umschlagen sollte, wenn er am Krankenhaus ausstieg.Der Polizist nahm den gleichen Weg wie am Vorabend, zeigte an der Pforte noch seinen Dienstausweis und meinte, dass er dienstlich hier sei und angerufen wurde, da noch keine Besuchszeit war und vor allem die Intensivstation für Nichtangehörige tabu war. Aber noch vor der kritischen Tür saß Carina zusammengesunken auf einem Stuhl, die Augen gerötet und die Haare strähnig. Man sah ihr sofort an, dass sie heute Nacht kaum, wenn überhaupt geschlafen hatte. Sie blickte auf zu Ben, als dieser den Flur entlang kam und abbremste, denn die junge Frau stand auf und kam ihm sofort entgegen, um ihm um den Hals zu fallen. Genauso wie sie sich gestern verabschiedet hatten, standen sie jetzt da... nur dass aus Carina keine Dankbarkeit strömte, sondern bittere Tränen der Trauer.
"Sie ist ganz ruhig eingeschlafen.", sagte die junge Frau leise, als sie sich nach ein paar Minuten beruhigt hatte, und Ben ihr tröstend mit der Hand über den schlanken Rücken streichelte. "Aber... aber ich glaube sie hat gemerkt, dass ich bei ihr war. Sie hat meine Hand gehalten und... und immer wieder gedrückt." Der Polizist spürte, so makaber es auch klang, dass sich in Carina neben ihr großen Trauer um ihre Mutter, auch ein wenig Erleichterung breit machte. Die Vorstellung, ihre demenzkranke Mutter nun auch noch mit einer schweren Herzkrankheit belastet zu sehen, hatte der Frau ebenfalls heute Nacht den Schlaf geraubt.Trotzdem überwog die bleischwere Trauer, die Mutter zu verlieren so kurz nachdem der andere Halt in ihrem Leben durch den Tod ihres Bruders weggebrochen war. Sie fühlte sich jetzt schwach und leer, nachdem sie heute Nacht so stark war, und der Halt für ihre todkranke Mutter war, sie begleitete bis zum Schluß. Darauf war sie stolz und auch froh, dass sie ihrer Mutter zumindest diese Angst, allein zu sterben, nehmen konnte. Carina war da, Carina war bei ihr und sie musste nicht alleine den letzten Weg gehen. Ben brauchte ihr das auch nicht zu erklären und spendete nur stummen Trost in Form dessen, dass er sie im Arm hielt und das half der jungen Frau ungemein. Sie schauderte es sich vorzustellen, jetzt alleine zu sein, zurück in die Wohnung zu müssen.
"Wenn du willst, kannst du zu mir kommen und schlafen... du bist doch bestimmt müde.", bot er ihr dann auch an, den er konnte sich vorstellen, dass die junge Frau jetzt alles wollte, aber nicht alleine sein. Sie nickte dankbar in seinen Armen und presste die Lippen ein wenig aufeinander. Dann erst löste sie sich aus seinen starken Armen und die beiden sahen sich für einen Moment nochmal an, Carinas Augen voll Dankbarkeit und Trauer, eine seltsame Mischung, fand der Polizist.Zum Glück hatte er ausnahmsweise mal aufgeräumt, weil er in den letzten Tagen nicht alzu viel zu Hause war... nur zum Schlafen und Essen. So musste er kein dreckiges Geschirr oder liegengelassene Pizzaschachteln rechtfertigen, als er Carina von der Tiefgarage durch den Aufzug nach oben in seine Wohnung führte. Die junge Frau war sehr still im Wagen, hatte nur noch gesagt dass es wohl so gegen 5 Uhr sein musste, als das Herz ihrer Mutter aufhörte zu schlagen und sie danach noch ein Gespräch mit einem Arzt hatte. Der hatte ihr auch geraden, einen Angehörigen anzurufen, der sie abholen sollte, alle weiteren Formalitäten würde man am Mittag regeln, sie solle sich jetzt erst einmal ausruhen und nach Möglichkeit nicht alleine sein.
Ben wählte von unterwegs noch die Nummer seines Partners, es war mittlerweile halb 8 und er erwischte Semir gerade mitten in den Morgenvorbereitungen für seine Familie. Es schien, als hätte er in einer Hand die Frühstücksdose für Lilly, in der anderen Hand den Rucksack von Ayla und das Handy noch gerade so zwischen Ohr und Schulter eingeklemmt, den er klang ein wenig gestresst. "Hi, ich bins. Sag der Chefin mal, dass ich heute frei mache... oder, wenn sie schlecht gelaunt ist, sag ihr ich bin krank." "Ist was mit Carinas Mutter?", fragte Semir sofort, den Ben klang etwas ernst. "Ja... ich meld mich später nochmal bei dir." "Alles klar, Ben. Ich regel das." Ein Partner, der einem den Rücken frei hielt, war Gold wert, dachte der junge Polizist als er im Hintergrund Ayda und Lilly plappern hörte.Etwas schüchtern trat die junge Frau in die große und gut ausgestattete moderne Wohnung des Polizisten. Sie wunderte sich über den Lebensstandard, denn sie wusste dass Polizisten nicht unbedingt ein Vermögen verdienten, auch wenn sie Kommissar waren. Und Ben war ja noch recht jung. Sie wusste natürlich nicht, dass Ben der Sohn eines millionenschweren Unternehmers war, und eigentlich auf seinen Job gar nicht angewiesen, doch für Ben war Polizeiarbeit so etwas wie eine Leidenschaft. Ausserdem könnte er, nach Jahren der Zusammenarbeit mit Semir, den kleinen Polizisten niemals im Stich lassen, um stattdessen nur hin und wieder für seinen Vater zu arbeiten und dann später das Unternehmen zu übernehmen. Nein... dafür war Zeit. Er würde seinen Partner weiter begleiten, er war ein gutes Stück jünger als Semir und wenn der einmal den Job an den Nagel hing, könnte er immer noch entscheiden, ob er dann die Firma übernahm.
