Mit der Herbststaffel 2019 geht hoffentlich die qualitative Achterbahnfahrt, die die Serie insbesondere 2016 begonnen hat, zu Ende. 8 Staffeln mit Daniel Roesner als zweiten Hauptdarsteller liegen hinter uns, davon 2 mit „Keine Ahnung, irgendwie irgendwas“-Konzept, 3 mit Comedy pur bis zum Erbrechen und zuletzt 3 Staffeln mit der Rückkehr zur ernsthaften und meist auch ernstzunehmenden Schiene. Beachtlich ist hierbei im Hinblick auf RTLs Plan ab Herbst 2015, dass die Anzahl der ernsteren Folgen der Paul-Ära vielleicht sogar mittlerweile knapp höher ist als die der Comedy-Episoden.
Neben dem blassesten Hauptdarsteller der gesamten Serienhistorie (auch Jan Richter und Frank Stolte konnten sich deutlich mehr behaupten), der fatalerweise zu oft in eine Statistenrolle abgerutscht ist (Extrembeispiele wären hier „Kriegsbeute“ oder „Freier Fall“), war das größte Problem in dieser Zeit eigentlich das, was Campino letztens konkretisiert hat: Ein zu großer Qualitätsunterschied zwischen den leichten und den ernsten Folgen, der in der Ben-Jäger-Ära so nie vorhanden war. Selbst die wirklich ernsten Folgen zwischen Herbst 08 und Frühjahr 13 hatten immer noch zwischendrin, bspw. bei Verfolgungsjagden, verzichtbare Comedyeinschübe. Es war nie so düster wie zB bei „Überleben“, immer schwang die Lockerheit mit, mal mehr, mal etwas weniger. Dadurch hat man zwar selten 9 Punkte und aufwärts vergeben, aber es war alles noch irgendwie aus einem Guss. Das war ab 2016 nicht mehr der Fall.
Für mich ist es ebenfalls klar gemeinsam mit H18 und F19 Pauls beste Staffel. Überraschend stark abgebaut hat man beim Thema Autobahnbezug. Wenn ich das so überblicke, hat man es offenbar gerade mal in 2 Folgen geschafft, die Autobahn einzubinden, absoluter Minusrekord. Im Frühjahr war sie dagegen in allen (!) 7 Folgen zu sehen.
Weniger überraschend ist der schwindende Actionanteil. Vor allem die Aufteilung könnte besser sein. Wenn die vierte Folge mehr enthält als die drei davor zusammengenommen, stimmt irgendwie das Verhältnis nicht mehr.
Ein weiterer Kritikpunkt ist ebenso klar, dass man Finn und Jenny kommentarlos streicht geht anno 2019 wirklich gar nicht mehr und es bedarf hier 2020 mindestens (!) einer entsprechenden Dialogszene. Wäre Vermächtnis ein Dreiteiler geworden, hätte man da ja noch schön was zusammenbasteln können. Aber offenbar fehlte es am Ende dann an Kreativität.
Sehr schön ist hingegen der wieder deutlichere rote Faden, insbesondere ab „Auf Bewährung“, auch wenn die Erzählung der Backgroundstory an sich nicht so recht überzeugen will und oft sehr unbeholfen wirkt. Dass man Pauls Ausstieg auch bereits vor dem Finale in den Folgen thematisiert und vorbereitet, betrachte ich ebenfalls als Fortschritt. Insbesondere bei Ben ging das innerhalb von 5 Minuten, hier ist das Ganze deutlich nachvollziehbarer.
Die Reihenfolge ist dieses Mal wirklich nicht ganz einfach gewesen.
„Dienstschluss“ und „Außer Atem“ haben mich beide, trotz kleinerer Schwächen wirklich sehr begeistert, was Erstere letztlich etwas stärker macht, ist diese ungeheure Konsequenz in vielen Szenen, endlich mal Härte zu zeigen.
„Zoé“ und „Vermächtnis 2“ liegen prinzipiell fast gleichauf, nach reiflicher Überlegung habe ich sie hier nochmal getauscht, weil mich am Finale stört, wie zügig man sich durch den Rachefeldzug arbeitet.
