Die härteste Probe einer Liebe ...

  • Die härteste Probe einer Liebe?


    "Hallo, mein Schatz! Wie geht es dir?". Andrea schloss die Tür zu Semirs Krankenzimmer und setzte sich zu ihm. Wortlos betrachtete sie die Schläuche und die Infusionen, an die Semir immer noch gebunden war. "Hey, der Arzt hat gesagt, es würde dir besser gehn", erklärte sie.
    Wie in Trance blickte er an die Wand ohne ein Wort zu sagen. Behutsam und liebevoll nahm Andrea seine Hand. "Semir? ich bins Andrea!", lächelte sie und streichelte über seine Hand. Kurz darauf drehte er sich zu ihr um und sah sie an. Er schien angestrengt nachzudenken.
    "Tut mir leid, aber wer sind Sie?", fragte er dann und sah sie an. Fassungslos und ungläubig darüber, was er gerade gesagt hatte, schossen ihr die Tränen wie auf Knopfdruck in die Augen. "Was?! Erkennst du mich nicht? Ich bins, deine Andrea!", schluchzte sie und sie begann zu zittern. Dann hielt sie seine Hand noch fester.
    "Tut mir leid. Ich kenne Sie nicht", sagte er, und unbeeindruckt von ihren Tränen, kalt und abweisend löste er sich von ihren Händen und drehte sich wieder um. Sprachlos stand sie langsam von seinem Bett auf und lief geschockt zur Tür. Dort drehte sie sich noch einmal um und unter Tränen stammelte sie:" Ich liebe dich, Semir!".
    Dann verließ sie den Raum und weinend lehnte sie sich draußen an die Wand. Sie wollte einen klaren Gedanken fassen, doch es ging nicht.
    "Semir, mein Gott, Semir?". Ihre Gedanken kreisten. Sie fing an zu schwitzen, ihr Kopf schmerzte und ihr ganzer Körper zitterte.
    Sie konnte noch immer nicht fassen, was gerade passiert war.
    Dabei hatte doch alles so schön angefangen...


    Es sollte ihr erster gemeinsamer Urlaub werden. Semir, Andrea und Lilli, die gerade zwei Jahre geworden war, wollten zusammen zum ersten Mal ans Meer fahren.
    Doch das sie nie dort ankommen würden, ahnte bis dorthin noch niemand?


    "Ja hast du auch alle Koffer eingepackt?". Andrea hetzte gestresst durch die Wohnung.
    "Hast du an den Föhn gedacht? Und an die Schnuller und die Fläschchen?"
    "Jaaaaa, mein Schatz. Ich hab jeden Koffer doppelt und dreifach kontrolliert. Es fehlt nichts", beruhigte er sie und suchte die letzte Tasche von Lilli zusammen.
    "Bist du dir sicher? Ich hab das Gefühl, ich hab irgendwas vergessen?", stöhnte sie und kramte genervt in ihrer Schublade.
    "Schatz, glaub mir, wir haben alles. Entspann dich und komm mit, sonst fahr ich ohne dich", drohte er lächelnd und zog sie am Arm zur Tür hinaus. Er schloss die Haustür ab, dann liefen sie lachend zum Auto, wo auch schon Lilli in freudiger Erwartung auf dem Rücksitz wartete.
    Andrea verstaute ihre Handtasche unter dem Sitz, suchte nach der Landkarte, Semir startete den Motor und los ging die lange Fahrt ans Meer.


    15 Uhr, Autobahn


    Ring, ring, ring, ring. Semirs Telefon klingelte.
    "Hallo?"
    "Ja ihr Urlauber, ich wollt euch noch viel Spaß wünschen. Lasst mich nur mit dem ganzen Stress hier alleine", lachte Tom am anderen Ende der Leitung.
    "Du wirst es überleben, Partner. Bis in 2 Wochen. Ich werd an dich denken, wenn ich am Strand unter Palmen liege", erwiderte Semir und beide mussten lachen.
    "Dann grüß mir Andrea und Lilli, kommt gesund nach Hause, bis dann", sagte Tom und legte auf. Semir tat es ihm gleich und wieder kamen sie ihrem Ziel ein Stückchen näher.


    15.30 Uhr


    "Schatz? Hättest du nicht rechts abbiegen müssen", wollte Andrea wissen und schaute auf die Landkarte.
    "Andrea? ich hab mir die Karte eingeprägt, ich weiß wos langgeht. überlass das fahren mir", erwiderte Semir und wechselte die Fahrspur.
    "Tschuldigung. War ja nur ne Frage!". Andrea wurde zickig und sah sauer aus dem Fenster.
    "Jetzt sei doch nicht gleich beleidigt!", sagte Semir und nahm ihre Hand.
    "Ich bin gar nicht beleidigt. Ich wollte dir nur helfen, aber wenn du keine Hilfe brauchst?", schimpfte sie und schlug seine Hand weg. Semir stöhnte und konzentrierte sich weiter aufs Fahren. Durch den lauten "Streit" wurde Lilli wach und meldete sich sofort mit einem Quengeln.
    "Siehst du, was du gemacht hast?", fragte Andrea und drehte sich genervt um.
    "Ich?!". Semir versuchte sich zu verteidigen. Und auch er drehte sich kurz um, um nach seiner Tochter zu sehen. Dabei konnten beide nicht mehr auf den Verkehr achten und merkten nicht, dass ein Raser dicht an ihnen vorbeifuhr und kurz vor ihnen einen Unfall verursachte.
    "Das hast du ja mal wieder toll hingekriegt!", schimpfte sie.
    "VORSICHT!!", schrie sie dann, als sie vor ihnen die Massenkarambolage entdeckte. Doch es war zu spät?
    Semir konnte nicht früh genug bremsen und fuhr mit voller Wucht auf die anderen Autos zu. Der Wagen überschlug sich und blieb dann seitlich liegen