Carina sagte aber nichts, dass sie überrascht war, hatte aber trotzdem ein Kompliment: "Du hast eine tolle Wohnung." Bens Antwort fiel vielsagender aus, als er eigentlich wollte: "Danke... sie ist aber eigentlich zu groß für mich alleine." "Du wohnst also alleine?" Jetzt erst spürte Ben, dass seine Antwort beinahe schon ein Wink mit dem Zaunpfahl war, und drehte sich von der jungen Frau weg. "Ja... willst du etwas trinken? Oder willst du ein wenig schlafen... das Schlafzimmer ist..." "Ach komm... ich schlaf hier auf der Couch, mach dir keine Arbeit.", sagte die junge Frau mit leiser Stimme, und schaffte sogar ein kleines Lächeln.Ben eilte in sein Schlafzimmer und kam mit Wolldecken und einem bequemen Kissen zurück, um Carina ein gemütliches kuscheliges Nest auf der Couch zu bereiten. Ihre Lider fühlten sich bleischwer an, und die Aussicht ein wenig im Reich der Träume zu versinken um diese schlimme Nacht zumindest ein wenig zu vergessen, war verlockend. Sie zog sich die Schuhe vor der Couch aus und schlüpfte müde unter die Decken, die sie sofort wärmten. "Bleibst du bei mir?", fragte sie schon ein wenig schläfrig, und er nickte. "Ja, natürlich. Ich bin höchstens mal nebenan im Büro, falls du wach werden solltest und ich nicht hier bin.", sagte er mit einer Stimme, die in Carina sofort Vertrauen auslöste.
Die junge Frau seufzte ein wenig und meinte noch: "Meine Mutter war eine sehr fröhliche Frau... das hatte man gar nicht mehr so gemerkt, seit sie krank war." Dann lächelte sie Ben an: "Du hättest ihr bestimmt gefallen." Auch der Polizist lächelte und deckte die junge Frau noch etwas mehr zu, die langsam im Schlaf versank. Ben ging vor der Couch in die Hocke und strich Carina gedankenverloren durchs Haar, während er ihr hübsches Gesicht betrachtete... -
und die Mädchen sind anscheinend auch wieder von Oma und Opa zurück.
Aaaaaah, SHIT!
*unauffällig Kapitel 82 abänder und La Paloma pfeif*
Andrea wollte was Leckeres kochen und die Kinder würden sich auch freuen.
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Hause Gerkhan - 19:30 Uhr
Ben fuhr durch die gut beleuchtete Wohnsiedlung, und jedes Mal wenn sein Dienstwagen unter einer Straßenlaterne durch fuhr, wurde das Innere seines Autos kurz erleuchtet. Er war hier beinahe schon zu Hause, so oft wie er bei Semir und Andrea eingekehrt war. Zum Sonntagsbrunch, zum Babysitting oder um Semir abzuholen, wenn mal wieder dessen Dienstwagen in der Reparatur war. Er war einfach ein Teil der Familie, und es war beinahe schon Tradition, dass Andrea für die beiden Männer kochte, wenn sie einen Fall erfolgreich abgeschlossen hatten, so wie heute. Doch diesmal war Ben nicht in Feierlaune... aber alleine zu Hause rumsitzen war jetzt auch das Falsche. Er war noch schnell duschen, sich saubere (unblutige) Klamotten anziehen und hatte seine kleine Verletzung am Arm nochmal unter einem Verband versteckt.
Eine Viertelstunde später, als er sich angekündigt hatte, klingelte er an Semirs Tür, der auch wenige Sekunden später lächelnd öffnete. "Auf die Minute zu spät, wie immer." Genau aus diesem Grund hatte Ben die Einladung heute nicht abgelehnt... es hatte nur Sekunden gedauert, und er musste ob Semirs saloppen Spruches grinsen und die beiden umarmten sich kurz, bevor Ben eintrat. Drinnen liefen sofort Ayda und Lilly auf ihren Lieblingsonkel zu und fielen dem großen Polizisten ebenfalls um den Hals. "Na, ihr Mäuse? Vorsicht, Onkel Ben ist ein wenig lädiert.", meinte er zu den beiden Mädchen und begrüßte danach auch Andrea."Setz dich... willst du etwas trinken? Bierchen?" Ben nickte, als er sich an den gedeckten Tisch setzte. "Eins kann nicht schaden." Der kleine erfahrene Polizist verschwand kurz in der Küche und nahm zwei Flaschen aus dem Kühlschrank, während Andrea den Nudelauflauf aus dem Backofen holte. Die beiden Kinder hatten sich auch schon an den Tisch gesetzt. "Gibts was Neues von Carinas Mutter?", fragte er, als er zurückkam, sich setzte und seinem Partner zu prostete. "Nein. Carina würde bei ihr bleiben und sie hat sich bei uns bedankt für alles. Also, Carina hat sich bedankt, nicht ihre Mutter." Semir nickte. "Ich kann ihr Verhalten nachvollziehen. Dass sie alles getan hat, um an das Geld zu kommen, für ihre Mutter und dass der Tod ihres Bruders nicht umsonst war."
Ben nahm einen Schluck aus seiner Flasche und war froh, dass Semir Verständnis für Carina aufbrachte, nachdem er von ihrer Unschuld die ganze Zeit nicht unbedingt überzeugt war... eigentlich auch zurecht. Aber die Gründe für das Verbrechen, das Carina mit ihrem Bruder und später ohne ihn weiterführte, waren für die beiden Polizisten menschlich verständlich. "Ich denke, wir schaffen es, sie da mit einem blauen Augen raus zu boxen bei der Staatsanwaltschaft. Sprechen wir morgen mit der Engelhardt drüber.", sagte der erfahrene Polizist.Andrea brachte das dampfende Essen, und die fünfköpfige Familie lud sich die Teller voll. Bens Hunger kam dann doch beim Essen, denn Semirs Frau kochte vorzüglich und der Nudelauflauf mit Rinderhackfleisch, Zuccini und Paprika war sehr lecker. Allerdings stieg er dann während des Essens von Bier auf Cola um, denn er musste natürlich noch nach Hause fahren. Andrea wurde von allen Seiten für das Essen gelobt und freute sich, dass es ihrer Familie geschmeckt hatte, während ihre Töchter halfen, das Geschirr abzuräumen und die beiden Männer alleine ließen.
Man merkte Semir an, dass die Frage, die er nun stellte, beinahe etwas widerwillig über die Lippen kam. "Hat... Kevin sich nochmal bei dir gemeldet heute?" Bens Mundwinkel hoben sich ein wenig, denn er spürte sofort das Interesse seines Partners an dem gemeinsamen Freund, dass zuletzt aufgrund der Umstände erloschen schien. "Was gibts denn da zu grinsen?" "Du machst dir also doch Sorgen?", fragte der große Polizist und zog sein Handy aus der Hosentasche. Semir seufzte ein wenig genervt: "Ja, mein Gott... ich mach mir Sorgen. Mann Ben, versteh mich doch. Ich kann das einfach nicht so leicht vergessen, was passiert ist. Wäre das ein normaler Einsatz damals gewesen, wo sich diese Annie einfach stur gestellt hätte, der er jetzt hilft, hätte ich gesagt... Von mir aus." Der Polizist gestikulierte dabei mit den Händen, wie er es manchmal tat. "Aber das war kein normaler Einsatz... das weißt du genau."Beinahe beiläufig strich er dabei über das Pflaster, das morgen früh endlich Geschichte war. "Natürlich weiß ich das, Semir. Und wenn ich dich nicht verstehen würde, hätte ich Kevin doch auf der Dienststelle nicht zur Sau gemacht. Ich bin auch nicht einverstanden mit dem, was er getan hat. Ich weiß aber auch, warum er es getan hat." Semir nickte: "Ich weiß... wegen seiner Schwester, wegen diesem Trauma." Sein Blick war ein wenig traurig, und er sah mit hochgezogener Augenbraue in Richtung seines Partners. "Kevin sollte viel eher mal zum Psychologen als ich, was?" "Das kannst du laut sagen.", stimmte Ben ihm zu. Dann zeigte er Semir die letzten Nachrichten von Kevin, die von heute morgen war.
