Beiträge von Krypto

    Inzwischen waren Semir und Alex hinzugekommen. „Herr Gerkan, Herr Brandt. Das ist Steffi Ruqiya Ceylan, die Frau des Flüchtigen.“ Alex streckte Steffi die Hand entgegen. Steffi ließ sie im Raum stehen, nahm sie nicht an. „Entschuldigen Sie, es ist mir unangenehm, fremden Männern die Hand zu geben,“ sagte sie. „Ja, unhygienisch ist Händeschütteln sowieso,“ stellte Jenny etwas ironisch fest. Kim Krüger überging den peinlichen Moment schnell indem sie sich an ihre Männer wandte: „Frau Ceylan hat uns darüber informiert, dass Deniz Ceylan nach Syrien ausreisen und für den IS kämpfen will. Die Ausreise war für heute geplant. Frau Ceylan hat jedoch die Pässe und Tickets an sich genommen und damit eine legale Ausreise unmöglich gemacht. Herr Ceylan wird also versuchen, seine Frau zu finden und zu bestrafen. Da seine Eltern ebenfalls gegen eine Ausreise waren, bitte ich Sie, Herr Gerkan, sie zu informieren. Die Adresse haben Sie schon auf Ihrem Smartphone. Vielleicht haben sie neue Anhaltspunkte über seinen Aufenthaltsort. Eine weitere Adresse wäre auch die Al-Aqsa-Moschee, aber bevor sie dort hin gehen, sollten wir nochmals sprechen.“ „Gut, Chefin, aber was ist mit ihr,“ fragte Alex. Etwas ratlos sahen sich alle im Raum an.Kim Krüger sah Steffi an: „Ihr Einverständnis vorausgesetzt, bringen Frau Dorn und Herr Endres Sie nachher erst mal in die Rechtsmedizin. Die Verletzungen müssen dokumentiert werden. Aber danach? Für einen Personenschutz reicht es noch nicht. Tut mir leid,“ sagte die Chefin. „Aber bei ihren Eltern oder Schwiegereltern wird er sie doch als Erstes suchen. Und sie ist schwanger. Wir dürfen doch nicht zulassen...“ warf Semir ein. Gerade hatte seine Chefin den Mund geöffnet, da fragte Steffi: „Müssen Sie mich nicht eigentlich hier behalten? Für eine Nacht? Das können Sie doch, oder?“ Die Chefin überlegte kurz: „Naja, wenn wir das mal so betrachten: Wir haben Sie jetzt ja eigentlich daran gehindert, eine terroristische Vereinigung zu unterstützen… also zumindest besteht der dringende Verdacht, dass auch Sie nach Syrien reisen wollten. Das mit der Schwangerschaft und den Pässen – ich habe keinen Beweis dafür, dass Sie auch die Wahrheit sprechen...“ Etwas ängstlich widersprach Steffi: “Aber es ist die volle Wahrheit!“ Die Chefin nickte, leicht lächelnd. „Wir müssen sowieso das LKA und das BKA informieren. Die werden Sie auch befragen wollen. Semir und Alex waren beim ersten Satz schon aus dem Zimmer gekommen: „Komm, lass uns fahren, bevor die Besserwisser sich da einmischen,“ sagte Alex zu seinem Partner. Semir nickte und startete den Wagen. „Das ist in Köln-Kalk. Da kenne ich mich bestens aus. Das ist mein Revier.“ Alex grinste. Wenige Straßen vor dem Ziel hielt Semir jedoch an einem Obst- und Gemüseladen an. „Hey, Partner, was machst du denn jetzt,“ fragte Alex Semir, der aus dem Wagen stieg. „Ich dachte, du kennst dich aus? Wir sind noch nicht da!“ „Ich weiß,“ knurrte Semir kurz. „Nicht quatschen. Mitkommen. Zuhören.“