    Kann nicht sagen, wann es weitergeht, weil ich nicht weiß, wann mich wieder kreative Einfälle überfallen :P. Ihr könnt mir trotzdem Feedback geben.
    liebe Grüße, heal
    Steffi

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  • Fast zur gleichen Zeit in der Wache


    "Tom?! Kannst du mir noch den Bericht bringen? Ich brauche ihn dringend", schrie Hotte und lief gestresst und hektisch auf ihn zu.
    "Und den von letzter Woche bräuchte ich auch?"
    "Jaaaaa", antwortete Tom genervt und wühlte auf seinem überfüllten Schreibtisch immer noch nach dem ersten Bericht. Zu allem überfluss klingelte dann auch noch sein Telefon.
    "Mein Gott!", schrie er und sah Hotte an, als wolle er ihm an die Gurgel und nahm den Hörer ab.
    "Ja, hallo? Ich hab jetzt keine Zeit, ich ruf dich nachher zurück", sagte er schnell und schmiss den Hörer zurück. Hotte, der an der Türe lehnte und sich köstlich über Tom amüsierte, drängelte ihn doch bitte den Bericht zu suchen.
    "Tom? ich will dich ja nicht drängeln, aber ich brauche diesen Bericht sonst vierteilt mich die Engelhardt!", erklärte Hotte. Tom stöhnte genervt auf.
    "Bitte, das soll Sie machen, oder von mir aus sechsteilen", gab Tom als Antwort und pfefferte Hotte den Bericht zu. Grinsend lief er zu Bonrath zurück und Tom gönnte sich eine kurze Verschnaufpause. "Tom?!", rief Bonrath.
    "Nein!", gab Tom aus seinem Büro muffelig zurück.
    "Da wurde ein schwerer Unfall gemeldet, auf der A 44 Kilometer 83. Feuerwehr und Rettungswagen sind schon unterwegs", schrie er und erklärte Tom die Erkenntnisse.
    "Mein Gott, Semir schlürft Cocktails am Strand, hier ist die Hölle los? .Was soll ich denn noch alles machen?", schimpfte Tom keuchend, schnappte sich seine Jacke und rannte zum Auto. Hotte und Bonrath sahen sich an und beide mussten grinsen. "Ja, so einen Cocktail hätte ich jetzt auch gerne", meinte Hotte, lehnte sich zurück und klopfte sich genüsslich auf den Bauch.
    "Das verträgst du gar nicht. Das ist nicht gut für deine Figur, das ist viel zu fetthaltig", erwiderte Bonrath und sah ihn an.
    "Haha. Bei dir hätte es vor lauter Knochen und Haut gar keinen Platz zum Ansammeln", stichelte Hotte zurück und widmete sich wieder seiner Arbeit. Er hatte ja auch viel zu tun. Schlie?lich musste auch Andreas Arbeit miterledigt werden und die Chefin hielt ihn dafür wohl am geeignetsten. Bonrath verdrehte grinsend die Augen und schrieb an seinem Rechner weiter.


    Autobahn


    Nach dem Unfall hatte sich die Autobahn in ein Schlachtfeld verwandelt. Panisch, wirr und orientierungslos rannten Menschen und Kinder durch die Gänge, die durch die Trümmer der Autos entstanden waren. Rettungskräfte eilten zu den Verletzten und den Verwundeten, die sich neben der Autobahn in Sicherheit gebracht hatten. Überall konnte man panische Schreie und Hilferufe hören. Es herrschte das reinste Chaos, als Tom dazukam und mit seinem Mercedes durch die Gänge schlängelte.
    "Mein Gott, das sieht hier ja aus", sagte er zu sich und parkte am Rande der Unfallstelle. Er stieg aus lief sofort auf den Leiter der Feuerwehr zu.
    "Wie siehts aus? Gibt es Tote?", fragte Tom und überflog den ganzen Platz.
    "Nein, aber wir haben eine Menge Verletzte", erklärte der Leiter, der Hans Schubert hieß, und zeigte auf die Sanitäter und Feuerwehrmänner, die eifrig umherrannten.
    "Chef! Wir brauchen die große Eisenzange! Der Mann ist doch stärker eingeklemmt als wir dachten!", rief ein junger Feuerwehrmann und eilte zum Wagen.
    "Tschuldigung, aber sie sehen ja, was hier los ist?", sagte Hans und rannte seinem Auszubildenden hinterher. Ohne ein Wort zu sagen und nur mit einer abwinkenden Handbewegung, ging nun auch Tom zu den Verletzten, um zu sehen, ob er helfen konnte.
    "Können Sie sich an den Unfallhergang erinnern?", fragte Tom eine junge Frau, die gerade verarztet wurde
    "Ähm, nicht so richtig, es ging alles viel zu schnell?", antwortete die Frau und fasste sich mit schmerzerfülltem Blick an den Kopf. In diesem Moment rannte ein Sanitäter mit einem kleinen Kind auf dem Arm an ihnen vorbei und verschwand in einem nahe liegenden Rettungswagen.
    "Lilli?!", flüsterte er für sich, verabschiedete sich schnell von der Frau und hechtete zum Rettungswagen. Dort angekommen, riss er die Tür auf und blickte fassungslos auf sein Patenkind, das gerade an eine Infusion angeschlossen wurde und eigentlich den Eindruck machte, als würde es ihr ganz gut gehen.
    "Was soll das? Sie können doch hier nicht einfach reinplatzen!", schimpfte der Sanitäter.
    "das kann doch nicht sein! Sie sind doch im Urlaub und ich habe doch erst vor ner knappen Stunde mit ihnen geredet", sagte Tom leise und versuchte seine Gedanken zu ordnen.
    "Äh? Wie bitte?", fragte der Sanitäter und sah ihn verwirrt an. Er stand auf und wollte die Tür wieder schließen, als Tom ihn am Arm packte und fragte ihn fordernd: " Wo haben Sie das Kind her? Was ist mit dem Mann und der Frau, die auch im Auto waren?".
    "Was?!", fragte der Sanitäter noch einmal und schüttelte Toms Hand ab. Da schossen Tom Bilder in den Kopf. Er erinnerte sich an ein qualmendes Auto, das ihm am Anfang kaum aufgefallen war. "Oh mein Gott", flüsterte Tom wie in Trance und rannte zu dem Unglückswagen. Der Sanitäter sah ihm verwirrt hinterher und kümmerte sich weiter um Lilli.


