Beiträge von jenni

    Immerhin hatte der Tote einen Ausweis bei sich. Immerhin wird die Erkennung wahrscheinlich nun leichter.
    Jedenfalls beginnt die Story recht - tot. XD Viele Leichen, selbst für deine Verhältnisse Elli, ich bin erstaunt.
    Aber ich bin jedenfalls gespannt. Das wird sicherlich eine interessante Sache ;)

    Hallo Zusammen


    Als Erstes entschuldige ich mich für die Verspätung. Ich hatte zum Start des neuen Jahres eine heftige Grippe mit Krankenhausaufenthalt.
    Wurde ein wenig zurückgeworfen. Jetzt bin ich aber wieder fit und da und es geht weiter :).


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    Nicolas Schmids Eltern lebten in einem Wohnblick am Rande der Stadt Siegen. Als die Türe geöffnet wurde, nachdem Alex geklingelt hatte, starrte ihnen eine Frau Ende vierzig entgegen. Das lange, dünne dunkelblonde Haar war mit grauen Fäden überzogen. Die grünen Augen waren leer und starr.
    „Ja?“, fragte sie uninteressiert und alle nahmen ihre Ausweise hervor. „Frau Schmid? Schimke, Brandt und Krüger, Polizei.“ Nun hatten sich die Augen der Frau leicht geöffnet. „Ja...was wollen sie denn hier?“, fragte sie mit leicht zitternder Stimme und Johanna nahm tief Luft. „Frau Schmid, wir müssen Sie leider informieren, dass Ihr Sohn Nikolas verstorben ist!“ Ohne ein Wort, ohne eine Emotion, öffnete die Frau die Türe und bat mit einer Handbewegung ihre Besucher hinein. Die erstaunten Polizisten folgten ihr in das Wohnzimmer, dass in einem gar bäuerlichen Stil eingerichtet worden war.
    Im braunen Ohrensessel saß ein dicklicher Mann mit rotem Gesicht und weißem Schnauzbart, während die Haarpracht auf dem Kopf gänzlich fehlte.
    Überrascht blickte er auf die Gruppe und Frau Schmid zeigte kurz auf sie. „Schatz...das sind Polizisten...Nikolas ist tot...“, sagte sie beinahe teilnahmslos und setzte sich auf die Couch, während Herr Schmid seine Pfeife vom Tisch nahm und anzündete.
    „Ähm...“, begann Alex langsam, da er als Erstes wieder bei Sinnen war, „...Sie scheinen nicht gerade erschüttert zu sein...“
    Herr Schmid nahm einen Zug seiner Pfeife. „Wir hatten eigentlich schon Wetten abschließen wollen, wann die Polizei mit dieser Nachricht kommen wird...ich möchte nicht so wirken, als hätte ich meinen Sohn nicht geliebt...aber...“
    „...den Sohn den wir geliebt hatten...war bereits gestorben, als Nikolas die Lehre abgebrochen hatte...“, vollendete Frau Schmid den Satz und wies auf die freien Plätze auf der Couch und auf einen weiteren Sessel, „bitte setzten Sie sich!“
    Jeder setzte sich und nun öffnete auch Johanna ihren Mund. „Sie sagten, Ihr Sohn sei bereits gestorben, als er die Lehre abgebrochen hatte. Was meinen Sie damit?“
    „Als er seine Ausbildung begonnen hatte, lernte er einen gewissen Dirk Lohner kennen. Ein komischer Geselle, das sah man bereits auf den ersten Blick. Nikolas aber, war schon immer leicht zu beeinflussen gewesen - er war sehr naiv. Doch dieses Mal, war es nicht eine Phase...Nikolas wendete sich immer mehr von uns ab, begann mit seltsamen Idealen und Ansichten herum zu prahlen...und er wurde gewalttätig...“, erklärte Herr Schmid und Kim hob eine Augenbraue. „Inwiefern gewalttätig?“, fügte sie ihrer Geste hinzu und Frau Schmid hob ihren linken Pullover Ärmel, wo eine grässliche, längliche Narbe am Unterarm zum Vorschein kam.
    „Er kannte keine Grenzen mehr. Es interessierte ihn nicht mehr, was wir sagten oder taten...nach dem Frust und der Trauer, kam die Lethargie...“, sagte Frau Schmid leise und Herr Schmid schüttelte mit de Kopf. „Wär er bloß diesem Typen nicht begegnet...der mit seiner doofen Gang!“
    „Diese Gang, meinen Sie damit die Libellen?“ Das Ehepaar sah erstaunt auf Alex. „Am Tatort wurde ein Stück Stoff mit dem Logo dieser Gruppe gefunden.“, erklärte er anschließend.


    „Sie müssen verstehen, wir sind sehr konservativ...aber auch wenn wir unsere Ansichten haben, so sollte keinem Mensch psychische oder physische Gewalt angetan werden. Es gibt andere Lösungen, aber Nikolas kam total vom Weg ab...“, seufzte Herr Schmid und Johanna atmete tief durch.
    „Sie hatten ihn aufgegeben?“, fragte sie direkt und Frau Schmid nickte ohne zu Zögern. „Es gab nichts mehr zu retten...“, flüsterte sie und zum ersten Mal, brach sie nun in Tränen aus. Ihr Mann stand auf, setzte sich neben sie und legte zärtlich einen Arm um seine gebrechliche Partnerin.
    „Wir danken Ihnen, für Ihre Offenheit“, begann Alex und nahm eine Visitenkarte aus der Brusttasche seiner Jacke, „Sie können im Präsidium anrufen, wenn Sie bereit für die Identifizierung sind. Aber bitte, lassen Sie sich Zeit...“, sagte er emphatisch und verabschiedete sich mit den Anderen, bevor sie das Haus verließen.
    Bevor sie in den Wagen einstiegen, klingelte Alex’ Handy und er blickte auf den Display. „Mishka“, kündete er an und nahm ab. Im Augenwinkel sah er, wie Johanna, Kim erklärte wer der Anrufer war. „Mishka, sag’ mir bitte dass wir vorbeikommen sollen und du was für uns hast!“
    „Du kannst ja richtig Gedankenlesen, Huskyauge! Ich erwarte euch!“, entgegnete die Anruferin und legte bereits wieder auf. Alex lief auf die beiden Frauen zu. „Mishka hat was für uns!“, kündete er an und mit einem Handgriff hatte Johanna ihre Autoschlüssel in die Hand. „Worauf warten wir dann noch?“