    Susanne hatte Steffi einen Ingwertee gemacht. „Der hilft gegen die Übelkeit,“ bewarb sie das scharfe Gebräu, nachdem Steffi sich gleich bei Ankunft in der PASt wieder auf direktem Weg zur Damentoilette begeben hatte. Diese nickte und bedankte sich. „Kein Problem. Ich kenne das auch,“ erklärte ihr Susanne. „So schlimm wie heute war's noch nie. Aber beim Autofahren wurde mir schon als Kind schnell übel und jetzt die Aufregung und die Schwangerschaft...“ entschuldigte sich Steffi. Die fürsorgliche Susanne gab ihr Wechselklamotten und ihren Schal. Kurz darauf saß die junge Frau in Kopftuch, Pullover und Jeans der Chefin und Jenny gegenüber. „Haben Sie denn irgendeine Idee, wo wir ihren Mann finden können,“ fragte Kim Krüger. Steffi zog die Schultern hoch. „Wenn er weiß, dass ich die Pässe und Tickets habe, wird er zuerst nach mir suchen.“ „Der Flug von Frankfurt geht in zwei Stunden. Den kann er stecken,“ bemerkte Jenny trocken. „Und dann ist ihm auch klar, dass ich hier alles sagen werde...“ Steffi hatte sichtlich Angst. „Wo wird er Sie denn suchen.“ „Zu Hause. Bei seiner Familie. Oder bei meinen Eltern. Wobei… mein Vater hat ihm beim letzten Besuch eh' erklärt, dass er ihn niemals wiedersehen will. Jedenfalls nicht, bevor er wieder „normal“ wäre. Deniz hatte verlangt, dass ich auch vor meinem Vater einen Niqab, einen Gesichtsschleier, trage. Weil er kein Muslim ist. Dabei ist das Unsinn...“ Jenny seufzte leicht genervt auf. Sie konnte mit dem ganzen religiösen Kram wenig anfangen. Um die Sache voran zu bringen, fragte sie: „Und wo kannst du wirklich hin?“ „Ich weiß es nicht. Ich habe ja immer noch gehofft, ich könnte ihn mit Worten umstimmen...Das mit den Tickets und den Pässen, das sollte meine Versicherung sein. Ich wollte sie notfalls im Flughafen Frankfurt im Gebetsraum verstecken. Oder in den Müll werfen...Er sollte das nicht bei mir finden können.“ „Hm. Deine Wange sieht nicht danach aus, als hättest du bei diesem Mann mit Worten eine Chance..“ warf Jenny ein. Kim Krüger sah ihre Mitarbeiterin tadelnd an. Mitgefühl ging anders. Steffi schluckte, sah zuerst nach unten, dann Jenny direkt in die Augen. „Bis heute Morgen hatte ich die Hoffnung, mein Baby könnte einen normalen, liebevollen Vater haben.“ Tränen standen in ihren Augen. „ Da habe ich ihm gesagt, dass es falsch ist, nach Syrien zu gehen. Wer wirklich helfen will, der findet hier genug zu tun. Die Antwort war ohne Worte. Ein Schlag in mein Gesicht, so heftig, dass ich mich gerade noch abfangen konnte.“ Sie zog ihren Pulloverärmel bis zum Ellbogen. Auf dem Unterarm zeichnete sich eine rot-blaue Linie an. „Da wusste ich: Der Deniz, den ich geliebt und geheiratet habe, ist schon weg.“


    Kim Krüger stand auf. „Gerkan soll zur Familie und die mal vorwarnen. Wie stehen denn Ihre Schwiegereltern zu den Plänen Ihres Mannes? Wissen sie von der Schwangerschaft?“ „Nur Aynur, meine beste Freundin weiß es. Sie ist meine Schwägerin. Über sie habe ich auch Deniz kennengelernt. Ihre Eltern, also meine Schwiegereltern, sind sehr, sehr gute Menschen. Ich glaube, sie wussten nichts von Deniz wahren Plänen. Vor zwei Monaten hatten er und sein Vater einen riesigen Streit. Deniz hat seinem Vater vorgehalten, selbst ein Ungläubiger zu sein. Weil der ihm verboten hatte, auch nur vom IS zu reden. „Worte sind der Beginn der Taten. Und ich will nicht, dass du da irgendetwas tust. Sei es Geld sammeln, sei es in der Moschee Reden halten oder Schlimmeres!“ hat er gesagt. Dabei findet er es durchaus grausam, was Assad mit den Menschen dort macht. Aber meine Schwiegereltern haben lieber Essen in die Turnhalle zu den Flüchtlingen gebracht, als sich mit den politischen Dingen auseinanderzusetzen. Deniz hatte mir also verboten, mit meinen Schwiegereltern noch groß Kontakt zu haben. Damit ich bloß nichts erzählen konnte. Ja, total verrückt...“