    Ich hoffe, dass war jetzt etwas besser ;) und ich hoffe sie gefällt euch. Wie gesagt, ich weiß nicht, wann es weitergeht aber ich freu mich natürlich immerüber feedback :)
    Hab euch alle lieb
    steffi

  • Wie in einem Nebelschwaden rannte Tom zu Semirs Wagen. Die anderen Menschen nahm er nicht wahr, er wollte nur eins er musste zu Semir und Andrea!
    Als er an dem verunglückten Auto ankam, bot sich ihm ein furchtbarer Anblick, der ihm den Atem stocken ließ:
    Semirs Wagen war fast vollständig zertrümmert, die Motorhaube qualmte noch, sie musste wohl gebrannt haben. überall lagen Scherben, es roch nach Rauch und auch Lillis Kindersitz, der rechts neben dem Auto lag, hatte einiges abbekommen. Geschockt versuchte Tom die ersten Eindrücke zu verarbeiten, als er plötzlich sah, wie Andrea in einer warmen Decke eingehüllt, von zwei Sanitätern vom Auto weggebracht wurde.
    Wie durch ein Wunder schien ihr außer ein paar Blessuren nichts passiert zu sein. Mit zerzausten Haaren, blutigen Schrammen im Gesicht und verweinten Augen stand sie am Rand und beobachtete die verzweifelten Rettungsversuche, Semir zu befreien.
    Tonlos rannte Tom um das Auto herum, auf sie zu und nahm sie einfach nur betroffen in den Arm. Worte waren nicht wichtig, wusste er auch nicht, was er ihr hätte sagen sollen. Überwältigt von ihren Gefühlen und körperlich am Ende, war sie froh, dass jemand da war, der ihr Halt gab, sie wäre sonst zusammengeklappt.
    "Tom?es war zu spät", brach es dann aus ihr heraus. Tom fühlte sich hilflos, er hielt dieses Häufchen Elend in den Armen und konnte nichts tun, deshalb drückte er sie noch fester an sich. Als sie sich von einander lösten und Tom sich umsah, sah er erst, wie schlecht es um Semir stand:
    Bewusstlos, kreidebleich und blutüberströmt lag Semir immer noch eingeklemmt unter dem Auto. Die Feuerwehrmänner versuchten alles Mögliche, um ihn schleunigst dort herauszuholen, doch die Sekunden wurden zu Minuten und die Minuten schienen wie Stunden zu vergehen.
    "Wo?wo ist eigentlich Lilli?, stammelte Andrea verwirrt und blickte sich panisch suchend um.
    "Hey.ihr geht es gut. Mach dir keine Sorgen, sie ist schon im Krankenwagen und wahrscheinlich schon auf dem Weg ins Krankenhaus. Also keine Panik", versuchte er sie zu beruhigen und hielt sie stützend am Arm. "Hmm", antwortete Andrea nur, bis es ihr schwarz vor Augen wurde und sie in Toms Arme fiel.
    "Schnell ein Arzt!", rief Tom und legte Andrea behutsam auf die Straße, zog sein Sakko aus und legte es ihr unter den Kopf, als schon ein Arzt angerannt kam.
    "Was ist passiert?", fragte auch schon der Arzt, der in seinem Koffer erste Hilfemedikamente herauskramte.
    "Wahrscheinlich Kreislaufkollaps", antwortete Tom und half dem Arzt Andrea in den Krankenwagen zu bringen.
    "Danke", sagte der Arzt und fuhr dann mit dem Krankenwagen, in dem auch Lilli wieder putzmunter war, in Richtung Krankenhaus. Tom sah dem Krankenwagen schweigend nach, tat es ihm doch in seiner Seele weh, dass seine gute Freundin so leiden musste.
    Doch nun konnte er einen lauten Knall hören:
    Semir war frei!
    Tom rannte sofort zum Wagen zurück, wollte Semir helfen, doch wurde von den Sanitätern auf die Seite geschoben. "Es ist nett, dass Sie uns helfen wollen, aber lassen Sie uns unsere Arbeit machen, es geht um Leben und Tod", sagte einer der Sanitäter während man Semir an alle möglichen Kabel und Schläuche anschloss. Der Anblick seines bewusstlosen Partners ließ sein Herz fast zerreißen. Noch nie hatte er ihn in so einem Zustand gesehen. Er hatte eigentlich gehofft, dass so etwas nie mit seinen Freunden passieren würde. Plötzlich konnte man lautes Motorgeräusch hören. Blätter, Staub und Kleinteile, die lose auf der Straße lagen, wurden aufgewirbelt. Tom schaute nach oben und versuchte sich die Augen vor dem Staub zu schützen und er sah den Rettungshubschrauber, der auf der anderen Autobahnspur landen wollte. Im Eiltempo rannten die Sanitäter mit Semir auf der Liege zum Hubschrauber, luden ihn ein und sofort startete der Helipilot und flog mit Semir ins Krankenhaus.
    Tom blieb verloren und alleine auf der Autobahn zurück und blickte dem Helikopter hinterher. Er begriff nur langsam, was geschehen war, merkte er nicht einmal, dass die Aufräumarbeiten um ihn herum bereits begonnen hatten.
    Schweren Herzens und doch schnell ging er dann zu seinem Mercedes zurück und machte sich auf den Weg ins Krankenhaus.