Für einen Moment schwiegen die beiden Männer, Andrea brachte die Kinder zu Bett und saß sich dann ebenfalls noch an den Tisch um sich ein Glas Wein auszuschenken. Ben hatte die Hände auf dem Tisch zusammengefaltet und sah die beiden abwechselnd an. "Was... was wird passieren, wenn Kevin zurückkehrt?", fragte er vorsichtig, denn er war sich immer noch nicht sicher, trotz den eher versöhnlichen Worten von Semir, ob der nochmal mit Kevin zusammenarbeiten würde... und Andrea hatte ja auch recht ablehnend auf den jungen Polizisten reagiert, als sie erfuhr, was passierte.Semir blickte kurz zu seiner Frau, die nickte. Als hätten die beiden schon drüber gesprochen ergriff der erfahrene Kommissar wieder das Wort: "Kevin gehört zur Familie. Vielleicht muss man ihm das immer und immer wieder zeigen, bis er es begreift. Auch wenn das Vertrauensverhältnis schon ein wenig... angeknackst ist... mal wieder." Bens Herz hüpfte, auch wenn es durch den zweiten Satz sich wieder ein wenig zusammenzog. Aber konnte man es seinem besten Freund und dessen Frau wirklich verübeln, dass nicht sofort wieder alles eitel Sonnenschein war? Nein, konnte man nicht. Und bezogen darauf, dass Ben befürchtete, Semir würde der Chefin nahe legen nicht weiter mit Kevin zusammen zu arbeiten, war diese Aussage doch mehr positiv als negativ.
"Ausserdem wollen wir auch das Beste für das Kind. Damit es in guten Verhältnissen aufwächst braucht es Kevin... und zwar den Kevin, der er bis zu dem Fall mit Annie war und nicht der Kevin, der er war als er hierher kam.", sagte Andrea und meinte damit den Kevin, getrieben vom Hass und drogenabhängig. Auch da nickte Semir zustimmend: "Jenny braucht Kevin. Und Kevin braucht uns. Wir lassen ihn nicht hängen." Ben war beinahe ergriffen, dass Semir und Andrea über ihren Schatten sprangen und die Freundschaft zu Kevin stärker als Semirs Trauma. Es wäre für ihn unerträglich gewesen, zwischen den Stühlen zu sitzen denn er konnte den jungen Polizisten, der gerade in Kolumbien war, verdammt gut leiden.Eine Stunde später verabschiedete Ben sich müde von Andrea, und Semir brachte seinen besten Freund zur Haustür. Die beiden Männer umarmten sich und Ben meinte, wie schön es wäre, dass Semir wieder der Alte wäre. Morgen würde das Kapitel Sturmfront mit dem Entfernen der hässlichen Narbe entgültig abgeschlossen werden. Das Handy des Polizisten brummte. "Hey, schau mal." sagte er und zeigte Semir die Nachricht. Darin schrieb Jenny, dass sie heute mit Kevin telefoniert habe, dass er Annie gefunden hatte und morgen wohl wieder zurückkommen würde. Semir versuchte den Teil mit Annie auszublenden, und war froh, dass es Kevin gut ging, und er scheinbar auf dem Weg zurück nach Deutschland war.
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Ich fand das sehr gut, dass man die Rettung nicht gezeigt hat. Nichts wäre unrealistischer und klischeehafter gewesen, als wenn Semir plötzlich die Augen aufgeschlagen hätte und wieder lebendig gewesen wäre. Das fand ich damals bei Bonrath schon ganz schlimm...
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Ich muss dich enttäuschen...
Kevin hatte auf der Brücke gerade die zweite Säule, die auf dem Absatz aus Stein gefertigt waren, erreicht, als Santos und seine Männer das Feuer wieder eröffneten. Im letzten Moment verkroch er sich dahinter, kniete auf dem Absatz der Brücke hinter dem Pfeiler. Neben ihm sah er in die Tiefe, sah tosendes Wasser, Felsbrocken die aus dem Wasser ragten und Stromschnellen. Juan hatte mit der Beschreibung des Flusses nicht übertrieben
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Flughafen - 13:30 Uhr
Juan und Annie hatten den kompletten Weg zum Flughafen kein Wort miteinander gesprochen. Sie wurden weder aufgehalten, noch verfolgt und niemand schien sich für den staubig-schmutzigen Jeep zu interessieren. Als der Kolumbianer den Wagen auf dem großen Flughafen-Parkplatz stoppte, blieb er stumm und bewegungslos am Lenkrad sitzen. Er konnte sich diese emotionale Leere in sich drin einfach nicht erklären. Vor zwei Tagen, als er den unbekannten jungen Mann hier vom Flughafen abholte, witterte er ein schnelles Geschäft. 50 000 Dollar für das Hineinbringen ins Ghetto, und vielleicht ein bisschen Umhören nach dem Verbleib des rothaarigen Mädchens. Was dann mit dem Kerl passierte... wen interessierts? Hauptsache, er hatte die Kohle.
Jetzt stand er hier am Flughafen, den begehrten Schlüssel für die zweiten 25 000 in der Hosentasche... und er fühlte sich beschissen. Es fühlte sich genauso beschissen an, wenn er einen seiner Männer verlor. Nein, eigentlich fühlte es sich noch beschissener an. Denn Kevin starb nicht, weil er geldgierig war und das bewusste Risiko eines Verbrechens einging, sondern er starb, weil er einer Freundin helfen wollte, getrieben von einem Dämon, den er nicht kontrollieren konnte. Das machte Juan innerlich fertig.Wie in Zeitlupe drehte er sich zu Annie nach hinten um, und sah die junge Frau auf der Rückbank sitzen, wie ein Mädchen, das vor irgendetwas Angst hatte. Zusammengekrümmt, die Beine an den Leib gezogen und die Knie dabei mit den Armen umfasst. Als wolle sie sich unsichtbar machen, verstecken vor der gefährlichen Welt da draussen. Sie empfand unendliche Trauer und Schuldgefühle. Sie war wegen seiner Abweisung hierher geflohen, sie hatte sich selbst ins Unglück gestürzt... und der Mann, den sie innerlich noch liebte, musste dafür bezahlen. Unaufhörlich und tonlos liefen die Tränen aus ihren feuchten Augen, über ihre Wangen nach unten. "Wir müssen zurück... wir müssen zurück.", flüsterte sie immer wieder leise. "Vielleicht hat er überlebt..."