    Der Weg zur KTU selbst war ruhig, doch die KTU nicht. Kim musste ihre Ohren zuhalten, als sie die magischen Hallen von Mishka betraten, da dröhnende Bässe versuchten, ihr Trommelfell anzugreifen. Auch Alex zuckte zusammen, doch Johanna rollte nur mit den Augen und ging auf eine I-Pod-Station zu. Mit einem Drücken auf den Bildschirm des grellpinken Handys, war die Musik bereits ausgeschaltet.
    Mit einem erleichterten Seufzen sank Kim die Hände, erschrak dennoch beinahe wieder, als Mishka den Raum betrat. Die schrille Persönlichkeit hatte überhaupt nichts gemeinsam mit Hartmuts ruhiges Naturell.
    „Wann wirst du aufhören, diesen Sleaze zu hören. Das ist keine Musik, Mishka“, knurrte Johanna und Mishka zuckte mit den Achseln. „Nun ja, du bist jünger als ich und hörst alten Rock, ich bin älter und liebe brummende Bässe!“, kicherte sie und stellte sich dennoch anständig bei Kim vor.
    „Du sagtest, du hättest was für uns?“, fragte Alex ungeduldig und Mishka nickte. „Folgt mir edle Ritter des Gesetztes!“, rief sie und führte alle zu einem beleuchteten Tisch. „Wie ihr seht, habe ich Überstunden gemacht, aber es war’s wert!“ Sie zog ein Blatt Papier mit einem Diagramm hervor. „Ich habe die Blutproben analysiert. Der größte Teil stammt vom Opfer, dass ist klar, aber ein weiterer Teil stammt von Semir Gerkhan!“ Alex’ und Kims Gesicht verlor jegliche Farbe, während sich auf Johannas Stirn eine tiefe Stirn bildete.
    „Genug um...?“ Mishka schüttelte auf Johannas Andeutung mit dem Kopf. „Nein. Er wird verletzt sein, aber bestimmt nicht tot. Dafür ist die Blutmenge zu klein.“, fügte sie ihrer Geste hinzu.
    „Was konntest du zu den Reifenspuren herausfinden?“
    Mishka grinste auf Alex’ Frage und überreichte ihm einen Durchsuchungsbefehl. „Beantwortet das deine Frage?“, kicherte sie und Alex nickte. „Allerdings. Die Schweine waren wirklich noch beim Quartier!“, sagte er und zeigte Johanna und Kim den Durchsuchungsbefehl.
    „Leider kann ich aber euch nicht mehr dazu sagen...die Spuren zeigen wirklich nur, dass diese Typen im Wald und dort waren. Mehr aber nicht...“
    „Das ist mehr als genug“, murmelte Kim und sah Mishka mit einem dankenden Lächeln an.
    „Es reicht, um mit dem Rammbock bei diesen Drecksäcken einzudringen.“, mischte sich nun auch Johanna ein und ballte heimlich ihre Hand zur Siegerfaust. „Vielleicht lockert das auch ihre Zunge...“, seufzte Kim und Mishka faltete die Hände. „Es gibt noch was...es gab’ noch eine dritte Person die geblutet hat!“ Alle sahen die Forensikerin an. „Einer der Renners. Aufgrund des engen Verwandtschaftsgrades war es aufgrund der kleinen Menge nicht möglich herauszufinden wer es ist...aber einer der Beiden ist ebenfalls verletzt.“
    „Das heißt, uns rennt die Zeit davon. Wer weiß wie die Drei behandelt werden. Es kann alles passieren! Je schneller wir sie finden, umso besser!“, atmete Johanna tief durch und festigte ihren Griff um den Durchsuchungsbefehl.

    Hm...sieht aus als würden wir dieses Mal mit einer Rückblende starten. Finde ich immer spannend.
    Jedenfalls haben wir zugleich schon unseren ersten Mord und Typen, die es auf Polizisten abgesehen haben.
    Hmm...hm...hm...Elli du hast mich an der Angel :D

    Yasmina Gruber stand in ihrem geheiligten Reich, als die Türe sich öffnete und drei Personen den Raum betraten.
    „Ah, Frau Krüger, Herr Reichenbach hat mich informiert“, übernahm sie sofort die Initiative und schüttelte der Frau die Hand. „Yasmina Gruber. Ich bin die örtliche Gerichtsmedizinerin“, stellte sie sich vor und Kim nickte dankend.
    „Gruber, was hast du für uns?“, fragte Johanna und die Angesprochene führte das Trio zu einer aufgebahrten Leiche, deren frische Ypsilon-Narbe noch kirschrot zu leuchten schien. Als sich alle um den Tisch versammelt hatten, begab sich Yasmina auf die gegenüber liegende Seite und räusperte sich kurz.
    „Todesursache ist definitiv den Schuss in den Kopf. Allerdings hätte man den Mann auch liegen lassen können, denn es wäre nur eine Sache von Minuten gewesen, bevor er an den Folgen des Schädeltraumas gestorben wäre. Zudem waren die Wangenknochen und der Kiefer zertrümmert und am ganzen Körper konnte ich Hämatome feststellen. Aufgrund der Form und Stärke der blauen Flecken nehme ich an, dass der Schuh, mit dem getreten wurde, mit Stahlkappen verstärkt war.“
    „Konntest du die Identität des Mannes herausfinden?“, fragte Alex nun nach Yasminas Erläuterung und sie nickte. „Es war ein kleines Kunststück, doch ich konnte trotzt der kaputten Zähne einen Gebissabdruck machen, denn die Kieferfehlstellung alleine war einzigartig.“ Yasmina ging auf ihren Schreibtisch zu, nahm eine Akte und übergab sie Alex. „Nikolas Schmid, 21 Jahre alt. Arbeitslos und das schon seit seiner abgebrochenen Lehre als Bauarbeiter. Über ihn war kein Wohnort bekannt, aber seine Eltern sind hier ins Siegen sesshaft. Ich habe euch die Adresse aufgeschrieben.“
    „Du bist die Beste“, seufzte Johanna und Yasmina hob die Hand. „Ich bin noch nicht fertig, spar dir das Lob fürs Ende auf“, zwinkerte sie und tippte auf die Schulter des Toten. „Ich habe außerdem eine Hohe Dosis an Xanax in dem Blut des Toten gefunden.“
    „Xanax?“, fragte Kim verwirrt nach und bevor Yasmina antworten konnte, funkte Johanna ihr ins Wort. „Ein Medikament gegen Angstzustände und Panikattacken. Allerdings kann es in großen Mengen, oder bei regelmäßiger Einnahme, süchtig machen.“, erklärte sie und alle sahen sie erstaunt an.
    „Man darf doch mal was wissen“, murmelte sie und Yasmina schüttelte kurz mit dem Kopf. „Wie auch immer. Bei einer solchen Menge kann man nicht von einer regelmäßigen Einnahme sprechen. Ich vermute eher, der Gute hatte eine Menge Tabletten noch am Abend zu sich genommen.“


    „Am Abend? Wann war denn der Todeszeitpunkt eingetreten?“ Auf Kims Frage verschränkte Yasmina die Arme. „Zwischen 24 und 03 Uhr. Um diese Zeit müssen auch die vermissten Personen entführt worden sein...“
    „...gut...vielen Dank!“, sagte Alex und jeder verabschiedete sich mit einem Nicken von der Gerichtsmedizinerin, nachdem diese die Notizen mit der Adresse abgegeben hatte.
    An Johannas Wagen blieben alle stehen. „Ein junger Mann, arbeitslos, der am Abend eine hohe Dosis eines Beruhigungsmittel nimmt und dann zu Tode geprügelt wird...“, fasste Johanna zusammen und Kim verschränkte die Arme.
    „Das Treffen war also geplant im Walde. Denn der Junge hatte Panik. Aber wie kommen Gerkhan und die Renners dabei ins Spiel?“
    „Wahrscheinlich haben sie gesehen wie das Opfer geschlagen wurde und wollten helfen“, antwortete Alex auf Kims Frage und stemmte die Hände in die Hüfte. „Wir müssen die Eltern informieren...vielleicht können wir bei denen auch etwas herauskriegen“, beschloss Johanna und Alex warf ihr den kleinen Notizblock mit der Adresse zu. „Dann los!“

    Liebe(r) Krypto, danke dass du dich unter uns Autoren gesellt hast und wahrscheinlich auch weiterhin gesellen wirst, denn die Geschichte war wirklich gut und ich hatte grossen Spass sie zu lesen.