  • Krankenhaus, 17.00 Uhr


    Als Tom ankam, ging er erst einmal zur Rezeption um nachzufragen, wohin man Semir, Andrea und Lilli brachte.
    "Da müssen Sie in den 3. Stock, Intensivstation", erklärte die Frau vom Empfang und zeigte ihm mit einer Handbewegung den Weg, den er gehen musste. Tom nickte nur stumm und lief dann eilig zum Aufzug, um in den 3. Stock zugelangen.
    Dort angekommen musste er durch einen langen Flur, zu seiner Freude erblickte er am anderen Ende Andrea, der es besser zu gehen schien.
    Doch seine Freude verflog abrupt, als er sah, wie mitgenommen und weiß sie immer noch in ihrer Decke auf dem Stuhl zusammengekauert saß.
    Schweigend setzte er sich zu ihr und sagte nichts, sie schien ihn sowieso nicht zu bemerken. Toms Herz wurde schwerer, doch nun riss er sich zusammen, wenigstens einer sollte klar denken können, auch wenn es ihm sehr schwer fiel. Vorsichtig und behutsam nahm er dann Andreas Hand und sah sie an, als sie ohne Leben und Freude in der Stimme anfing zu erzählen:
    "Warum muss ich immer gleich beleidigt sein? Warum hab ich ihn überhaupt angeschrieen?"
    Man konnte die Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung deutlich heraushören, als sie weitersprach: "Tom? Ich weß? nicht einmal mehr, warum wir uns gestritten haben!", fuhr sie fort und sah ihn mit Tränen in den Augen an. Tom hatte nichts von einem Streit gewusst, doch nachhacken wollte er dennoch nicht.
    "Mach dir keine Vorwürfe. Niemand kann etwas dafür, ihr am Allerwenigsten", sagte Tom und legte seinen Arm um ihre Schulter und erneut fing Andrea an zu schluchzen.
    "Wenn er stirbt?. Ich könnte mir das nie verzeihen", weinte Andrea.
    "Andrea?! So etwas darfst du nicht sagen, noch nicht einmal denken", sagte Tom und drückte sie fest. Doch er merkte, wie Andreas Worte ihn verfolgten.
    "Nein!", flüsterte er.
    "Semir wird es schaffen?".


    Jetzt sind bei uns ja Ferien, also kann ich wieder öfters texten. Ihr wisst ja wo das Feedback hinmuss =)
    Ich hoffe, euch gefällt sie?
    Hab euch lieb
    Steffi