    Dass Sarah die Idee mit der Pille danach hat, verstehe ich. Aber die wirkt ja nur in einem bestimmten Zeitraum und rechtlich dürfte man ihr das wohl nicht geben. Wir sind ja nicht in China oder so. Insgesamt ist die Fruchtbarkeit von Frauen - insbesondere über 30 (und da stecke ich Maria mal hin) - nicht so hoch, wie es sich Maria wünschen würde. Außerdem senkt emotionaler Stress bei Männern die Spermienqualität drastisch. Dazu noch das fehlende Prostatasekret...ich denke nicht, dass da was bei entstanden ist.


    Was sind denn Geheimkapitel?

    Semir war bei dem Verletzten geblieben, hatte ihn mit der Rettungsdecke aus ihrem Wagen zugedeckt. Er hatte beim Aufwachen ruhig zugesprochen, während sich Alex ein Bild von der Lage machte. Der Splitterregen der Explosion hatte für weitere Verletzte gesorgt. Und eine Frau, die in einem der Fahrzeuge weiter hinten gesessen hatte, war beim Aufprall nicht angeschnallt gewesen. Sie hatte es mindestens genau so schlimm erwischt, wie Ismael Güner. Sie wurde von dem ersten eintreffenden RTW versorgt und Semir musste noch weiter bei Ismael warten. Der hatte ihn erst verwundert angesehen – irgendwie kam ihm das Gesicht bekannt vor. Bald aber hörte er auf zu denken, schloss wieder die Augen und stöhnte vor Schmerzen. Semir blieb wenig übrig, als seine Hand zu halten – wie er diese Hilflosigkeit hasste!
    Immerhin waren die zwei vom Rettungsdienst ein eingespieltes Team. Jeder Handgriff saß und Semir fühlte sich sogar in der Funktion als Infusionsständer deutlich wohler, als zuvor. Gerade wurde Ismael in den Rettungswagen geschoben, da kam Alex zurück und stellte fest: „Ich versteh's nicht...“ „Ich auch nicht,“ meinte Semir. Beide grinsten sich kurz an. „Was meinst du eigentlich,“ fragte Semir. „Dass sich die Leute nicht anschnallen,“ meinte Alex und sah sich wütend den Blutfleck auf seiner Jacke an. „Ja, das ist in der Tat unverständlich,“ pflichtete ihm der hinzugekommene Notarzt bei, bevor er zu seinem Patienten in den Wagen stieg. „Und ich versteh's nicht, dass mir so ein popeliger Mazda entkommen konnte,“ grummelte Semir. „Na, könnt' ihr eure Unterhaltung auch ohne uns weiterführen? Wir würden gern die Türen schließen,“ fragte der Rettungssanitäter. „ Klar. Sorry,“ sagte Semir und hüpfte aus dem Türbereich nach draußen zu Alex. „Alles Gute, Ismael,“ rief er noch, bevor die Türen schlossen. „Komm, lass uns zur PASt fahren. Wir müssen uns auch erst mal wieder aufwärmen,“ forderte dieser seinen Partner auf. „Endres und Jenny haben das Mädchen, also die Frau von dem Geflohenen, mitgenommen. Das ist übrigens nicht der Halter des Fahrzeugs. Der Typ, der uns abgehängt hat, heißt Deniz Ceylan. 24, seit Geburt wohnhaft in Köln-Kalk. Er wurde wohl heute auf seinem Weg nach Syrien in den Dschihad gestört.“
    „Versteh' ich auch nicht, solche Leute,“ sagte Semir kopfschüttelnd, während er sich anschnallte und den Rückwärtsgang einlegte. „Ich meine: Andere fliehen von dort hierher. Und so ein kleiner Pascha von hier will da hin, Krieg spielen, oder was?“ „Pascha...“ feixte Alex „Du musst es ja wissen...“

    Jetzt mal ne doofe Frage: Maria hat versucht, Ben die Samen aus dem Hoden zu entnehmen, oder? Aber ohne den Weg durch die Prostata sind die Spermien doch nicht für diese Art der Befruchtung zu gebrauchen...hoffentlich gibt es einen netten Arzt, der das Ben nahe bringen kann....