    Mich hat es auch nicht gestört, dass die medizinischen Dinge nicht der Realität entsprechen. Es ist eine Geschichte und da ist die Realität zum Glück nicht notwendig. Der Titel deiner nächsten Story gefällt mir schon mal und als Leser hast du mich jetzt auch gebucht. Das du zunächst die Uni und auch das Privatleben bevorzugst ist nur zu verständlich. Geschichten schreiben ist ja schließlich ein Hobby und kein Zwang. Also freu mich auf deine nächste Geschichte und wünsche dir viel Erfolg in der Uni Ansonsten kann ich Elvira in diesen Punkten absolut zustimmen. In der Fiktion wird ja oft nicht ganz genau auf medizinische Details geachtet (ansonsten wären schon viele unser geliebten Helden verschiedenster Serien usw. schon lange tot XD)

    Natürlich ist es auch klar, dass das Privatleben Vorrang hat. Besonders als Studentin. Als älteste Schwester zweier ehemaligen Studentinnen habe ich so halbwegs mitbekommen wie hart das Studentenleben sein kann. Also nimm dir ruhig Zeit, viel Erfolg für dein Studium und bis bald :)

    So! Nach den Feiertagen melde ich mich wieder zurück :D. Ich hoffe, ihr hatte schöne Weihnachtstage und seid gut ins neue Jahr gerutscht! <3


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    Nachdem Johanna und Alex die Reifenprobe in der KTU abgegeben hatte, fuhren sie ins Präsidium zurück und Alex lief beinahe in Fabian hinein.
    „’Tschuldigung Chef“, keuchte er erschrocken und Fabian legte seine Haare hinter die Ohren. „Haben Sie was rausgefunden?“, fragte er danach räuspernd und Johanna nickte. „Wir haben am Tatort neben dem Wappen noch Spuren eines Pick-Ups gefunden.“
    „Und an der Fischbacherstrasse?“
    „Wie erwartet war kaum was hinauszubekommen. Jedoch haben wir in einem heimlichen Moment, ebenfalls Reifenspuren eines Pick-Ups auf dem Grundstück gefunden und die Erdspuren darauf gesichert.“, antwortete Alex und Fabien strich über seinen fein geschnittenen Bart.
    „Habt ihr...“
    „Ist bereits bei der KTU“, antwortete Johanna nun und Fabian verschränkte die Arme. „Auf wen genau seid ihr genau an der Fischbacherstrasse gestoßen?“
    „Ernst August. Ich habe bezüglich der Libellen diesen Namen noch nie gehört“, murmelte Johanna und Alex konnte als Neuzugezogener nur mit den Achseln zucken. „Kein Wunder“, begann Fabian und winkte zu seinem Büro, wo sie gemeinsam hinein gingen. Dort drin, saß die Chefin der Autobahnpolizei Köln / Düsseldorf. Als sie sah, dass die Türe geöffnet wurde und Menschen das Büro betraten, erhob sie sich vom Stuhl und sah alle an.
    „Frau Krüger...“, begrüßte Alex sie förmlich und Kim umarmte ihren ehemaligen Mitarbeiter. Für einen kurzen Moment, fiel die kühle Maske und sie atmete tief durch. „Entschuldigung“, murmelte sie und ging auf Johanna zu.
    „Ich wünschte, wir hätten uns unter anderen Umständen getroffen, Frau Krüger“, sagte Johanna förmlich und legte eine Hand auf die Kims. „Ich auch, Schimke, ich auch...haben Sie bereits etwas herausgefunden?“
    Fabian bat Kim, sich wieder zu setzten und Johanna, sowie Alex begannen ihren bisherigen Stand mitzuteilen. In dieser Zeit begann die rötliche Abendsonne in das Büro zu scheinen.
    „...verdammter Mist...“, murmelte Kim nach der Erläuterung und Fabian verschränkte die Arme.
    „Gruber hat im Übrigen angerufen, Sie ist mit den Untersuchungen fertig. Bitte gehen Sie sofort zu Ihr.“, sagte Fabian. „Ich werde Sie begleiten“, bestimmte Kim, nachdem sie aufgestanden war.
    Alex und Johanna sahen auf Fabian, der bloß nickte. „Okay“, Johanna nahm den Schlüssel aus ihrer Tasche, „gehen wir!“


    Sie liefen aus dem Präsidium und stiegen in Johannas Audi ein. Alex stieg hinten ein, während Kim sich auf den Beifahrersitz gesellte. Ohne ein Wort zu sagen, startete Johanna den Motor und fuhr los.
    Erst auf der Autobahn, wurde das Eis gebrochen, als Kim durch den Rückfahrtspiegel auf Alex blickte. „Schön Sie wieder hier bei uns zu haben, Brandt.“, deutete sie an und Alex wusste genau, worauf sie anspielte.
    „Danke...dachte auch nicht, dass ich wieder hier landen würde. Ich wollte eigentlich Semir erreichen und alle dann besuchen kommen...“, murmelte er leise und Johanna fühlte sich sofort unwohl. Sie wusste genau, dass die Person neben ihr mehr über ihren Partner wusste als sie selbst. Sie war nicht eifersüchtig, doch sie wusste genau, dass nun lauter offene Fragen in diesem kleinen Raum lagen.
    „Dann wird das wohl so sein...“, sagte Kim leise und Johanna versuchte verkrampft, ihren Blick auf der Straße zu behalten.
    „Frau Krüger...Brasilien hatte einige Enttäuschungen mit sich gebracht. Bitte verstehen Sie, dass ich nicht darauf eingehen will...“
    Nach Alex Satz blickte Kim nun direkt auf ihn und nickte. „Natürlich, entschuldigen Sie...“, sagte sie und Johanna atmete tief durch.
    „Er wollte Gerkhan wirklich erreichen Frau Krüger. Ich muss es ja wissen“, bekräftigte sie Alex und Kim lächelte traurig auf den süßen, wenn auch hilflos wirkenden Versuch der jungen Frau. „Keine Sorge, das glaube ich“, bekräftigte sie ihre Geste.
    „Frau Krüger, wie kam es dass die Drei gemeinsam weg waren?“, durchbrach er nun das Gespräch und Kim seufzte.
    „Wie Sie sicherlich schon herausgefunden haben, leidet Renners Vater an Demenz und in letzter Zeit war es schlimmer geworden. Renners Mutter litt körperlich und auch seelisch unter der Belastung eine Werkstatt zu leiten und nebenbei einen Mann zu betreuen, der an einer degenerativen Belastung des Gehirns leidet. Gerkhan selbst kam mit der Idee, einen Männerausflug zu machen. Andrea hingegen gab die Kinder zu ihrer Mutter und überholte in dieser Zeit mit Frau Renner die Buchhaltung und Unterlagen, da Herr Renner mit seiner Krankheit so einiges hat schleifen lassen. Die Männer fuhren an die Nordsee zum Fischen“, erklärte sie.
    „Wurden die Angehörigen denn schon informiert?“, fragte nun Johanna und Kim presste die Lippen zusammen.
    „In solchen Momenten bewundere ich Andrea einfach. Pauls Mutter erlitt einen mittleren Nervenzusammenbruch und Andrea kümmert sich nun um sie, anstatt in Panik zu geraten.“
    „Die Frau ist wirklich der Wahnsinn.“, stimmte Alex seiner ehemaligen Chefin zu. „Sorgen wir dafür, dass wir sie nicht enttäuschen!“, sagte Johanna entschlossen und fuhr in die Einfahrt zur Stadt ein.