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  • Die Zeit verging kaum. Es schien fast so, als würden die Zeiger der Uhr stehen bleiben. Andrea war an Toms Schulter eingeschlafen, sie war einfach zu fertig, um sich wach zu halten. Er hielt sie immer noch in seinem Arm und starrte fast jede Sekunde auf die Uhr.
    Andrea tat ihm leid, er konnte nicht mit ansehen, wie schlecht es ihr ging und wie sie leiden musste. Doch er fühlte sich hilflos.
    Plötzlich, Tom glaubte schon fast nicht mehr daran, öffnete sich die Milchglastür mit der Aufschrift Intensivstation? und ein Arzt kam herausgelaufen.
    "Entschuldigung", rief Tom ihm leise nach, denn er wollte Andrea nicht wecken. Reflexartig drehte sich der Arzt um und lief zurück zu ihnen.
    "Ja bitte?", fragte dieser und sah zu Andrea, die gerade wieder langsam zu sich kam. Sie erkannte den Arzt sofort, hatte sie doch noch vor Stunden kurz mit ihm gesprochen.
    "Was ist mit meinem Mann?", fragte Andrea ängstlich. Der sah zögernd zu Tom hinüber.
    "Sind Sie ein?", wollte er wissen und wurde von Andrea unterbrochen.
    "Das ist schon in Ordnung, er ist der Partner meines Mannes und ein sehr guter Freund. Sie können ruhig sprechen", sagte Andrea und sah den Arzt erwartungsvoll an
    "In Ordnung. Sie sind"
    "Kranich, Tom Kranich", antwortete Tom und gab ihm kurz die Hand. Erwartungsvoll und voller Hoffnung, dass es Semir gut ging, schauten sie den Arzt gebannt an.
    "Nun es ist so", fing der Arzt an und setzte sich neben Andrea.
    "Ihr Mann ist außer Lebensgefahr, dennoch ist sein Zustand kritisch. Wir mussten ihn in ein künstliches Koma versetzen, das war eine notwendige Maßnahme, da er einfach zu lange eingeklemmt und bewusstlos war?". Er machte eine Pause und sah die entsetzten Gesichter von Tom und Andrea. Das einzigste, was Andrea sagte, war ein leises
    "Oh mein Gott", dann stand sie wie betäubt auf und lief zur gegenüber liegenden Wand. Dann konnte man ein Schluchzen hören. Tom sprang sofort auf, nahm sie in die Arme und tröstete sie.
    "Was heißt das? Künstliches Koma?", wollte Tom wissen.
    "Herr Kranich, ihrem Partner geht es soweit ganz gut. Dies ist nur eine vorüber gehende Lösung, bis sich sein Zustand wieder einigermaßen stabilisiert hat. Der Vorteil vom künstlichen Koma ist es, dass man den Patienten jederzeit wieder zurückholen kann. Und glauben Sie mir, das werden wir tun, sobald es ihm besser geht", antwortete der Arzt und lief auf die beiden zu.
    "Können wir ihn sehen?", meldete sich dann auch Andrea unter Tränen zu Wort.
    "Im Moment wäre es besser, wenn nur einer von ihnen gehen würde", meinte der Arzt und sah sie an.
    Für Tom war es sofort klar, dass es Andrea war, die zu Semir gehen sollte. Zu gerne wäre auch er mitgekommen, doch im Moment sollte erst einmal Andrea von ihrem Leiden erlöst werden, ob dies dann auch so war, wusste Tom nicht."Ok Andrea, du gehst mit. Solange warte ich hier auf dich", lächelte Tom und ließ sie los.
    "Danke Tom", sagte Andrea und versuchte ein Lächeln, doch es wollte ihr nicht ?üer die Lippen kommen. Sie lief mit dem Arzt in einen Vorraum, wo sie einen blauen Kittel bekam. Danach folgte sie dem Arzt durch die automatische Tür und nun war Tom allein auf dem großen Flur. Er musste sich erst mal setzten, um die Worte des Arztes zu verdauen.
    "Mein Gott Semir, was machst du für Sachen?", stöhnte er leise und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Er saß noch eine Weile so da, dachte nach und überlegte, bis ihn ein schriller Ton aus seinen Gedanken riss. Es war sein Handy. Auf dem Display erkannte er die Nummer der Chefin, was sie wohl wollte?
    Er hatte eigentlich keine Lust und keine Kraft ranzugehen, tat es dann aber doch.
    "Kranich!!!", brüllte ihm dann auch schon eine genervte Engelhardt ins Ohr.
    "Wo zum Teufel stecken Sie?", fuhr sie fort und wartete auf eine Antwort von Tom.
    "Chefin, ich?", sagte Tom und hielt dann inne. Er musste mit den Tränen kämpfen.
    "Ja was? Hatte es Ihnen die Sprache verschlagen?", wollte sie wissen und keifte ihn an.
    "Chefin ich bin im Krankenhaus. In dem Unfall waren auch Semir und Andrea verwickelt und um Semir steht es gar nicht gut", brach es dann aus ihm heraus und eine Träne lief ihm über die Wange.
    "Was?!", fragte die Engelhardt und ihre Stimme veränderte sich von Wut in Besorgnis. Schweren Herzens begann Tom dann zu erzählen, man konnte meinen, das es ihm schwer fiel, sich daran zurück zu erinnern:
    Von dem Unfall, der dramatischen Rettungsaktion von Semir, seinem jetzigen Zustand und auch davon, dass es Andrea und Lilli soweit ganz gut geht.
    Lilli? Stimmt, wo war sie eigentlich? Tom hatte sie seit der Autobahn nicht mehr gesehen, er wollte aber gleich eine Schwester suchen und nach ihr fragen
    "Chefin?", fragte Tom, als er zu Ende geredet hatte.
    "Ich werde noch eine Weile hier bleiben und mich um Andrea kümmern", erklärte Tom.
    "Sicher", meinte die Engelhardt bedrückt und ließ die Informationen erstmal sacken.
    "Sie melden sich, ja?", fragte sie und bekam nur ein leises Natürlich zu hören. Dann legte sie auf.
    Das nächste was sie tat war, sie ging aus ihrem Büro und trommelte ihre Männer zusammen.
    "Herrschaften, darf ich kurz um ihre Aufmerksamkeit bitten?", fragte sie in die Runde und wartete eine Reaktion erst gar nicht ab."Es ist etwas passiert", fing sie an zu erklären.

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  • Bei Andrea


    Als sie endlich das letzte Zimmer der Intensivstation erreicht hatten, blieben sie vor einer Fensterscheibe stehen. "Aber nicht zu lange", lächelte der Arzt freundlich und lief dann den Gang wieder hinunter. Andrea blieb geschockt vor der Scheibe stehen und beobachtete Semir, der regungslos in seinem Bett lag, man könnte fast meinen, dass er nur friedlich schlafen würde. Langsam öffnete sie die Tür und trat in sein Zimmer ein, es roch nach Medizin und Desinfektionsmitteln. Semir sah bleich aus und sein Gesicht zierten etliche Schrammen. Andrea betrachtete wortlos die Schläuche und Kabel, die Infusionen und den EKG-Monitor, auf dem regelmäßige Herzschlaglinien zu sehen waren. An seiner linken Hand hatte er eine Nadel, die ihm regelmäßig Blut abnahm. Er sah gar nicht gut aus. Andrea war den Tränen schon wieder nahe. Ihr Semir, der sonst immer so voller Leben und Freude war, sah nun aus, als hätte man ihm jedes Leben entzogen.
    Sie setzte sich neben ihn und nahm zärtlich seine rechte Hand. "Du musst wieder gesund werden, wir brauchen dich doch", weinte sie nun doch und umschloss seine Hand fester. Behutsam streichelte sie ihm über die Wange und küsste ihn auf die Stirn. Sie wünschte sich so sehr, er würde sie verstehen, deshalb sprach sie einfach weiter: " Tom ist auch hier, weißt du? Er macht sich große Sorgen um dich, Semir! Und Lilli?mach dir keine Sorgen, ihr geht es gut", erklärte sie und sie versuchte, ihren Schmerz zu überspielen.
    Doch ganz allein war sie nun doch nicht mehr:
    Tom, der es vor lauter Ungewissheit nicht mehr ausgehalten hatte, war ihr gefolgt und beobachtete die Szene vor der Scheibe. Auch er war geschockt über Semirs Anblick. Er wollte so gerne zu ihm herein, sich überzeugen, dass es ihm wirklich gut ging, doch er wusste, dass es im Moment wichtiger war, dass Andrea bei ihm war, zu mal er ja auch quasi illegal hier war. So blieb er draußen stehen.
    "Du musst durchhalten", flehte Andrea und sie versuchte die Tränen zu trocknen, hatte sie doch schon pochende Kopfschmerzen.
    "Ich liebe dich, Semir!", schluchzte sie, ließ seine Hand zurück auf das Laken fallen und stand langsam auf. Sie konnte nur schwer Abschied nehmen, doch sie wusste, dass es sinnlos war, hier jetzt noch länger bei ihm zu bleiben, außerdem musste sie jetzt auch zu Lilli, sie brauchte sie jetzt genauso stark. Also drehte sie sich schweren Herzens um und erblickte Tom auf der anderen Seite der Scheibe. Schweigend sahen sie sich an, sie wussten beide auch so, was in dem anderen vor sich ging. Andrea drehte sich noch einmal zu Semir um und verließ dann den Raum. Draußen sah sie Tom erneut an, bevor sie sich fest umarmten. Sie waren zwar nur gute Freunde, doch im Moment verband die beiden das gleiche:
    Die Trauer und die Angst um Semir!