Juan war kein Psychologe, er wusste nicht wie er der verzweifelten Frau gut zu reden sollte. Der Mann stieg aus dem Jeep aus und öffnete langsam die hintere Tür. "Komm Annie... wir machen jetzt einfach das, was Kevin wollte, okay?" Annie schüttelte den Kopf, ohne Juan anzusehen. "Vielleicht lebt er noch..." Der Mann schloß die Augen für einen Moment und seufzte. "Annie... diesen Sturz kann er nicht überlebt haben.", sagte er mit vorsichtig geduldiger Stimme, aber grausamer Ehrlichkeit. "Wenn wir zurück fahren, ist es unser sicherer Tod. Willst du, dass Kevin sein Leben umsonst geopfert hat?" Wieder ein stummes Kopfschütteln. "Na also. Jetzt komm raus, ja?" Sanft griff der Kolumbianer Annies Hand und half ihr mit zittrigen Beinen auszusteigen.Annie hatte natürlich kein Gepäck mehr, das wurde ihr in Bogota, als sie in das Ghetto gebracht wurden, abgenommen. Die beiden sahen im Flughafengebäude eigenartig aus, der südländisch wirkende Juan mit seinen etwas längeren Haaren, und etwas abwesend wirkenden Blick, mit der völlig aufgelösten Annie. Der Kolumbianer hatte etwas fürsorglich die Hand um ihre Schulter gelegt, schaute links und rechts, ob er nicht doch irgendwo Männer von Santos entdecken konnte. Doch er behielt recht... am Flughafen würde der Kartellchef keine große Schiesserei riskieren. Auch wenn die korrupten Politiker ihm unter die Arme griffen, eine Schießerei an einem großen Flughafen in Bogota würde über Kolumbien hinaus Schlagzeilen machen, und den Tourismus, der sich gerade etablierte, zum Erliegen bringen.
Erst beim dritten Versuch schaffte es der Drogenboss, das Schloß des Schließfaches mit dem kleinen Schlüssel auf zu bekommen. Die Schlösser am Flughafen waren bereits betagt, allerdings stellte er fest, dass seine Hände leicht zittrig waren. Er sah im dunklen Inneren eine ähnliche Tasche wie die, die Kevin ihm vor zwei Tagen gegeben hatte, und auch ein kurzer Blick hinein verriet ihm, dass der junge Polizist nicht gelogen hatte, sondern sein Wort gehalten hatte. Er hängte sich die Tasche über die Schulter.Als sie sich dem Check-In-Schalter näherten, klingelte Juans Telefon. "Juan? Hier ist Rico..." Rico war einer von Juans engsten Vertrauten, und jeder im Viertel wusste das... auch Santos. "Was gibts?", fragte Juan auf Spanisch. "Was, verdammte Scheisse, ist da im Dschungel passiert, Mann?" "Das erkläre ich dir später, warum fragst du? Woher..." "Mann! Santos war gerade bei uns im Viertel." Der Drogenboss schluckte am Handy... Santos schien ihn doch erkannt zu haben. "Er hat ziemlich deutlich gemacht, dass er keinerlei Interesse an unserem Kartell hat. Aber er hat auch gemeint...", Ricos Stimme stockte kurz. "Was? Was hat er gemeint?" "Er hat ein Kopfgeld auf dich ausgesetzt. Verdammte 150 000 US-Dollar für den, der dir eine Kugel in den Kopf jagt. Wenn sich keiner findet, würde er es selbst tun."
Der Kolumbianer blieb mit dem Handy am Ohr mitten in der Empfangshalle des Flughafens auf halbem Weg zwischen Schließfächer und Check-In-Schalter stehen. "Juan? Was sollen wir tun? Wir können keinen Krieg mit Santos riskieren, aber die Männer wollen sich das nicht gefallen lassen.", sagte die rechte Hand mit erregter Stimme. "Gar nichts tut ihr. So lange er die Finger von unseren Geschäften lässt, ändert sich für uns nichts.", sagte Juan mit ruhiger Stimme, was seinen Freund am anderen Ende der Leitung beruhigte."Und was tust du? Was ist mit dir?" "Ich tauche für eine kutze Zeit ab, bis Santos sich wieder beruhigt hat.", er zog dabei Annie kurz am Ärmel, die völlig deillusioniert neben ihm herging. Sie steuerten den Ticketschalter an. "Und wohin?", fragte Rico. "Besser für dich, wenn du das nicht weißt. Ich meld mich bei dir. Du und Taco habt die Sachen jetzt in der Hand." Er konnte Ricos Stolz in der Stimme hören. "Alles klar, du kannst dich auf uns verlassen." Danach beendeten sie das Gespräch und Juan kaufte am Schalter ein zweites Ticket nach Frankfurt.
Nachdem sie die Kontrollen durchlaufen hatten, und Juan dem Mann am Sicherheitscheck einige Scheine zugestochen hatte, damit der ihn nicht auf das Geld in der Tasche ansprach, saß das ungleiche Pärchen in der Wartehalle. Annies Blick war leer, sie sprach nichts und sie kam Juan vor, wie ein kaputtes Spielzeug, eine leblose Hülle. Annie stand immer noch unter Schock und unter dem Eindruck der schlimmen Vorkommnisse, die sie eben mitansehen musste. "Seit wann wusste er, dass er Vater werden würde?", fragte der Kolumbianer dann irgendwann. Es dauerte ein wenig, bis ANnie antwortete und der Mann neben ihr hatte das Gefühl, sie hätte die Frage gar nicht gehört... oder wollte sie nicht hören. "Ich... ich weiß es nicht."Juan wollte die junge Frau, die wie ein Häufchen Elend auf den unbequemen alten Plastikstühlen saß, nicht ausquetschen. Aber trotzdem wollte er reden, sonst wäre er neben Annie wahnsinnig geworden. "Er hat mir gestern abend noch gesagt, dass er in Deutschland alles aufgegeben hätte, um dich zu retten. Und dass es ihm egal zu sein schien, ob er dabei umkommt." Der Kolumbianer zuckte dabei mit den Schultern. "Warum hat er mir nicht gesagt, dass er Vater wird?" Die rothaarige Frau schluchzte auf, und wieder bahnten sich Tränen in ihre Augen. Sie dachte daran, vor Jenny zu stehen... die Frau, die Kevins Kind im Bauch trug, und sie ihr sagen müsse, dass der Vater des Kindes, ihr Freund, tot sei.