    Paul hatte die Wunden seines Vaters notdürftig versorgt und übernahm das Kühlen der geschwollenen Augen seines Vaters, da Semirs gesunder Arm langsam unter der Anstrengung zu zittern begann. „Danke“, flüsterte Paul und Semir nickte bloß.
    Klaus zischte kurz auf und Paul legte eine Hand beruhigend auf seine Schulter. „Tut mir leid Papa, aber das muss sein!“, sagte er sanft. Das Kühlen schien zu wirken, da Klaus es schaffte, seine Augen leicht zu öffnen.
    „Ist das meine Schuld?“, fragte er mit zitternder Stimme und Paul atmete kurz scharf ein, während Semir seine gesunde Hand nun auf die andere Schulter von Klaus legte. „Nein. Du hast das Richtige getan, Klaus. Du wolltest dem Jungen helfen!“
    „Aber wegen mir...sind wir nun hier...“ Semir konnte Paul deutlich ansehen, wie die traurigen Worte seines Vaters ihm schier das Herz zerbrachen. Der blonde Polizist atmete tief durch und strich seinem Vater sanft über die geschundene Wange. „Wir kommen hier raus, Paps. Es wird uns nichts mehr passieren. Du bist nun bei uns. Wir sind schon aus viel Schlimmerem rausgekommen, nicht war Semir?“ Semir lächelte ebenfalls, als Klaus ihn ansah. „Aber so was von!“, stimmte er Paul zu.
    Alle zuckten auf, als eine laute Stimme aus dem anderen Raum zu hören war.
    „Es ist einfach passiert! Der Typ wollte aussteigen, da wollten wir ihm eine Lektion erteilen! Wusste doch nicht, dass der so wenig verträgt! Und dann kamen auch noch diese Typen! Wir mussten sie mitnehmen! Ja er ist einfach durchgedreht und hat geschossen!“
    Klaus begann zu zittern, während Semir auf die Türe zuging und sein Ohr dicht daran legte.
    „Es tut mir leid! Ich weiß auch nicht was wir machen sollen! Der eine von denen hat ein mächtiges Rad ab! Da kann ich doch nichts für! Ich werde schon was rausfinden! Halt du uns einfach die Bullen vom Hals! Reicht, dass wir schon zwei in dem Lagerraum haben!“ Es wurde aufgehängt.
    „Scheisse, was machen wir jetzt?“
    „Ich rede nun mit Ihnen und du bleibst ruhig, klar? Du hast schon zu viel versaut!“
    Semir wich zurück, als er Schritte hörte und kniete sofort zur Gruppe zurück. Die Türe öffnete sich und ein junger Mann, Mitte Zwanzig, kam in den Raum und schloss die Türe hinter sich.
    Der athletisch gebaute Mann mit Kurzhaarschnitt und schwarzer Kleidung, war mit einer Pistole bewaffnet, die er lässig in seiner rechten Hand hielt. Die eisblauen Augen sahen auf die Gruppe hinab und wirkten kalt und emotionslos.
    „Ich sehe, man weiß sich zu helfen!“, begrüßte er sie und die jugendliche Stimme passte überhaupt nicht zu dem durchtrainierten Bild, „Entschuldigen Sie die Umstände, aber bis ich weiß, was ich mit Ihnen anstelle, muss ich Sie hier behalten!“
    „Hören Sie, wenn Sie uns gehen lassen, wird niemand von dieser Geschichte erfahren!“, erwiderte Semir ruhig und der junge Mann lächelte.
    „Das sind große Worte so einfach ausgesprochen. Ich wünschte ich könnte Ihnen glauben.“


    „Dann lassen Sie bitte meinen Vater gehen, bitte...“, begann Paul und stand langsam auf, worauf der Mann seine Waffe nun in den Anschlag nahm.
    „Paul, nicht!“, schrie Klaus geschockt, doch Semir konnte ihn zurückhalten. „Wieso soll ich das?“, fragte der junge Mann und Paul atmete tief durch. „Bitte...er ist krank...er hat Demenz...“
    Für einen kurzen Moment hielt der junge Mann inne. „Er wird sich sowieso bald nicht mehr erinnern können, was passiert ist...“, flüsterte Paul.
    „Paul nicht! Ich lasse dich hier nicht allein!“, schrie Klaus und konnte sich dieses Mal aus Semirs Griff befreien. Schwankend, stand Pauls Vater auf und drohte fast umzufallen, doch im letzten Moment konnte er sich fangen.
    „Das kannst du nicht tun Paul!“
    Der junge Mann blickte auf das ärmliche Bild des älteren Mannes, der zerschunden und geschlagen dastand und zwar klar wirkte und doch so einen seltsamen Nebel auf den Augen hatte.
    Anschließend klopfte er an die Tür und ein Mann in seine Alter, nur rundlicher und erbärmlicher aussehend, kam hinein. „Nimm den Alten mit. Setzt ihm was über den Kopf und schmeiß ihn irgendwo raus!“ Der rundliche Typ nickte, packte Klaus und dieser begann um sich zu schlagen. „Nein! Nein das kann ich nicht machen! Das ist mein Sohn!“, schrie er und Paul ging auf ihn zu. Der junge Mann wollte wieder die Waffe auf Paul richten, doch hielt inne, als dieser mit den Lippen formte, dass er ihn nur beruhigen wollte.
    „Lass ihn!“, befahl der Gutaussehende seinem Freund und ließ Paul zu Klaus. Sanft nahm der Sohn das Gesicht seines Vaters in die Hände und legte seine Stirn auf die von Klaus. „Jeder Schritt, eins zwei, eins zwei! Dann komme ich ans Ziel“, flüsterte Paul seinem Vater ins Ohr und dieser verzog den Mund, ließ sich aber von dem rundlichen Typen mitnehmen
    Ohne ein Wort ging der gutaussehende Mann hinterher und schloss die Türe hinter sich zu.

    Sie liefen auf die Türe zu und Alex betätigte die Klingel. Es war Schritte zu hören und nach einiger Zeit wurde die Türe sogar geöffnet.
    Ein Mann mittleren Alters stand vor ihnen. Im Mundwinkel hing eine Zigarette und das glühende Ende drohte beinahe die längeren, grauen Haare anzusengen. Auf der höckerigen Nase saß eine alte Drahtbrille, die, die klaren, blauen Augen vergrößerten. Gar abschätzend, blickte er auf die Ausweise, die Alex und Johanna hochhielten.
    „Brandt und Schimke, Autobahnpolizei Freudenberg. Mit wem haben wir das Vergnügen?“, fragte Alex beinahe tonlos und der alte Mann rümpfte die Nase. „Autobahnpolizei? Ich fahre nicht mal Auto! Kann also kein Knöllchen fabriziert haben!“ Die Stimme war rostig und doch schneidend wie ein frisches Messer. Johanna glaubte sogar, dass ihr die Nackenhaare aufstanden.
    „Wir sind auch wegen einer anderen Sache hier. Ihr schönes Libellenlogo wurde an einem Tatort gefunden!“
    „Was denn für ein Tatort?“, ächzte der Namenlose zurück. „Ein Mordtatort. Sowie Entführung“, mischte sich nun Johanna in die Konversation ein und zum ersten Mal zeigte das Gesicht des Mannes Regung. Er schloss die Türe hinter sich und zündete die Zigarette erneut an.
    „Okay hören Sie“, begann er nun in einem gar Business-gleichen Ton und seine Haltung wirkte auf einmal strammer und disziplinierter, „ich weiß dass unsere Organisation nicht in ihr Weltbild passt, aber aufgrund unserer Historie sollten Sie wissen, dass wir nicht auf diese Spur setzten!“
    „Es gibt immer ein erstes Mal“, erwiderte Johanna unbeeindruckt und der Mann atmete tief durch.
    „Ernst August ist mein Name nebenbei. Sicherlich brauchen Sie ihn für Ihre Aufzeichnungen. Wäre nicht das erste Mal, dass ich in einer Polizeiakte auftauche!“
    „Okay Herr August. Wie gesagt, ein Stück Stoff mit dem Logo Ihrer „Organisation“ wurde am Tatort gefunden. Es wurde eine verunstaltete Leiche in einer Shelby Cobra gefunden. Nebenbei wurden drei Personen entführt.“, wiederholte Alex.
    „Und ich kann Ihnen nur sagen, dass wir nicht auf einer solchen Schiene fahren. Ich weiß nicht wie dieses Stück Stoff an Ihren Tatort gelangt ist, aber ich kann Ihnen versichern, dass wir nichts damit zu tun haben!“
    „Niemand, der Ihnen in letzter Zeit komisch aufgefallen ist?“ Auf Johannas Frage hin warf August seine Zigarette auf den Boden und trat sie aus.
    „Wir hatten unser letztes Meeting Anfangs Monat. Seitdem habe ich niemanden gesehen.“, antwortete er knapp und Alex verschränkte die Schulter. „Gibt es vielleicht eine Lister Ihrer Mitglieder?“
    „Gibt es einen Grund, dass ich diese hinausgeben muss?“, fragte August zurück und obwohl Alex von außen her ruhig erschien, konnte Johanna die angespannte Halsschlagader sehen. „Als Polizisten müssten Sie ja wissen, dass ich ohne dringenden Tatverdacht gar nichts muss!“