  • "Ich muss jetzt zu Lilli", meinte Andrea dann, trocknete ihr Gesicht und atmete tief durch.
    "Soll ich mitkommen?", fragte Tom.
    "Eigentlich?". Sie machte eine Pause und überlegte.
    "Obwohl?doch, bitte komme mit", antwortete sie schließlich fast erleichtert darüber, dass sie diesen Weg zu ihrer Tochter nicht alleine gehen musste, denn beide wussten noch nicht genau, wie es um Lilli stand und ob es ihr gut ging.
    "Du willst sie doch bestimmt auch sehen?", fragte sie und warf einen letzten Blick auf Semir.
    "Er sieht so friedlich aus", meinte sie und lächelte. Die Tränen kamen schon wieder doch sie riss sich zusammen.
    "Ok, lass uns gehen", sagte sie dann und lief voraus. Auch Tom blickte noch einmal zu Semir: "Du schaffst das, Partner", flüsterte er, seufzte und folgte dann Andrea.
    Als sie wieder aus der Intensivstation draußen waren, gab Andrea noch ihren Umhang in dem kleinen Vorraum ab. Dr. Maurer, der Semir behandelt, war auch anwesend. Er trug gerade etwas in eine rote Mappe ein. Er lächelte freundlich, als er Andrea bemerkte.
    "Na? Alles in Ordnung mit Ihnen?", fragte er.
    "In Ordnung? In Ordnung ist alles erst, wenn es meinem Mann besser geht!", antwortete sie, aus ihrer Stimme konnte man schon fast ein Flehen und ein Bitten heraushören. Sie schien all ihre Hoffnung in den Arzt zu legen.
    "Ihm wird es bald besser gehen", versprach er.
    "Entschuldigung", verabschiedete er sich dann schnell, aber doch freundlich, er wurde von seinem "Pieper" mit einem lauten Ton zu einem Notfall gerufen.
    Draußen lächelte er Tom kurz zu, klopfte ihm zuversichtlich auf die Schulter und sprintete dann den Gang hinunter.
    Andrea sah ihm schweigend nach. Tom nahm sie mit einem kurzen
    "Komm" in den Arm und sie gingen langsam einen Stock höher in die Kinderstation des St. Maria Krankenhauses.


    Dort herrschte schon nicht mehr diese gewöhnliche Krankenhausatmosphäre, statt den kahlen, weißen Wänden ohne Leben und Freude, fand man hier bunte Wände mit Tierbildern geziert, Luftballons hingen unter der Decke und man konnte Kinder lachen hören. Andrea und Tom sahen sich an und schmunzelten:
    Hier konnte man nicht traurig sein zumindest nicht für lange.
    Eine junge Krankenschwester, höchstens 21 Jahre kam lachend auf sie zu ob dies ein gutes Zeichen war? Ihr freundliches Wesen, ihr Lachen, ihre blonden leicht hochgesteckten Haare, erweckte in den beiden ein Gefü?hl von Sicherheit, denn den Kindern schien es gut zu gehen. "Hallo, ich bin Schwester Simone", sagte sie und gab ihnen abwechselnd die Hand. "Tom Kranich". "Und Sie müssen Frau Schäfer sein?", fragte Simone, als sie Andrea die Hand drückte. Etwas irritiert sah Andrea sie an. Woher wusste sie, wer sie war, hatte sie doch vorhin kaum ein Wort mit den Ärzten gesprochen, da man ihr Lilli gleich am Eingang weggenommen hatte.
    "Ihre Augen! Ihre Tochter hat dieselben blauen Augen wie Sie!", erklärte Schwester Simone und musste lächeln.
    "Äh, danke", antwortet Andrea fast überfordert.
    "Kommen Sie bitte mit, ihr Tochter ist eine Station weiter hinten", sagte Simone und lächelte Andrea freundlich zu, als sie sich gemeinsam zu dritt auf den Weg machten. "Ihre Tochter hatte großes Glück, Frau Schäfer?, erklärte Simone, als sie auf dem Weg an vielen anderen Zimmern vorbei liefen.
    "Wie durch ein Wunder hat sie den Unfall ohne gravierende Schäden überstanden. Die guten und schnellen ersten Hilfemaßnahmen vor Ort haben sicher dazu beigetragen", meinte sie weiter. Andrea atmete erleichtert auf. Ein riesiger Stein fiel ihr vom Herzen: Wenigstens Lilli ging es gut. Auch Tom atmete auf. Seinem Patenkind war also nichts passiert und auch die schrecklichen Bilder, als man Lilli vor seinen Augen an eine Infusion angeschlossen hatte, stellten sich nun fast als harmlos heraus.
    "Da wären wir", sagte Schwester Simone dann und sie blieben vor einer gelben Tür, mit einem Bärenmotiv darauf stehen.