Knapp dahinter liegt dann der erste Part, filmisch ein Meisterwerk, inhaltlich mit gewissen Längen. Letztlich hätte man die Folge als reinen 90-Minüter konzipieren sollen, dann wäre man schon nach 25-30 Minuten aus dem Hotel gewesen und hätte für den zweiten Akt mehr Zeit gehabt.
„Der Sani“ ist genau das, was ich ab 2020 wieder mehrheitlich erwarte, eine Tom-Kranich-Ära-artige Folge, sehr bodenständig, ohne PAST-Bezug aber inkl. Autobahn, zum Miträtseln. Lediglich am Humor kann man hier ein bisschen drehen, der war leicht übertrieben - und der komplett unlustige Porzellan-Gag gehört vergessen...
„Verhängnisvolle Nacht“ krankt vordergründig an Daniel Freundliebs Score und dem schnellen Ende mit der verpassten Chance. Zavelberg leistet als Regisseur eine wirklich starke Arbeit (die mit Nik und Jaro noch besser ausgefallen wäre), das Drehbuchschreiben sollte er aber nochmal üben.
„Brautalarm“ ist schwierig zu beurteilen, denn die Folge will natürlich unglaublich viel und Ralph Polinski hat diesen emotionalen Touch, den Tozza so genial kann, einfach nicht drauf. An Comedy, wie zunächst befürchtet, scheitert es definitiv nicht, aber letztlich kommt einem die Episode an sich vor allem was den Fall betrifft recht überflüssig vor, sie fungiert hauptsächlich als Bindeglied zwischen „Dienstschluss“ und dem Finale.
Die schwierigste Folge dieser Staffel war der Auftakt „Happy Birthday“. Auch wenn mich die Inszenierung bei jedem Mal absolut begeistert, der Score unglaublich stark ist und die Schauspielerleistungen nahezu perfekt sind, so ist das komplette Drehbuch nichtsdestotrotz von vorne bis hinten ein Reinfall Klasse A und das kann ich nicht unberücksichtigt lassen, man geht hier von Fettnäpfchen zu Fettnäpfchen, was wirklich nicht hätte sein müssen. Es wirkt dann im Hinblick auf „Der letzte Tag“ fast schon absichtlich, Ben und Kemal ausgerechnet hier in einer Folge auftreten zu lassen. Mehr als die Hälfte der Punkte ist einfach nicht drin.
Der einzige Totalausfall der Staffel ist Susannes Ausstiegsfolge, die man insbesondere in der zweiten Hälfte mit Vollgas gegen die Wand fährt. Gerade wenn man zuletzt so starke Inszenierungen von Tozza/Paschmann, Zavelberg und auch von Höret selbst gesehen hat, fühlt man sich hier einfach nur verschaukelt. Schämen solltet ihr euch. Bitte werft den Herrn Barth einfach raus.
Ich freue mich 2020 auf die neuen Charaktere und hoffe zunächst mal, dass man sie ordentlich einführt und die auch ein bisschen was zu erzählen haben. Mehr Autobahnbezug, weniger Folgen pro Jahr, (interessante und gut durchdachte) Verbindungen zwischen den einzelnen Folgen, Weglassen der Comedy, stattdessen wohldosierter, zum Schmunzeln anregender Humor, Beibehaltung des Thrills und eine charakterstarke (aber nicht überzeichnete) Partnerin, die mit Erdogan glaubhaft harmoniert, das dürften die Ansprüche für die nächste und vielleicht letzte Ära der langen C11-Geschichte sein. Der Anfang ist mit den letzten drei Staffeln jedenfalls getan.
Letztendliche Reihenfolge:
1. 361 - Dienstschluss (10/10)
2. 356 - Außer Atem (10/10)
3. 357 - Zoé (9/10)
4. 364 - Vermächtnis 2 (9/10)
5. 363 - Vermächtnis 1 (8,5/10)
6. 359 - Der Sani (8,5/10)
7. 358 - Verhängnisvolle Nacht (8/10)
8. 362 - Brautalarm (7/10)
9. 355 - Happy Birthday (5/10)
10. 360 - Auf Bewährung (0/10)