    Alex verstrickte sich in mit dem Mann in eine Diskussion, während Johanna auf die offene Garage blickte. Auf dem alten Asphalt waren Reifenspuren zu sehen. Reifenspuren, die ihr nur sehr bekannt vorkamen.
    „Herr August, fahren Sie einen Pick-Up?“ Ihre Frage durchbrach die Diskussion und August hob eine Augenbraue. „Nein, wie kommen Sie darauf. Wie erwähnt, ich fahre keinen Wagen!“, antwortete mehr als sichtlich verwirrt.
    „Hatten Sie in dem Falle Besuch in letzter Zeit?“ August stemmte die Hände in die Hüfte. „Selbst wenn, ist es nichts, dass Sie interessieren muss.“, knurrte er und Johanna hob lächelnd die Hand.
    „Es interessiert mich, weil diese Reifenspuren auch am Tatort gefunden wurden“, erklärte sie mit einem gar schnippischen Unterton und Augusts Augen weiteten sich ein wenig. Nur für einen kurzen Moment, aber es war deutlich ersichtlich.
    „Was?“, flüsterte er und Johanna nickte. „Selbst wenn, es gibt hunderte, tausende Pick-Ups. Also lassen Sie mich nun bitte in Ruhe!“ Mit diesen Worten stampfte August in sein Haus zurück, schlug die Türe zu und schloss sie hörbar.
    Alex blickte auf die Reifenspuren. „Selbst wenn, sehr komischer Zufall...“, murmelte er und Johanna sprang hinunter, während Alex zu ihrem Wagen ging und ein paar Handschuhe, sowie eine Aservatentüte hervornahm. In einem geeigneten Augenblick entnahmen sie ein wenig der abgestandenen, feuchten Erde der Reifenspuren und gingen dann zurück in den Wagen, wo Alex auf dem Beifahrersitz die Tüte verschloss.
    „Schnell zur KTU damit!“, murmelte er und Johanna startete den Motor.

    Alex und Johanna rannten zurück und Mishka kam auf sie zu. „Seht euch das Mal an!“ Die Forensikerin hatte ein Stück Stoff in der Hand.
    „Äh ja, wir haben gerade Reifenspuren gefunden und du einen Fetzen. Du hast uns deutlich überholt“, bemerkte Johanna sarkastisch und Mishka ließ sich davon nicht beeindrucken. „Seht es euch einfach mal an!“ Alex nahm den Fetzen entgegen und sah ihn sich an. Darauf war eine Libelle sowie die Zahl 7777. „Klingelt’s?“, fragte Mishka ungeduldig und Johannas Miene wurde finster.
    „Allerdings. Die Siegerländer Libellen...die verzogene Frucht der zerstörten Stadt...“, flüsterte sie und Alex sah die beiden Frauen fragend an. „Kann mich bitte jemand aufklären?“
    „Die Siegerländer Libellen gelten als Brut der Nazigeschichte. Siegen war schließlich eine Hochburg und vollkommen zerstört worden im zweiten Weltkrieg. Viele haben den Hass versteckt und heimlich an ihre Kinder weitergegeben. Eine Zeitlang wurden sie nicht ernstgenommen, weil es auch verzogene Kinder waren, inzwischen (aufgrund auch der letzten Ereignisse) haben sie aber wieder an Stärke gewonnen!“
    „Na klasse“, stöhnte Alex nach Johannas Erklärung und drückte Mishka den Fetzen an die Brust. „Jemand soll auch noch die Reifenspuren sichern“, knurrte er anschließend und lief davon.
    „Danke“, flüsterte Johanna, Mishka zu und rannte Alex hinterher. Dieser zog die Handschuhe aus und stopfte sie in die Jackentasche.
    „Verdammte Scheiße!“, schrie er und Johanna zuckte zusammen. In ihrer bisherigen Zusammenarbeit war Alex immer der ruhige, besonnene Pool und Johanna die junge, leicht aufbrausende Persönlichkeit.
    „Alex noch ist es ja nicht sicher...vielleicht lag das schon länger da...“, versuchte Johanna langsam ihn zu beruhigen und Alex stemmte die Hände in die Hüfte. Sie sahen gemeinsam auf die Autobahn, die sich aufgrund des Mittagsverkehrs immer mehr füllte.
    „Das lag nicht länger da Joshi und das weißt du...“
    „Du weißt wie beschissen ich mit Aufmunterungen bin...“
    Alex atmete tief durch und sah seine Partnerin an. „Weiß ich...“, erwiderte er mit einem traurigen Lächeln, „...haben diese „Libellen“ auch einen Sitz in Siegen?“ Johanna nickte. „Gemäß letzten Informationen an der Fischbacherstrasse nahe dem Berufsschulzentrum. Dort ist ein altes Einfamilienhaus. Dort sollen sie letztens ihr Lager aufgeschlagen haben!“ Alex klopfte ihr auf die Schulter. „Dann lass uns mal dort einen Blick hineinwerfen. Ich bin gerade in der richtigen Stimmung für solche Vollidioten!“, knurrte Alex und Johanna zog einen Nasenflügel hoch, bevor sie mit den Schulter zuckte. „Wer nicht?“, murmelte sie und lief auf ihren Dienstwagen zu.


    Sie setzte sich mit Alex in den Wagen und steckte ihr Handy in den Halter, bevor sie ihr Handy-Headset aufsetzte und eine Kurzwahl eingab, bevor sie den Motor startete und losfuhr. Zur gleichen Zeit hatte sie den Lautsprecher betätigt und so war der Verbindungston zu hören, als sie mit dem Wagen in die Spur einfuhr. Nach einigen Sekunden wurde abgenommen.
    „Schimke, sagen Sie mir bitte, dass Sie was haben. Dienststellenleiterin Krüger ist auf dem Weg und gemäß ihrem letzten Telefonat ist sie wirklich nervös.“
    „Kein Wunder...“, murmelte Alex und Johanna holte Luft. „Kowalski hat am Tatort das Wappen der Siegener Libellen gefunden, Chef“, begann sie und ein genervtes Stöhnen war am anderen Ende zu hören, „wir sind gerade auf dem Weg zum letzten notierten Lager der Truppe.“
    „Das an der Fischbacherstrasse?“, fragte Fabian. „Exakt. Vielleicht können wir etwas aus denen entlocken...“
    „Aber Schimke...Brandt, bitte denken Sie daran...“
    „...diskret, auch wenn wir auf die Kacke hauen!“, erwiderten Johanna und Alex gleichzeitig und Johanna bog in die Einfahrt zur Stadt ab.
    „Richtig. Teilweise sind, gerüchteweise, hohe Anwälte unter den Libellen und wir können uns, sichtlich der Umstände, keine Verzögerung leisten!“ Johanna und Alex sahen sich für einen kurzen Moment ernst an, bevor Johanna ihren Blick wieder auf die Straße richtete.
    „Chef...“
    „...wie gesagt, diskret!“ Mit diesen Worten wurde aufgehängt und Johanna zog eine Augenbraue hoch. „Diskret...mein Lieblingswort.“, brummelte sie und fuhr in die Richtung des Berufsschulzentrums. „Wir gehen ja erst mal uns erkundigen.“, sagte Alex und sah, wie Johanna vor einem Haus parkte dass im „Alten Flecken“-Stil von Freudenberg gebaut war. Am Briefkasten klebte der Sticker einer Libelle, die in einem dunklen Silber war, so dass sie kaum auf dem Metall zu sehen war.
    „Scheint als wären sie noch immer hier...“, murmelte Alex und Johanna zog ihren Ausweis aus der Tasche. „Dann los!“