"Er hat sich so auf das Kind gefreut. Er hat gehofft...", sagte sie mit schluchzender Stimme "... dass ein Kind sein Leben wieder in die Reihe bringen würde." Mit dem Handrücken wischte sie sich die Tränen aus dem Auge und Juan neben ihr konnte nicht anders, als ihr sanft einen Arm um die Schulter zu legen. Er hätte sich verfluchen können, den jungen Polizisten nicht davon abgehalten zu haben, sich aufzuteilen und somit ins Verderben zu stürzen. "Und dass er ein besserer Vater werden wollte, als sein eigener war. Und jetzt... jetzt wächst das Kind auch ohne Vater auf. Wie Kevin selbst." Als Annie den Satz beendet hatte, konnte sie ihre Emotionen nicht mehr halten. Sie brach wieder in einen Weinkrampf aus, der sie erzittern ließ, während Juan versuchte, das Mädchen zu trösten... -
Bin bis jetzt nicht begeistert, aber auch nicht negativ überrascht.
Man hat wieder ein paar weniger verständliche Dinge eingebaut, wie die Frau, die nur Augen für Paul hat, bei der Verfolgungsjagd, sehr viel MG-Geballer usw. Auch das Thema bzw der Hauptfall ist wieder ziemlich übertrieben, hoffe dass das ausschließlich für den Pilotfilm ist.
Die Einführung von Paul, bzw die gab es ja eigentlich nicht, und war damit was Neues. Das Kennenlernen wurde quasi völlig im Dunkeln gelassen, und die anfänglichen Reibereien, wie es sie bei jedem Partner seit Jan gab, wurden weggelassen. Paul selbst erscheint mir bis jetzt noch etwas farblos, und ist scheinbar in der Rolle momentan wirklich ein wenig auf "Ben-Nachfolger" ausgelegt, ohne dessen Coolness aus dessen erster Staffel zu erreichen, genauso wenig wie die Faszination eines geheimnisvollen Charakters wie Alex. Aber mal abwarten. Auch unverständlich, dass Paul bereits nach nur einer Woche schon so sehr vertraut war, vor allem mit Semirs Familie... das fand ich zu schnell und zu unrealistisch, da hätte man sich noch ein paar Folgen Zeit lassen können.
Was mir sehr gut gefallen hat, war der Auftritt von Anna Engelhardt. War (wie von mir vor Monaten vermutet) hauptverantwortlich für Pauls Engagement, und endlich hat man mal gehört, was sie so treibt. Ihr Spruch, dass sie Semir im Auge behält, lässt mich vermuten, dass wir sie noch öfters sehen. Lachen musste ich bei ihrem Geschenk, schlucken als Semir an all seine verstorbenen und weggegangenen Partner dachte.
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Nein, der Titel war auf etwas anderes gemünzt.
Gestern hab ich aber die Story zur neuen Folge "Kriegsbeute" gelesen, und diese Idee dann wieder verworfen, weil sie zu ähnlich ist.
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Welche? Ich seh da nur zwei Absätze. Wörter ausschliesslich in Großbuchstaben kann mein Hirn nicht erfassen
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*Augen schliess*
123
Okö
*Kapitel schreib*
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Pff, ich glaube Juan nicht. Der will nur, dass wir das denken. Außerdem hätte Kevin dann doch einen weit aus dramatischeren Mord verdient ... dann wäre ich nicht zufrieden. Da muss Blut fließen, wundervolle Schlussworte gestammelt werden!
Uaah, ich bin da jetzt mal gnadenlos ehrlich... so eine Art "Abgang" passt nicht zu jedem Charakter.
Das hat man bei Cobra richtig gut gesehen, bei Andrés erstem Abgang und Toms Tod. Zu Tom hat sowas gepasst, in Semirs Armen liegend nochmal ein paar herzzereissende Worte an ihn zu richten. Zu dem knallharten André, der zu Semir auch immer ein wenig distanzierter war als Tom (was vermutlich auch der Entwicklung der Serie geschuldet war) hätte solch ein Tod überhaupt nicht gepasst. Da war das, als einsamer Held alleine im Zweikampf gegen Carlos ohne lange Abschiedsszene zu sterben, sehr viel passender.
Und so sehe ich das auch bei Kevin....
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Der Kolumbianer Juan kennt die Brücke allerdings, und hat in einem Kapitel vorher ein eindeutiges Urteil über sie gefällt... nur mal so
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Der Begriff "stehende Reifen" kenne ich aus dem Motorsport, da wird der verwendet wenn ein Fahrer beim Bremsen "einen Reifen stehen lässt", also quasi eine Art Vollbremsung macht und dabei rutscht, und sich einer oder mehrere Reifen nicht weiterdrehen
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Dschungel - 12:45 Uhr
Juan lief der Schweiß aus den zurückgebundenen Haaren über die Stirn, während er den Jeep im halbwegs sicheren Tempo die Straße entlang lenkte. Sein Herz klopfte gegen die Brust und er fühlte sich ganz und gar unwohl darin, sich von Kevin getrennt zu haben. Rechts türmten sich hohe Berge auf, die fast bis zur Kuppe grün überwuchert waren, während links das Tal abfiel. Doch gegenüber Juans leichter Nervosität war Annie ein reines Nervenbündel. Sie zitterte schon wieder, als sei sie auf Entzug, doch diesmal rührte das Zittern von der Angst um Kevin, Panik nicht zu wissen, was mit ihm geschah und die nagende Ungewissheit. Nur hin und wieder, als lauere draussen eine unsichtbare Gefahr, riskierte sie einen Blick aus dem Seitenfenster... und erstarrte.