  • Simone öffnete die Tür und ließ Andrea eintreten. Lilli krabbelte quitschvergnügt auf einem bunten Spieleteppich außer einer Beule am Kopf, schien ihr tatsächlich nichts passiert zu sein.
    Andrea sah Tom und auch Schwester Simone lächelnd an. Sie freute sich so sehr, dass war kaum zu übersehen.
    "Komm mal her, meine Süße!", sagte sie und nahm Lilli vorsichtig auf den Arm.
    "Ich bin so froh, dass es dir gut geht", sprach sie weiter auf sie ein.
    "Mama", gab sie dann etwas automatisch von sich. Ob sie eigentlich schon wusste, was sie da sagte?
    "Ja, ich bin da, mein Schatz!", lächelte sie und streichelte ihr zärtlich über den Kopf.
    "Papa!", war dann ihr zweites Wort und sie blickte sich, man konnte fast meinen, suchend um. Tom musste schlucken, stand er doch immer noch mit Schwester Simone im Türrahmen und beobachtete die herzliche und liebevolle Begegnung zwischen Lilli und Andrea.
    Andrea hielt inne, ihr kamen schon wieder die Tränen. Sie biss sich leicht auf die Unterlippe, das tat sie immer, wenn sie sich unwohl fühlte. Doch sie wollte sie musste stark bleiben. Wenigstens vor Lilli wollte sie nicht weinen.
    "Papa?" Ja, dem geht es gut", sagte sie dann und man merkte, dass es ihr schwer fiel, überhaupt irgendetwas über Semir zu sprechen. Zu groß war einfach der Schmerz und die Angst.
    Sie kniete sich mit ihr auf den Boden und sie begannen, mit kleinen, runden und eckigen Bauklötzen zu spielen.
    "Meinen Sie, sie hat doch irgendwas von dem Unfall mitbekommen?", fragte Tom leise.
    "Sie meinen wegen dem Papa?", fragte Schwester Simone und sah ihn an. Tom nickte.
    "Nun, sie ist zwar erst 2 Jahre, doch sie bekommt schon einiges mehr mit, als wir uns vorstellen können. Doch trotzdem glaube ich, war das eher eine natürliche Reflexreaktion", erklärte Simone.
    "Außerdem ist sie sehr zäh und tapfer, sie hat vorhin bei der Untersuchung kaum Theater gemacht", erzählte Schwester Simone leise weiter.
    "Zäh und tapfer?" Ja, das hat sie wohl von ihrem Vater", lächelte Tom und auch Schwester Simone schmunzelte.
    "Sie haben eine ganz wundervolle Tochter", meinte sie dann zu Andrea. Diese hielt einen Moment inne und dachte über Simones Worte nach. Dann drehte sie sich um versuchte ein Lächeln, obwohl ihre Augen noch immer voll Tränen waren: "Ja, das ist sie", meinte sie dann, sah kurz zu Tom und widmete sich wieder den Bausteinen.
    "Ich lasse Sie jetzt alleine", sagte Schwester Simone, verabschiedete sich freundlich und ging dann in ein anderes Kinderzimmer.


    Zwei Wochen gingen ins Land, die ersten bunten Blätter fielen von den Bäumen und sammelten sich auf den Straßen: Es war Herbst geworden.
    Semirs Zustand verbesserte sich jeden Tag ein bisschen, doch er wurde immer noch im Koma gehalten. "Nur zu Sicherheit", wie Dr. Maurer dann immer zu sagen pflegte. Andrea hatte Lilli jetzt doch vor ein paar Tagen zu ihren Eltern gebracht, sie sollte diesen ganzen Rummel nicht mehr mitbekommen. Auch Andreas Eltern waren schwer getroffen und besuchten Semir oft im Krankenhaus natürlich ohne Lilli.
    Andrea und Tom verbrachten fast jede freie Minute bei Semir: hauptsächlich in den Mittagspausen und abends, denn trotz allem mussten sie arbeiten. Vielleicht war dies auch gut so, so wurden beide abgelenkt.
    So kam es dann, dass Andrea eines Nachmittags im Büro einen Anruf bekam