    Dort trafen sie auf Mishka Kowalksi, die Chefin der KTU Siegen. Die Frau Mitte Dreißig war alles andere als normal. Gegen Sie, war Joshi mit ihrem Nasenpiercing und drei Löchern in jedem Ohr, eine dezente Persönlichkeit.
    Mishka trug ihr Haar wasserstoffblond während die Enden auf je einer Seite je in Blau oder Pink gefärbt waren. Zwei mittelgroße Plugs steckten in je einem Ohr und an ihrer Unterlippe steckte ein schwarzer Ring. Unter dem Anzug war der Totenkopfpullover sowie die violett-schwarzen Leggins zu sehen.
    Die azurblauen Augen blickten auf das Polizistenteam. „Hat euch mein Anruf nicht gereicht?“, fragte sie mit ihrer tiefen, rostigen Stimme und sah Johanna an. „Mäddche, was ist denn mit deinem bunten Haarstreif passiert?“
    „Anweisung vom Chef. Entweder die Piercings raus oder die Naturhaarfarbe zurück. Und ich bevorzuge dunkelbraun, als auf meinen Schmuck zu verzichten...“ Johanna bemerkte Alex hochgezogene Augenbraue und räusperte sich. „Hast du noch etwas anderes gefunden?“
    „Ich habe vor zwanzig Minuten angerufen...ich weiß ihr haltet mich für den Flash, aber so schnell bin ich dann doch nicht! Aber bitte, mein Spielplatz ist auch der eurer!“ Alex schritt voraus und Johanna wurde von Mishka aufgehalten.
    „Mäddche...stimmt es was geflüstert wird, einer der vermissten Personen ist Alex’ ehemaliger Partner?“ Johanna seufzte und klopfte Mishka auf die Schulter.
    „En joah...“, flüsterte Johanna in Siegerländer Platt zurück und lief auf Alex zu, der sich über eine gesicherte Spur beugte.
    „Mishka!“ Die Angesprochene blickte auf den Kriminalhauptkommissar. „War hier die Blutspur von Semir?“
    Mishka nickte. „Ist man der Spur gefolgt?“, fragte Alex nach und versuchte, in einer normalen Tonlage zu bleiben.
    „En joah, aber außer einen Kerfich von weggeschmissenen Hamstern und Mäusen, haben wir bisher nichts gefunden!“
    Alex blickte hilflos auf Johanna und diese rollte mit den Augen. „Kerfich ist Friedhof“, übersetzte sie und sah auf Mishka. „Mishka dat is kenn Seejeländer! Denk’ dran!“ Die KTU-Chefin grinste und fuhr ihre Arbeit fort.
    „Die Blutspur ist vom Shelby entfernt. Sprich Semir wollte entweder fliehen oder Hilfe holen.“, schlussfolgerte Alex und Johanna wies auf das Feld, das zwischen den Bäumen zu erkennen war.
    „Und da die Shelby noch dasteht müssen die Drei auf eine andere Weise weggeschleppt worden sein!“ Alex richtete sich auf und begann mit Johanna den Weg abzulaufen. Nach einer Weile war eine Einbuchtung im Laub ersichtlich.
    „Alex“, murmelte Johanna und zeigte darauf. „Sieht aus als wäre hier jemanden gestürzt.“ Auf diversen Blättern waren wieder rote Blutspuren zu erkennen. „Jemand, der bereits verletzt war!“


    Alex sprang auf und rannte den Hang hinunter zum Feld. Er hörte wie Johanna ihm hinterhersprang und mit ihm am Feld ankam. In dem gelblichen, absterbenden Gras, waren zwei dicke eingefahrene Spuren zu erkennen.
    „Mishka!“, schrie Johanna in den Wald und beugte sich über die Spuren. „Sieht mir nach einem Pick Up oder was ähnlichem aus...für einen normalen Kleinwagen sind die Spuren zu breit“, murmelte sie und Alex gesellte sich neben sie. „Stimme ich dir zu. Sprich sie wurden hier hergeschleppt und dann in einem Wagen mitgenommen...“
    Die Beiden richteten sich auf und Johanna wies auf die Spur. „Sie führt zurück auf die Autobahn...sprich die Typen haben die Drei gepackt und sind dann einfach abgehauen...“
    „Je mehr wir da sehen, umso weniger macht alles Sinn...“, begann Alex, seufzte und verschränkte die Arme, „alles wirkt so überstürzt und doch geplant. Sie lassen vieles zurück, schaffen es aber die Drei beinahe spurlos mitzunehmen.“
    Johanna musste ihrem Partner Recht geben. „Das Gleiche mit der Leiche. Zuerst wird sie beinahe zu Tode geprügelt und auf der anderen Seite mit einem präzisen Schuss in die Schläfe niedergestreckt...“
    „Überstürzt und doch bedacht...“, murmelte Alex.
    „Leute!“, erklang Mishkas Stimme aus dem Wald, „ich weiß ja nicht was ihr gefunden habt, aber meins kann’s sicher nicht trumpfen!“