    Das Gesicht der jungen Frau war bleich, ihre hellgrünen Augen vom Weinen gerötet, die linke Wange war rot und geschwollen. Es roch sauer nach Erbrochenem und offensichtlich hing auch etwas davon an ihrem weiten, dunklen Mantel und dem nach unten gezogenen Gesichtsschleier. Jenny trat angewidert einen Schritt zurück. „Ich kann nicht nach Syrien,“ schluchzte die junge Frau auf. „Das müssen Sie auch nicht. Wie heißen Sie denn?“ „Kannst ruhig „Du“ sagen. Steffi Ceylan – Ruqiya ist mein muslimischer Name....das vorhin war mein Mann Deniz Ceylan. Er will nach Syrien...“ sie lehnte sich an die Wand des Häuschens. „Nach Syrien,“ murmelte Jenny. „Sie müssen Deniz aufhalten! Er will in den Krieg! Er ist ganz besessen davon...“ „Entschuldigung,“ sagte die junge Frau noch und eilte wieder zur Toilette. Instinktiv stellte sich Jenny wieder vor die Tür. Noch während sie das erneute Würgen hörte, funkte Jenny Susanne an: „Zentrale für Cobra 9/1“ „Zentrale hört“ „Der Gesuchte heißt Deniz Ceylan, mutmaßlicher Freiwilliger des IS. Seine Frau ist bei mir...“
    Steffi erschien wieder an der Tür. „Entschuldigung.“ „Magen-Darm-Grippe ist das nicht, oder?“
    Steffi schüttelte den Kopf. „Ich bin schwanger. Fast vierzehnte Woche. Deniz weiß nichts davon.“ „Ist es nicht sein Kind,“ fragte Jenny. Steffi sah Jenny verstört an: „Doch! Natürlich! Was denkst du von mir?“ Jenny zuckte mit den Schultern. „Entschuldige. Aber warum hast du ihm nichts gesagt? Freut er sich nicht?“ Steffi seufzte:“ Er ist so anders, seit er in die Al-Aqsa-Moschee geht. Ich wollte auch noch warten. Manchmal wird ja auch nichts draus...“
    Inzwischen war Endres wieder auf den Parkplatz gefahren. „Na, die Damen? Bereit für die Fahrt zur PASt?“ „Sie haben ihn nicht erwischt,“ fragte Steffi Endres mit großen Augen. Endres schüttelte den Kopf: „Ich darf das gar nicht allein. Aber unsere besten Kollegen sind dran,“ versicherte er und verschwieg, dass er schon von der erfolgreichen Flucht wusste. „Bitte! Sie müssen ihn finden, bevor er mich findet!“ Jenny öffnete Steffi die Tür zur Rückbank: „Du kommst jetzt mal mit uns. Auf der PASt kannst du dich frisch machen. Und wie ich Susanne kenne, hat sie bestimmt noch einen guten, warmen Tee für dich.“ Als Endres los gefahren war, fragte Jenny: “Was macht dir solche Angst?“
    Steffi zog zwei Reisepässe und Flugtickets unter ihrem schwarzen Umhang hervor und reichte sie Jenny.
    „Er weiß es noch nicht: Aber ohne mich kommt er nicht weit,“ sagte Steffi. Jenny und Endres sahen sich an: „Du hast das geplant?“ Steffi blickte zu Boden. „Erst habe ich gedacht: Der kriegt sich schon wieder ein. Aber das Gegenteil war der Fall. Er redete immer mehr von Syrien. Vom Kampf gegen Kuffar, Ungläubige. Er meinte, ich müsste helfen. Ich müsste meine Fähigkeiten einsetzen...“ „Fähigkeiten,“ wunderte sich Jenny. „Ja. Ich habe im Juli meine Ausbildung zur Chemisch Technischen Assistentin abgeschlossen. Im Labor stört das Kopftuch niemanden...Aber seit ich nun wusste, dass unser Baby eine Seele haben würde, war mir klar: Er geht den falschen Weg!“ „Eine Seele,“ hakte Endres nach „Ja. Wir glauben, dass Gott den Körper eines Menschen erst zwölf Wochen im Mutterleib wachsen lässt. Erst dann schenkt er ihm eine Seele.“ Jenny nickte. „Und wenn es zu einer frühen Fehlgeburt kommt...“ „Brauchst du nicht traurig sein,“ ergänzte Steffi eifrig. „Überhaupt,“ fuhr sie fort: „Es ist ja Gottes Wille.“ „Naja,“ warf Endres ein „wenn du dich schon freust und hoffst, ist das dann nicht auch Gottes Wille?“ „Ja. Natürlich. Man darf auch traurig sein. Unser Prophet hat fast alle seine Kinder zu Grabe tragen müssen. Und er hat auch geweint. Aber nie das Vertrauen zu Gott verloren.“ „Aha,“ antwortete Endres. Von Jenny kam nur ein kurzes „Mhm“, denn ihr war der Eifer der Konvertitin suspekt. Der kurze Moment peinlichen Schweigens wurde durch Alex' Funkspruch und die Nachforderung weiterer Kräfte durchbrochen. Nun war auch Steffi klar, dass Deniz entkommen war.