"Oh Gott... Da unten!", schrie sie auf einmal, als die Lage der Straße ihr den Blick auf die Brücke freigab, über die Kevin eigentlich Santos abhängen wollte. Juan trat sofort mit aller Macht aufs Bremspedal und mit stehenden Reifen kam der Jeep schließlich zum Stillstand, woraufhin der Kolumbianer ebenfalls aus dem Seitenfenster nach schräg hinten heraus sah und auf die Brücke blickte. Er und Annie betrachteten hilflos, wie Kevin am Rand der Brücke stand, und Santos dicht vor ihm, die Arme auf ihn gerichtet. Die Waffe konnten sie aus der Entfernung nicht erkennen und auch keinen Gesichtsausdruck, anhand der Kleidung konnten sie Kevin aber identifizieren."Wir müssen etwas tun! Wir müssen zurückfahren!!", schrie die junge Frau beinahe hysterisch in Juans Richtung, der wie angewurzelt da stand. Er erwischte sich bei dem Gedanken, Annie zu packen und ins Auto zu zerren, damit sie nicht mitansehen musste, was dort unten gleich passierte, ebenfalls berechnete er die Zeit, die er zum Zurückfahren bräuchte... er würde in jedem Fall zu spät kommen. Ausserdem wäre dann alles verloren, und er hatte dem jungen Polizisten doch versprochen, Annie zum Flughafen zu bringen. In Juans Innerem hörte er auf einmal Kevins Stimme und einen Satz, der deutlich machte, warum er sein Leben für das rothaarige Mädchen riskierte: "Es ist einzig der Dämon in meinem Kopf, der mich zwingt das hier zu tun. Der mich zwingt, Annie hier nicht zurück zu lassen. Ich kann nicht aufgeben. Eher jage ich mir eine Kugel in den Kopf. Ich habe nichts mehr, wofür ich nach Deutschland zurückkehren müsste..." Er wollte, dass Annie in Sicherheit kam... und nicht, dass er gerettet wird.
"Wir müssen weiter Annie... wir können ihm nicht mehr helfen.", sagte der Kolumbianer gehetzt und griff Annie am Arm, um sie zum Auto zu zerren. "NEIN! Wir können ihn nicht sterben lassen!!", schrie sie mit Tränen erstickter Stimme, und ihre Gedanken kreisten um seine Erzählung, dass er Vater werde. "Hör zu, er hat gesagt, dass das Wichtigste ist, dich zu retten! Egal, was mit ihm passiert.", sagte Juan und packte Annie, die wild den Kopf schüttelte. "Nein, das kann nicht sein! Er wird Vater!! Er muss mit zurückkommen."Der Kolumbianer sah die rothaarige Frau entgeistert an... er wird Vater? Warum hatte er das nicht gesagt? Warum sagte er, dass es nichts mehr gab, wofür er zurückkehren musste. Plötzlich fiel ihm die Veränderung des Mannes von gestern abend zu heute morgen ein... diese Unsicherheit, diese vorsichtige Distanziertheit, die Skepsis über ihr Vorgehen. "Es hat sich... alles ein wenig verändert.", hatte er zu Juan gesagt. "Scheisse...", flüsterte der Drogenboss und ließ Annie los. Es gab nur eine Möglichkeit, er rannte zum Wagen und zog das zweite automatische Gewehr heraus. Er hatte eins mitgenommen, falls er unterwegs nochmal auf Widerstand treffen würde, legte es an und versuchte so genau wie möglich zu zielen. Doch die Entfernung war verdammt weit für solch eine ungenaue Waffe, und vermutlich würde es Santos höchstens warnen, statt zu treffen, aber es war wohl Kevins letzte Chance.
Der Lärm, der die Waffe von sich gab, war auf der Brücke nur schwach, vom Rauschen des Rio Cauca überdeckt zu hören. Doch die Kugeln, die nahe bei Santos und Kevin einschlugen, waren verdammt nah und gefährlich. Sofort ging Santos Blick von Kevin weg nach rechts oben, wo sich die Landstraße am Berg vorbeischlängelte und die beiden Bodyguards, die das Duell auf der Brücke bewachten, gaben sofort Antwort in die ungefähre Richtung, von der die Schüsse gekommen waren. Einige Kugeln trafen dicht bei Juan und Annie Bäume und die kleine Begrenzungsmauer, die die Straße vom Abhang sicherte, so dass der Kolumbianer den Angriff schnell einstellen musste.Doch die kurze Ablenkung schien zu genügen, und der Polizist und gelernte Kampfsportler gab nicht kampflos auf. Mit der Handkante stieß er mit aller Kraft gegen die Hand seines Gegenübers, die die Waffe festhielt, nachdem er das Handgelenk mit der anderen Hand umklammert hatte. Eine schnelle, effektive Entwaffnungsübung, wenn der Gegner dicht zu jemandem stand. Im hohen Bogen flog die Waffe einige Meter weit auf die Brücke, während die Bodyguards sich auf Juan konzentrierten. Der erste Schlag in Santos Magengrube war für den Kartellchef ebenfalls noch überraschend und ließ ihn einige Schritte zurückgehen, Kevins nachfolgender Karatetritt zum Kopf allerdings konnte er mühelos ausweichen. Der Polizist spürte Schmerzen bei jeder Bewegung, und trotz des Adrenalins in seinem Körper waren seine Bewegungen langsamer als sonst.
Sein kolumbianischer Freund beobachtete etwas geduckt hinter der Begrenzungsmauer zusammen mit Annie den Zweikampf, versuchte nochmal nachzuladen, doch die Waffe war leer. "Kevin, lauf weg! Lauf verdammt nochmal weg.", flüsterte er auf spanisch... Santos hatte keine Waffe, mit der er ihn erschiessen hätte können und die Bodygaurds hatten sich darauf fokussiert die Landstraße von unten mit Blicken nach Juan abzusuchen. Der wusste: Egal wie gut Kevin wohl, was er an dessen Bewegungen erkannte, im Nahkampf ausgebildet war... gegen Santos würde er keine Chance haben. Der war als Guerilla-Kämpfer im kolumbianischen und anderen südamerikanischen kleineren Konflikten als Nahkämpfer ausgebildet... deswegen sein innigster Wunsch, Kevin möge die Flucht ergreifen, statt den Zweikampf mit dem Kartellchef zu wagen.Doch das leise Flehen war vergebens. Kevin konnte nicht so schnell reagieren, dass er Santos auch nur ebenbürtig war, was er vielleicht gewesen wäre, wäre er unverletzt bei dem Unfall geblieben. Trotzdem versuchte er, seinen Gegner in den Staub zu schicken, um dann gefahrloser fliehen zu können. Doch Santos spürte genau, dass der Deutsche angeschlagen war, auch wenn er sich scheinbar im waffenlosen Kampf auskannte. Sein erster Boxhieb ins Gesicht ließ ihn aber sofort zurücktaumeln, denn die Reaktion war zu langsam, als dass er hätte ausweichen können. Santos beherrschte die Kunst des Capoeira, einer brasilianischen Kampfsportart, und trotz das der Angriff Kevins auf ihn überraschend kam, so war er doch schnell wieder Herr seiner Sinne.