    Johanna und Alex betraten den Sitzungsraum wo Fabian bereits bereitstand und Maria am Laptop saß. Sie verband ihn mit dem Touchbildschirm an der Wand und sogleich begann der Klingelton eines Programmes zu läuten.
    „Seid ihr bereit?“, fragte Fabian und Johanna sah zu Alex, der nickte. „Annehmen Maria!“ Die Polizeibeamtin drückte einen Kopf und Alex atmete tief durch, als der gesamte Oberkörper seiner ehemaligen Chefin Kim Krüger erschien. Sie hatte die Finger gefaltet und blickte streng in die Kamera.
    Dennoch war die tiefe Sorgenfalte auf der Stirn deutlich zu erkennen. Ihr Blick wanderte sofort zu Alex.
    „Brandt...“
    ...Frau Krüger...“, begrüßte er sie ebenso knapp zurück und die Luft schien zum zerschneiden dick.
    „Werte Kollegin...es tut mir leid Sie unter einem solchen Umstand zu kontaktieren“, begann Fabian sachlich und mit ruhiger Stimme, „neben Ihrem ehemaligen Kollegen, Alexander Brandt, steht seine aktuelle Partnerin: Kriminalkommissarin Johanna Schimke. Sie haben den Wagen sowie die Leiche gefunden.“ Kim atmete tief durch. „Es wurden die Ausweise der Männer gefunden?“, fragte sie und Alex nickte.
    „Ja leider Frau Krüger. Der Wagen ist ebenso auf Paul und Klaus Renner zugelassen. Es besteht kein Zweifel.“
    „Außerdem wurde noch ein Demenzausweis von Klaus Renner dazu gefunden. Jedoch sind die Männer nicht aufzufinden, wir müssen davon ausgehen, dass sie entführt wurden“, fügte Johanna zu Alex Ausführungen hinzu und die Chefin der Autobahnpolizei Köln/Düsseldorf rang sichtlich um Fassung.
    „Hinweise zur Leiche?“
    „Sie wird derzeit untersucht. Sie wurde bis zur Unkenntlichkeit zusammengeschlagen. Wir müssen also auf Zahnabgleiche oder DNA hoffen.“, antwortete nun Fabian. „Frau Krüger, stimmt es wirklich dass Klaus Renner an Demenz leidet?“ Auf Johannas Frage hin seufzte die Angesprochene und rieb sich die Schläfe. „Ja, dies ist bekannt. Die Krankheit schreitet langsam voran und die Erinnerungslücken und Aussetzer werden allmählich schlimmer...“, erklärte sie und Alex schluckte.
    „Frau Krüger, wenn Sie wünschen, werde ich Ihr Team und die Verwandten informieren“, bot Fabian an und Kim winkte ab. „Nein, das ist meine Aufgabe. Ich bitte um eine Zusammenarbeit. Ich werde alleine kommen, da wir aufgrund Weiterbildungen und der gegebenen Umstände unterbesetzt sind.“
    „Wir gehen Ihrem Wunsch gerne nach“, entgegnete Fabian, „bitte teilen Sie unserer Polizeibeamtin mit, wann Sie eintreffen werden. Sie wird Ihnen eine Unterkunft und ein Arbeitsplatz organisieren! Ich stelle Ihnen in dieser Zeit eine Akte zusammen mit allen Informationen, die wir bis dahin finden können!“
    „Ich danke Ihnen!“ Mit diesen Worten wurde die Konferenz unterbrochen und Alex atmete tief durch.
    „Wir gehen zurück! Wir drehen alles um, bis wir einen Hinweis gefunden haben“, bestimmte er danach, packte seine Jacke von einem der Stühle und Johanna tat es ihm gleich. „Brandt!“, rief Fabian und seine beiden Mitarbeiter blieben stehen. Die beiden Männer tauschten kein Wort. Nur einen Blick.
    „Verstanden“, murmelte Alex und zog seine Partnerin aus dem Raum.


    Gemeinsam liefen die Beiden auf Johannas Dienstwagen, einen silbernen Audi A7, zu und stiegen ein. In diesem Moment klingelte Alex’ Handy und er nahm ab.
    „Ja?“ Er wartete ab und ohne ein Wort zu sagen, legte er nach einem kurzen „Mhm“ wieder ab. „Mishka?“, fragte Johanna sofort und Alex nickte. „Die Blutspuren im Wagen selbst stammen von Klaus Renner. Außerdem wurden im Wald Blutspuren gefunden...“, flüsterte er leise und Johanna legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Semir?“, fragte sie leise. „Ja...“, antwortete er und atmete tief durch, bevor er sein Handy einsteckte. „Fahren wir...“
    Johanna startete den Motor und fuhr in die Autobahneinfahrt ein. Im Rückspiegel sah sie das rote Ziegelgebäude, dass das Präsidium der Autobahnpolizei Kreis Freudenberg verkörperte.
    „Die leben noch, das spüre ich!“, sprach sie dann aus und spürte Alex Blick in ihrem Nacken. Sie sah ihn kurz an und lächelte aufmunternd.
    „Nenn’ es weibliche Intuition...“
    „...aha...“
    „Hey, große, geniale Entscheidungen sind aufgrund weiblicher Intuition gefallen.“
    „Ich möchte nur, dass der Mann, der mich wieder auf die Beine gebracht hat, heil aus der Sache herauskommt...seine Freunde ebenso!“
    Johanna legte einen Gang nach Alex Satz ein und erhöhte das Tempo. „Wie du gesagt hast. Wir drehen jeden Kieselstein um wenn es sein muss!“ Sie steuerte auf den Waldabschnitt zu und parkte den Wagen in den abgesicherten Bereich, nachdem sie einem uniformierten Kollegen den Ausweis gezeigt hatte. Dieses Mal war es Johanna, die, die Packung mit den Handschuhen Alex zuwarf und dieser legte sie, nachdem er sein Paar angezogen hatte, auf die Motorhaube.
    „Dann lass uns jeden Stein umkehren!“, sagte er entschlossen und sie liefen auf den Tatort zu.

    Ich möchte ich gar nicht in eine solche Situation hineindenken. Der schmale Grad zwischen Leben und Tod wo letzterer eigentlich schon am längeren Hebel sitzt. Ich bewundere solche Menschen wie Andrea hier in der Story immer. Ich wüsste nicht, ob ich die Kraft hätte.

    Semir schaute sich um. „Was soll das eigentlich sein? Ein alter Lagerraum?“ Paul lief herum und sah sich die Dosen und Verpackungen. „So alt kann der nicht sein. Manche der Dosen und alles sind noch lange gültig.“
    „Mag sein...aber das Gebäude selbst kann nicht so neu sein!“ Er zeigte auf Pauls fragenden Blick auf die Wände. „Dieser Baustil wird schon lange nicht mehr angefertigt. Das ist typischer 70er Jahre Aufbau.“
    Paul kletterte auf einer der Regale und sah sich die Decke und die oberen Teile der Wände an. Nebenbei klopfte er an die Wand und rieb sich danach kurz die Knöchel. „Hartes Material...und ich sehe keinen richtigen Lüftungsschacht. Das fällt also aus!“ Er sprang auf den Boden zurück und Semir durchsuchte seine Taschen. „Die haben uns jedenfalls alles abgenommen. Kontaktieren können wir auch niemanden!“
    „Oder jemand uns...“, murmelte Paul und verschränkte die Arme. „Auf gut Deutsch: Wir stecken in der Scheiße...“, knurrte Semir und zischte kurz auf, bevor er sich die verletzte Schulter hielt.
    „Komm setzt dich wieder hin!“, befahl Paul beinahe forsch und half Semir, sich wieder auf den Boden zu setzten. „Meine alte Knochen sind nicht mehr das, was sie mal waren...früher habe ich so was leichter weggesteckt.“ Ohne es zu wollen konnte Semir mit diesem Satz seinem Partner ein Lächeln entlocken. „Dafür hast du ja mich!“, sagte er daraufhin und tastete die Türe ab. „Von außen verriegelt. Keine Chance!“, stöhnte Paul und schlug mit der geballten Faust dagegen. Erneut schlug er dagegen.
    „WO IST MEIN VATER, IHR SCHWEINE!“, schrie er und kickte gegen das eiskalte Metall der Türe.
    „SCHNAUZE DA DRIN!“, kam es dumpf von draußen und Paul schreckte zurück als das Gegenüber anscheinend ebenfalls gegen die Türe schlug.
    „Netter Typ!“, murmelte Semir und Paul begann zu schnauben. Er rannte gegen die Türe und schlug mehrere Male dagegen. „Du Dreckskerl! Mach die Türe auf! Wo ist mein Vater!?“, Pauls Stimme überschlug sich mehrmals und er stemmte seinen ganzen Körper gegen die Türe.
    „Paul...“, mahnte Semir, als die Wache auf der anderen Seite ebenfalls zurückschrie. Doch Paul redete sich weiter in Rage.
    „PAUL!“, schrie Semir nun und der Blonde schritt schwer atmend zurück. „Das bringt weder uns noch deinem Vater etwas...“, begann Semir als Paul ihn endlich ansah, „momentan müssen mir mitspielen, ob du willst oder nicht...“, sagte er sanfter und Paul fuhr sich durchs Haar. „Semir...du weißt...“
    „...ja weiß ich! Deshalb mahne ich dich ja! Wenn die mitbekommen was mit deinem Vater ist, könnte er in großer Gefahr sein.“
    „Das ist ein Alptraum...“, flüsterte Paul, lehnte sich an die Wand und ließ sich auf das Gesäß fallen.