    Alex gab noch schnell Susanne Bescheid, dass ihnen der Mazda entkommen war, bevor er Semir folgte. Die Fahrerinnen der beiden Fahrzeuge zwischen ihnen und dem Kleintransporter waren ausgestiegen. "Laufen Sie weg," schrie Alex ihnen zu. "Nach hinten," schrie er weiter und rannte an ihnen vorbei.
    Hinter den ausgelösten Airbags hing der Fahrer des Kleintransporters bewusstlos im Gurt. Die Fahrertür war so sehr verkeilt, dass weder Semir noch Alex sie öffnen konnten. Unter Einsatz seines ganzen Körpergewichts bekam Semir die Beifahrertür auf. Er stürzte hinein und schnitt mit seinem Rettungsmesser die Gurte auf. Er rüttelte und zog an dem Bewusstlosen, der sich jedoch kaum bewegen ließ. "Alex," schrie er. In diesem Moment löste sich der Mann mit einem Ruck und fiel auf den kleinen Polizisten. Dieser befreite sich mit einer schlängelnden Bewegung seitwärts, während Alex den Bewusstlosen unter den Achseln packte. Semir griff dessen Beine und sprang aus dem Unfallfahrzeug. Gemeinsam trugen sie ihn so schnell sie konnten hinter die Leitplanken. Gerade hatten sie ihn abgelegt, da explodierte der Tanklaster in einer Feuerkugel. Semir und Alex warfen sich schützend über den Geretteten und drückten ihre Köpfe nach unten. Noch im Rauch der verhallenden Explosion schrie Semir Alex zu: "Er atmet noch! Das ist Ismael." "Du kennst ihn," fragte Alex als er den Verletzten in die Seitenlage drehte. Semir hatte sich aufgerichtet. "Ja, das ist der Sohn meines früheren Hodschas." "Deines was?" Alex sah ihn verständnislos an. "Ja, ich kenne seine Familie gut," fasste Semir zusammen. "Ach so," grummelte Alex und spurtete zu ihrem Wagen, um einen Verbandskasten zu holen und über die Zentrale weitere Einsatzkräfte anzufordern. Semir strich dem jüngeren Mann vor ihm sanft eine dunkle Strähne aus dem etwas verschrammten Gesicht. Innerlich war er sehr froh darüber, dass Ismael keine größeren blutende Wunde hatte. Das war einfach nichts für ihn. "Ismael, duyuyor musun? Hörst du mich?" Er sah, wie die Finger des Mannes zitterten. "Ist gut. Schhhh... Hast du Schmerzen?" Ein leises Stöhnen war die Antwort.