Kevin kämpfte mit stumpfen Waffen. Durch den Schlag gegen die Schläfe verschwamm vor seinem Blick alles, den nachfolgenden "Joelhada", einem Kniestoß zum Bauch sah er überhaupt nicht kommen und war ihm schutzlos ausgeliefert. Dem jungen Polizisten blieb die Luft weg und er stand gebeugt am Rand der Brücke. Santos sah, wie der junge Kerl die Zähne zusammenbiss und meinte, so etwas wie Hass und Wille in den hellblauen Augen aufblitzen zu sehen. In einen letzten, beinahe verzweifelten Angriff nach vorne in Santos' Richtung legte er nochmal alle Kraft, die er zusammenraffen konnte, traf sogar mit einem Faustschlag in die Nierengegend des Verbrechers auch nochmal effektiv, doch mit seiner geballten Kraft in den Armen stieß der Drogenboss Kevin mit Wucht zurück.Sein Atem brannte, Schmerzen durchzuckten seinen Kopf, seinen Rücken und stachen ihm quer durch die Brust. Hustend spuckte Kevin Blut in den Staub der Brücke, und er sah, wie Santos das Spiel endgültig beenden wollte. Mit einer Körperdrehung machte der Verbrecher die Distanz zwischen ihm und Kevin wett, die gleichzeitig dazu diente, Schwung zu holen und den Tritt mit Wucht gegen den Gegner zu landen um ihn, meistens am Kopf zu treffen. Der Fuß kommt dabei schon während der Drehung auf Höhe des Gegners angeflogen... so kannte es der Polizist. Aber er wehrte sich nicht... er nahm die Hände nicht nach oben, um den Tritt abzuwehren, der bei dieser Kampfkunst tiefer angesetzt war, und den Gegner auf die Brust, statt gegen den Kopf treffen sollte. Sein Körper war von Schmerzen durchzogen, das Blut in seinem Gesicht getrocknet, und Kevin hatte einfach keine Kraft mehr, sich zu wehren.
Die schwere Schuhsohle traf Kevin auf den Brustkorb... nicht so heftig , um dem jungen Mann die Knochen zu brechen, aber heftig genug, ihn taumeln zu lassen, denn in den Beinen fehlte ihm die Kraft. Der niedrige Absatz, direkt hinter dem Polizisten, war kein Schutz vor dem Absturz...Juan krallte die Finger in die Ritzen der Steinmauer, seine Augen waren weit aufgerissen und die Zähne hatte er aufeinander gepresst. Hilflos musste er mitansehen, wie Santos Kevin den entscheidenen Tritt verpasste, der junge Polizist den Halt verlor und von der Brücke stürzte. Vor Annies Auge lief dieses Geschehnis wie in Zeitlupe ab... als schaue sie einen Film und suche panisch die Stop-Taste, um diesen Horror anzuhalten, zurück zu spulen und die Kassette weg zu werfen, bevor sie sich die Szene angesehen hatte. Doch es gab keine Stop-Taste und sie sah schreiend mit an, wie ihr Retter, ihr ehemaliger Freund die Brücke runterstürzte. "NEEEEEIN!!" Im ersten Reflex wollte die junge Frau über den kleinen Vorsprung klettern und den Hügel herunter, der so steil war, dass sie niemals heil die vielen Meter herunter bis zum Tal und damit bis zum Fluss angekommen wäre. Juan behielt dagegen einigermaßen einen kühlen Kopf und umklammerte die Frau an der Hüfte mit seinem festen Griff.
"Hör auf jetzt! Es ist zu spät!! HÖR AUF!", redete er laut auf das hysterische Mädchen ein und fluchte auf Spanisch. Die beiden Bodyguards hatten den Beschuss eingestellt und der Kolumbianer zerrte Annie, die jetzt vollkommen zusammenbrach, zurück zu dem Geländewagen und verfrachtete sie auf dem Rücksitz. Dort brach Annie in Tränen aus, während Juan den Wagen vom Fahrersitz aus wieder startete. Leise sprach er auf spanisch ein Gebet für Kevin... -
Super Story-Idee... quasi ungefähr die, die ich für meine nächste FF im Kopf habe...
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Ich habe mich gerade zu einer spontanen, 3monatigen Schreibpause entschlossen
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Futuristisch und modern, wiedererkennbare Schriftart und keine Blasmusik, die beiden Hauptdarsteller im Vordergrund, alle Nebendarsteller aber erwähnt (schöne Neuerung, die das neue "Familiengefühl" wohl unterstreichen soll)
Gefällt mir
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Puhja, haruka hat vollkommen recht... die ersten Sätze gehen ja gar nicht
das kommt halt davon, wenn man sich das nie nochmal durchliest bzw Korrektur liest
Werde ich GLEICH mal etwas ummodeln
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Krankenhaus - 18:15 Uhr
Der Geruch von Desinfektionsmittel war in jedem Krankenhaus präsent doch nach einer Viertelstunde hatte man sich daran gewöhnt, und der Unterschied zu normalem Geruch war nicht mehr wahrnehmbar. Trotzdem war die Atmosphäre auf so einem Krankenhausflur, wo hin und wieder mal eine Schwester oder vereinzelt auch ein Arzt vorbeihuschte, immer gleich bedrückend. So empfand es auch Ben, als er auf einem billigen Plastikstuhl vor der Intensivstation wartete, bis Carina sich nochmal blicken ließ, innerlich auf jegliche Katastrophennachricht vorbereitet, nachdem der Arzt in ehrlicherweise instruiert hatte. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt, und die Lider wurden langsam schwerer, denn der Tag war anstrengend. Dazu die Verfolgungsjagd am Flughafen, der komplette Einsatz hatte Kraft gekostet.
Wie lange war Carina jetzt schon da drin? Eine halbe Stunde? Eine Stunde? Ben saß gerade so gemütlich, dass er zu faul war, auf sein Handy zu sehen. Er wartete einfach, und nutzte die Zeit, nochmal über seine Gefühle zu Carina nachzudenken. Was würde es jetzt ändern, wenn ihre Mutter sterben würde? Wäre es schon so etwas, wie eine Erleichterung für die junge Frau, abseits des natürlichen Verlustschmerzes? Die Krankheit der Mutter hatte ihr komplettes Leben bestimmt, was sich nun vielleicht ändern würde, auch wenn ihr das wohl erst in ein paar Wochen bewusst werden würde.Gerade als ihm die Augenlider wieder zufallen wollten, ließ ihn sein Klingelton aufschrecken. "SEMIR" prangte in großen Buchstaben auf dem Display, und Ben nahm ab. "Hey... na, wie siehts aus?", fragte die bekannte Stimme seines Partners durch den Hörer. "Mies siehts aus... Carinas Mutter hat einen schweren Herzinfarkt erlitten." "Scheisse... das tut mir leid. Wird sie durchkommen?" "Wissen sie nicht, aber es sieht nicht so gut aus. Carina ist bei ihr und ich hab versprochen, so lange zu warten.", erklärte der Polizist und stand von seinem Stuhl auf, um sich ein wenig zu bewegen. Die Glieder waren ihm eingeschlafen und er schüttelte beim Gehen die Beine ein wenig aus. Semirs Stimme zu hören tat gut nach der Stille der letzten Stunde auf diesem verflucht einsamen Flur.