    Er schreckte wieder zurück, als die Türe sich öffnete und etwas in den Raum geworfen wurde, bevor die Tüte wieder zugeschlagen wurde.
    Semir, der sich als Erster wieder vom Schrecken erholt hatte, erkannte sofort, um was es sich handelte und seine Augen rissen weit auf. „Oh mein Gott!“, stieß er aus und drehte den Körper um. Nun war auch Paul wieder Besinnen und sein ganzer Leib begann zu zittern. „PAPA!“, schrie er, war in einem Eiltempo bei dem Körper und erblickte das zerschlagene, blutige Gesicht seines Vaters.
    Klaus Renners Augen waren so zugeschwollen, dass nur zwei Geschwulste zu sehen waren. Von diversen Cuts an der Stirn, lief das Blut in diversen Striemen die Wangen hinunter. Die Lippen waren aufgesprungen und der linke Wangenknochen wirkte eingedrückt.
    „Oh Gott“, schluchzte Paul und legte sofort zwei Finger auf den Hals seines Vaters. Ein rasender Puls schlug seinen Kuppen entgegen und Paul sah, wie Semir mit Eis und dem restlichen weißen Stoff neben ihm hinkniete. Mit dem gesunden Arm reichte er Paul sofort das Eis und dieser legte es auf die Augen seines Vaters.
    Dieser zuckte auf und ein leises Wimmern entwich seinen Lippen. „Nicht...noch mehr schlagen...“, murmelte er und Paul biss sich auf die Unterlippe. „Wir sind’s Papa...Semir und ich...“, sagte er leise.
    „Paulchen?“, flüsterte Klaus. „Ja Papa...wir sind da. Die Typen sind weg. Du wirst nicht mehr geschlagen...“
    „Die haben mich geschlagen...sagten ich sei Schuld an allem. Es tut mir so leid Paul...“
    „Ist okay Papa...ist okay...“

    Ist ja einiges passiert wieder seit ich das Wochenende über ziemlich abwesend war :O
    Also hoffentlich kann Kim etwas entdecken, auch wenn sie diesen...ja...Typen dabei hat.
    Aber um Semir siehts ja wirklich nicht gut aus. Hoffentlich steht unser türkischer Hengst das durch!

    „Ihr Mistkerle! Was habt ihr mit ihm gemacht?! Wo habt ihr ihn hingebracht! Hey!“




    Der laute Schrei seines Partners drang in seine Ohren und langsam kamen seine Sinne wieder zurück. Das Gehör nahm immer mehr das andauernde Surren eines Tiefkühlers war und die Augen lösten sich langsam von dem Nebel, der sich über ihnen gebildet hatte. Die Nase erhaschte den Geruch von Metall, Fleisch und Plastik.


    Doch mit dem Rückkehr der Sinne, kam auch das körperliche Empfinden wieder zurück. Seine Muskel brannten und jede Sehne stand in Flammen. Besonders seine rechte Schulter fühlte sich gleichzeitig taub an und doch war die Pein beinahe kaum zu ertragen.


    „Semir...hey, kannst du mich hören?“


    Er sah nach oben und erblickte den blonden Schopf seines besten Freundes. „Oh Gott...“


    Semir konnte fühlen, wie sein verletzter Arm hochgehoben wurde und ohne dass er es wollte, stieß er einen grellen Schrei aus, als die Bewegung durch die Schulter ging.


    „Nein...nicht, bitte Paul...!“, wimmerte Semir und spürte, wie sein Arm wieder gesunken wurde.


    „Tut mir leid, Partner, aber es muss sein...“, flüsterte Paul und Semir stöhnte erneut auf, als Paul ihn aufrichtete und an die Wand lehnte.


    „Was zur Hölle ist passiert?“, keuchte Semir und Paul presste die Lippen aufeinander. Als sein Partner aufstand bemerkte Semir, dass die Beiden sich in einem Lager befanden. Überall standen Regale mit Konservenbüchsen und gefüllten Plastikflaschen. Jedoch hatten sich über all diese Artikel bereits ein leichter Staubfilm gebildet und die trockenen Partikeln flogen im schwachen, bläulichen Licht der lose hängenden Glühbirnen.


    Ohne ein Wort zu sagen begann Paul die Schränke zu durchsuchen und nahm weiße Stoffreste sowie eine Packung Gaze hervor. Er beugte sich erneut zu Semir hinunter.


    „...Paul...?“


    „Ich hätte niemals vorschlagen sollen, ihn mitzunehmen...“, flüsterte Paul und begann Semirs Schulter zu versorgen. Im Augenwinkel konnte der Deutschtürke nun erkennen, dass es sich um eine Steckschusswunde handelte.


    „Es tut mir so leid, Semir...“ Der Angesprochene konnte seinen Blick nicht von seinem Partner wenden, der auf der einen Seite hoch konzentriert seine Wunde verarztete und doch immer wieder blinzelte, um aufkommende Tränen zu unterdrücken.




    „Oh Scheiße...der kurze Stopp wegen deines Vaters...diese komischen Typen...ich erinnere mich!“, kamen die Bilder nun zurück in Semirs Kopf. Er zuckte erneut auf als Paul seinen Arm an den Körper lehnte und aus dem weißen Stoff eine Schlinge bastelte.


    „Ich habe die Wunde abgedrückt und die kleine Kugel herausgenommen, sie steckte zum Glück nicht tief. Jedoch bis wir hier raus sind, solltest du den Arm ruhig halten...“, erklärte der Blonde langsam und setzte sich dann gegenüber seines besten Freundes und stützte die Arme auf den angewinkelten Knien ab, nur um die Hände ineinander zu falten und den Kopf darauf zu legen.


    „Wir waren so gut wie zuhause...ich hätte nur einmal strenger mit ihm sein sollen! Aber nein, ich sage ihm noch dass es okay ist wenn er im Wald frische Luft schnappen will...“ Semir bemerkte wie stark Pauls Stimme bebte und obwohl er das Gesicht nicht sehen konnte, so konnte er jeden Ton des Selbstvorwurfes hören.


    „...dort sah er die Typen, die auf ihren Kollegen einprügelten und wollte eingreifen. Langsam kommt alles wieder zurück. Als wir flüchten wollten haben die mich als Schussübung benutzt...“ Semir blickte auf Pauls provisorische Vorrichtung und rieb sich mit der gesunden Hand die verletzte Schulter. „Moment...wo haben die deinen Vater hingebracht?“, schoss es dann in Semirs Kopf und Paul zuckte mit den Achseln.


    „Ich weiß es nicht...“, antwortete er heiser und dieses Mal konnte Semir ein leises Schniefen hören, „ich habe keine Ahnung...“


    „Er lebt Paul, da bin ich mir sicher!“, sagte Semir nun wieder mit klarer Stimme, „Wir müssen einen Weg hier rausfinden. Ich möchte nicht so enden wie den Typen, den die verprügelt hatten...“


    „...und erschossen...“, fügte Paul hinzu, „als du angeschossen zu Boden gefallen bist, haben die den Typen in den Kofferraum des Shelbys verfrachtet und mit einem Kopfschuss niedergestreckt.....“


    „...Nette Zeitgenossen!“, grummelte Semir und richtete sich mit verzogenem Gesicht auf. Er streckte Paul die gesunde Hand hin und dieser verstand. Er schlug ein und stand auf. „Ich mache die körperliche Arbeit. Ich konnte zwar die Schulter notdürftig versorgen, wir sollten aber nichts riskieren!“, fügte er seiner Geste hinzu und wusch sich mit dem Unterarm die letzten Tränen aus dem Augenwinkel.
    „Geht’s?“, fragte Semir mit väterlicher Fürsorge und Paul nickte. „Muss ja!“