    Danke. Das Problem mit den kurzen Abschnitten werde ich wohl nicht immer lösen können: Ich schreibe meistens auf dem Weg von und zur Arbeit auf dem Smartphone. Daher bitte ich um Verständnis, wenn es mal kürzer wird.

    Endres nahm die Verfolgung auf. Der Abstand wurde so kurz, dass er mit der Boardkamera das Kennzeichen fotografieren konnte. "Zentrale für Cobra 9" "Zentrale hört" "Verfolge silbernen Mazda 3, Münsteraner Kennzeichen. Fahrer widersetzte sich Personenkontrolle, mutmaßlich häusliche Gewalt. Kollegin kümmert sich an Rastplatz um die Frau." "Cobra 11 für Zentrale" "Cobra 11 hört!" "Haben Sie Cobra 9 gehört? Sie sind das nächste Fahrzeug!" "Cobra 11: Verstanden. Sehe verdächtiges Fahrzeug im Rückspiegel. Wir übernehmen," meldete Alex an Susanne, während Semir schon auf die mittlere Spur wechselte, um im richtigen Augenblick den silbernen Mazda auszubremsen. Doch gerade als Alex das Blaulicht aufgesteckt hatte, bemerkte Deniz, dies. Semir wechselte auf die linke Spur, um ihn auszubremsen. Deniz nutzte einen kleinen Platz auf der rechten Spur aus, überholte wagemutig rechts. Ein Hupkonzert folgte. "Ich glaub s nicht," fauchte Semir. Er gab Gas. Zwischen Deniz und ihm waren mehrere Fahrzeuge. "Freundchen, du kannst was erleben!" Sein Jagdtrieb kam durch. "Zentrale für Cobra 11" "Zentrale hört" "Susanne, was hast du mir über den Wagen Münster Emil Konrad 1990" "Moment. Gehört einem Yves Signet. Aber der hat gerade keinen Führerschein." "Na das erklärt einiges." Semir schlängelte sich geschickt zwischen den Fahrzeugen hindurch, holte weiter auf. Die nächste Ausfahrt näherte sich. Ein Treibstofflaster war noch vor Deniz, der diesen schnitt. Der Fahrer bremste aprupt ab. Der Laster stellte sich quer. Ein nachfolgender Kleintransporter konnte nicht mehr bremsen und krachte in den Tanklaster. Anderen Fahrzeugen ging es ähnlich. Deniz war über die Ausfahrt entkommen. "F...CK," schrie Alex. Sie sahen, wie der Fahrer des Tanklasters ausstieg und wild gestikulierte. "Wir müssen schauen, dass die Leute weg kommen. Hast du den gesehen," fragte Alex und deutete auf den Kleintransporter vor ihnen. "Nein," rief Semir, schon zum Transporter rennend.