"Und du? Habt ihr alles erledigt?" "Die Kollegen in Holland sind informiert, die kommen van Dyke morgen früh holen. Bei Drager siehts nicht so gut aus, der hat ganz schön was abbekommen.", erklärte Semir und fügte an: "Ich mach dann jetzt auch gleich Feierabend. Willst du heute abend bei uns vorbeikommen?Andrea wollte was Leckeres kochen und die Kinder würden sich auch freuen. "Für ihre Männer", hat sie gesagt." Ben musste grinsen, und es tat so gut, richtig zu dieser Familie zu gehören. Nicht nur, dass Semir sein bester Freund war, Andrea war so etwas wie eine große Schwester, für Ayla und Lilly war er so etwas wie ein Adoptivonkel. Als Semir mal schwer verletzt im Koma lag, hatte der Polizist Andrea hoch und heilig versprochen, sie niemals allein zu lassen und sie und die Kinder mit allem was nötig war, zu unterstützen. Semirs Frau hatte ihm das niemals vergessen."Ich überleg es mir. Ich will hier nicht einfach abhauen und zumindest warten, bis Carina entweder nach Hause fährt, oder hier übernachtet. Dann meld ich mich nochmal, okay?" Semir schien verständnisvoll am Telefon zu nicken. "Kein Problem, Partner. Bis später dann." Gerade als eine Schwester auf den Flur kam, und Ben einen strafenden Blick zuwarf, weil er im Krankenhaus telefonierte, ließ der Polizist das Handy schnell in seiner Jeans verschwinden und sich selbst wieder auf den Plastikstuhl nieder. Ein Bein legte er überkreuz auf das andere, verschränkte die Arme wieder, und wurde erneut von der Müdigkeit übermannt.
"Ben?" Plötzlich schreckte er auf und sah zur Seite. Das konnte nicht wahr sein... er hatte die Stimme, dieses eintönige Melancholie in der Stimme ganz klar erkannt. Doch der Flur war menschenleer. Auch der Blick zur anderen Seite in Richtung der Zwischentür zur Intensivstation ließ keine menschliche Gestalt erkennen, schon gar keinen jungen Mann mit abstehenden Haaren. Hatte er geträumt, war er kurz eingenickt? Aber er hatte doch die Augen noch offen, er hatte den Blick doch auf die Marmorierung der altmodischen Bodenplatten gesenkt, als er plötzlich Kevins Stimme vernahm, die ganze deutlich seinen Namen nannte, als tauche der junge Polizist hier auf und würde Ben überraschenderweise vor der Intensivstation vorfinden. In sich spürte er plötzlich eine intensive Unruhe, die sich vom Bauch aus über den ganzen Körper verteilte. So etwas hatte er zuvor noch nie gespürt...Die Geräusche der schwingenden Tür, die sich jetzt neben Ben öffnete, bildete er sich nicht ein. Carina trat mit müdem Blick von einem in den anderen Flur, und der Polizist stand sofort auf, um die junge Frau in die Arme zu schließen, die dieses Angebot sehr dankbar annahm. Nur wenige Augenblicke später konnte der Polizist ein leises Schluchzen vernehmen. "Hey... nicht weinen..." "Ich mache mir solche Vorwürfe, dass ich nicht da war.", sagte Carina leise und hielt sich an dem starken Fels in der Brandung fest, der Ben gerade für sie war. Er konnte ganz genau das Zittern und Beben in ihren Schultern spüren, das nicht abebben wollte, und seine Hand strich sanft über ihren Kopf und durch ihre blonden Haare.
"Mama... hatte immer davor Angst, alleine irgendwo zu sterben. Das niemand bei ihr ist, wenn es soweit ist.", sagte die junge Frau irgendwann leise, als sich ihr Atem ein wenig beruhigt hat. "Aber jetzt bist du doch da.", sagte Ben dann und sah Carina in die Augen, nachdem sie sich von seiner breiten Schulter gelöst hatte. "Vorhin hättest du ihr eh nicht helfen können. Aber jetzt kannst du ihr helfen, wenn du nah bei ihr bist." Die junge Frau spürte, dass der Polizist mit der Wuschelfrisur recht hatte, und wie in Zeitlupe nickte sie."Ich... ich hab mich bei dir noch gar nicht bedankt, für alles." Ben lächelte und schüttelte langsam den Kopf. "Brauchst du auch nicht." Er schaffte es sogar, Carina mit dem Lächeln ein wenig anzustecken, auch wenn es ziemlich kläglich ausfiel. "Es ist so viel passiert... ich hätte das alles ohne dich nicht geschafft. Und natürlich auch deinem Kollegen.", fügte sie noch an, auch wenn man merkte, dass sie den Dank eigentlich voll und ganz an Ben richten wollte. "Ich... ich geh mal wieder rein. Ich werd' heute nacht hierbleiben." "Ja okay... deine Mutter braucht dich jetzt.", stimmte der Polizist ihr zu und nickte. Die beiden umarmten sich nochmal, und diesmal viel diese Umarmung inniger, intensiver aus als die vorherige, die eher ein Trostspenden war. Diesmal spürte der Polizist an Carinas festem Griff und dem starken Herandrücken ihres Körpers an seinen eine tiefe Dankbarkeit, bis sie sich wieder losließen, und die junge Frau nochmal mit einem ganz kurzen, traurigen Lächeln an Ben gerichtete wieder zur Tür zur Intensivstation ging.
"Soll ich morgen früh nochmal vorbeikommen? Oder... meldest du dich... oder?", fragte Ben dann ein wenig unsicher, denn natürlich wollte er Carina in dieser schwierigen Situation jetzt nicht bedrängen oder aufdrängen. Aber dieses Gefühl hatte die junge Frau überhaupt nicht... sie war froh, dass er sich ein wenig um sie kümmerte. "Ich ruf dich an... versprochen.", sagte sie, als sie bei der Tür an kam, und diese durchschritt...