    Angeekelt hörte Jenny das Würgen in der Kabine neben ihr, das sich mit einem eindeutigen, plätschernden Geräusch abwechselte. Sie dachte an die vielen Schnapsleichen am gerade ausklingenden Karneval. Und die letzte Runde Brechdurchfall, welche ihr den Start ins neue Jahr vermiest hatte. Erst als sie leises Stöhnen und Schluchzen vernahm, kam ihr Mitleid durch. An der Stahltür begann Deniz zu hämmern:"Ruqiya! RUQIYA! Was machst du so lange da drin! Antworte!" Aber aus der Kabine neben Jenny kam nur ein Seufzen und ein leises Schniefen. "Ich warne dich! Verarscht mich nicht! Ich komme jetzt rein,wenn du nicht sofort selbst heraus kommst!" Jenny ging leise zum Waschbecken und wusch sich dort umso geräuschvoller die Hände. "Wird ja auch Zeit! Um 16Uhr geht unser Flieger von Frankfurt. Deine Aktion heute Morgen hat uns schon genug Zeit gekostet! Ruqiya?" Deniz klopfte wieder an die Tür. Jenny schlich zu der Kabine, in der die Frau sein musste. "Hallo? Geht es Ihnen gut? Brauchen Sie Hilfe?" In diesem Moment flog die Tür auf und Deniz stand im Vorraum der Damentoilette. "Hey, was machen Sie hier," empörte sich Jenny viel lauter als eigentlich nötig. "Geht Sie gar nichts an." Er schob Jenny zur Seite und hämmerte weiter gegen die Tür, hinter der die Frau kauerte. "Wenn du nicht sofort raus kommst, wird es dir Leid tun," drohte er," Du machst mir doch was vor! Ich habe das Gleiche gegessen! Mit geht es gut! Du bist eine schlechte Frau! Du willst nur hier bleiben, dieser Kuffar haben dich bequatscht! KOMM! JETZT! RAUS!" Mit jedem Wort trat er gegen die Tür." Jetzt reicht es aber mal," rief Jenny." Sie lassen jetzt die Frau in Ruhe!" Aber Deniz ignorierte sie völlig."Ruqiya! Ich bekomme die Tür auf, und dann..." Von draußen kam Endres hinzu. "Jenny? Kann ich dir irgendwie behilflich sein," ulkte er noch, bis bevor er den nächsten Tritt gegen die Tür hörte. "Schluss jetzt," rief Jenny "Sie verlassen nun die Toilette, sonst..." "Endres! Autobahnpolizei, kommen Sie sofort raus!" Mit einem Schwung versetzte Deniz Jenny einen heftigen Kinnhaken, so dass sie gegen die Tür, die Endres gerade öffnete, fiel. Sie taumelte ihm in die Arme. Deniz schob sich katzengleich mit einem Fluch zwischen ihnen hindurch." Jenny? Alles klar? " Sie hielt sich das schmerzende Kinn. "Ja, ja! Los hinterher!!" Schon spurtete Endres los. Doch noch ehe er eingestiegen war, fuhr Deniz mit quietschenden Reifen an ihm vorbei.

    Das erste, was Semir bemerkte, war die Schwere seiner Glieder. Die heftigen Schmerzen. Die vollumfängliche Dunkelheit. Er konnte sich nicht rühren, keine seiner Zellen schien ihm mehr zu gehorchen. Nicht einmal die Augenlieder ließen sich bewegen. Kein Laut entwich seinem Mund, der mit irgendetwas gefüllt war. Panik ergriff ihn. Wo war er? Was war passiert? Er spürte sein Herz rasen. So schnell, so unbändig, dass ihm das Hämmern des Pulsschlags in den Ohren kreischte. Im selben Moment musste etwas an seinem Verhalten seine Peiniger informiert haben, dass er im Begriff war, zu sich zu kommen: Ein schriller Alarm ertönte. Semir hörte ein Fluchen. Ein unmenschlicher Schmerz durchzog seinen Kopf. Ihm wurde übel. Wieder verlor er das Bewusstsein und mit ihm jeden Schmerz.


    Ein paar Tage zuvor :


    "Deniz, Deniz! Bitte! Halt an! Ich muss mal!" "Das ist das vierte Mal, seit wir losgefahren sind." "Mir ist so schlecht. Das Hackfleisch gestern..." "Ich merke nichts..." Widerwillig lenkte Deniz den Wagen in Richtung des Parkplatzes. Kaum war er zum Stehen gekommen, öffnete eine schwarz verhüllte Frau die Beifahrertür. Sie rannte zum Toilettenhäuschen, die Tür der Frauenkabine fiel krachend ins Schloss.


    Henri Endres genoss es, mit Jenny auf Streifen zu fahren. Die jüngere, impulsive Kollegin ergänzte seine ruhige Art perfekt. Äußerlich erinnerte er seine neuen Kollegen an den verstorbenen Bonrath. Groß und hager war er auch. Da seine Haare sich nun schon mit Ende 30 stark lichteten, rasierte er die restlichen Haare stets kurz. Nur die Lachfältchen um die dunklen Augen verrieten, dass er ein durchweg positiver Mensch war.
    "So, lass uns mal da raus fahren," bat ihn Jenny. "Ich muss den Kaffee weg bringen." Endres schmunzelte und fuhr von der Autobahn ab.