    "Autobahnpolizei Schäfer, guten Tag", sagte Andrea reflexartig durch den Hörer. ?Guten Tag, Frau Schäfer, hier ist Dr. Maurer", sagte der Arzt
    "Hallo, Herr Doktor, ist was mit meinem Mann?", fragte Andrea ängstlich und begann zu zittern. "Ja, ich habe gute Neuigkeiten: Ihr Mann wurde aus dem Koma zurückgeholt", sagte er freundlich.
    "Das?das ist ja?ich weiß gar nicht, was ich sagen soll?", stotterte Andrea und all die Anspannungen der letzten Wochen fielen ihr von den Schultern. Dr. Maurer musste lachen.
    "Es freut mich, dass Sie endlich wieder lachen können", meinte er.
    "Ich komme sofort", schrie sie förmlich durch den Hörer und legte auf. Sie konnte es noch gar nicht fassen. Semir war wach und sie konnte endlich mit ihm reden.
    "Jetzt wird wieder alles gut!", dachte sie und suchte schon mal ihre Sachen zusammen. Sie wollte sofort ins Krankenhaus fahren. Tom, der gerade von einem Einsatz kam, beobachtete etwas überrascht, wie Andrea wie ein aufgescheuchtes Huhn durch die Wache sprang.
    "Was ist denn mit dir los?", wollte er wissen.
    "Tom!?", sagte sie nur und fiel ihm um den Hals, sie schnürte ihm fast die Luft ab.
    "Das Krankenhaus hat angerufen, Semir ist wach!", lachte sie und ließ Tom wieder los. Nach Luft schnappend antwortete er:"Das ist ja toll!". Und sie drückten sich noch einmal. Nun hatten auch Hotte, Bonrath, die Chefin und die übrigen Kollegen von der freudigen Nachricht erfahren und eine Gruppenumarmung fand statt.
    "Ich freu mich für Sie, Andrea", lächelte die Chefin und nahm sie in den Arm.
    "Danke", meinte Andrea.
    "Ich fahr sofort ins Krankenhaus", sagte sie, schnappte sich ihre Jacke und ihre Tasche und lief zum Parkplatz. Tom wollte ihr folgen, doch die Chefin hielt ihn am Arm zurück.
    "Kranich? Erst muss der Bericht geschrieben werden", ermahnte sie ihn, doch es war nicht böse gemeint.
    "Zu Semir können Sie auch noch später fahren". Tom seufzte, doch sie hatte Recht, außerdem wollte er Andrea und Semir bei ihrem Wiedersehen nicht stören.
    Im Krankenhaus angekommen, rannte sie sofort zu Semirs Zimmer


    "Frau Schäfer? Alles in Ordnung mit Ihnen?", Andrea wurde durch ein unsanftes Rütteln an ihrem Arm aus ihren Gedanken gerissen.

  • "Frau Schäfer? Alles in Ordnung mit Ihnen?", Andrea wurde durch ein unsanftes Rütteln an ihrem Arm aus ihren Gedanken gerissen.
    "Äh?was?" fragte sie irritiert und blickte in das freundliche Gesicht von Dr. Maurer.
    "Na, ist alles in Ordnung mit Ihnen? Sie sehen so traurig aus", stellte er lächelnd fest.
    "Mein Mann?er?erinnert sich nicht an mich!", stotterte sie und sah den Arzt an, als hätte er Schuld daran.
    "So was habe ich schon befürchtet", meinte er nur, ging in Semirs Zimmer und versperrte die Tür.
    "Hallo? Können Sie mir mal sagen, was hier eigentlich los ist?", rief sie ihm irritiert hinterher und beobachtete durch die Scheibe wie Dr. Maurer sich mit Semir unterhielt. Vielleicht hatte Semir Andrea bemerkt, zwischen dem Gespräch sah er immer mal wieder zu ihr hinaus, versuchte er sich vielleicht zu erinnern?
    "Ich halte das nicht mehr aus", sagte sie für sich, wischte sich die Tränen ab, riss die Tür auf und hechtete ins Zimmer.
    "Können Sie mir mal sagen, was hier eigentlich los ist?", fauchte sie.
    "Frau Schäfer, kommen Sie mit", sagte der Arzt schnell und packte sie am Arm.
    "Ich erkläre es Ihnen draußen", sagte er und verabschiedet sich schnell von Semir. Es war nur ein Blick zwischen Andrea und Semir, doch er reichte aus, um Andrea zu zeigen, dass bei Semir anscheinend keine Liebe mehr für sie zu sehen war.
    Draußen setzten sie sich und Dr. Maurer begann, Semirs Zustand Andrea schonend beizubringen:
    "Frau Schäfer, dadurch dass ihr Mann damals bei dem Unfall so lange eingeklemmt unter dem Auto lag, hatte er einen zu hohen Sauerstoffverlust. Hinzu kam noch die lange Bewusstlosigkeit. Das Gehirn wurde zu lange nicht mit Sauerstoff versorgt, dadurch mussten wir ihn auch in ein künstliches Koma versetzten. Deshalb ist ein Gedächtnisverlust in diesem Fall nicht ungewöhnlich", erklärte Dr. Maurer. Dann trat Schweigen ein. Andrea versuchte gefasst zu bleiben und verdaute erst einmal Dr. Maurers Worte. Zögernd fragte sie dann: " Herr Maurer, wird sich mein Mann wieder erinnern können?".
    "Nun, ich möchte Ihnen nicht all zu große Hoffnung machen. Es gibt Patienten, bei denen kehrt das Gedächtnis nach einigen Wochen zurück, doch es kann auch sein, dass sich ihr Mann nie wieder erinnern wird!". Das hatte gesessen!
    Andrea schwieg. Die Tränen stiegen ihr schon wieder in die Augen.

  • Wortlos ging sie zu Semirs Scheibe und beobachtete ihn. Sie wollte schreien, wollte am liebsten zu ihm hinein rennen und ihn ganz fest umarmen. Sie wollte, sie konnte nicht glauben, was sie gerade gehört hatte. Ihr Semir, den sie von ganzem Herzen liebte, mit dem sie ein Kind hatte, war nun kalt und abweisend und für ihn war sie nur eine fremde Frau!
    "Frau Schäfer, wie gesagt: Es bedeutet noch gar nichts, er könnte sich jeden Moment wieder erinnern", meinte Dr. Maurer zuversichtlich und ging auf sie zu.
    "Kann man denn gar nichts machen? Vielleicht hilft es ihm ja, wenn man ihm vertraute Sachen zeigen würde?", fragte sie und sah ihn voller Hoffnung an.
    "Das können Sie tun, doch Sie sollten es nicht gleich übertreiben, so schwer es für Sie auch sein mag. Die Erinnerung muss Stück für Stück zurückkommen, wenn Sie ihren Mann zu sehr bedrängen, dann kann es sein, dass er in eine Art Schockzustand fällt", erklärte er.
    "Aber ich will ihm doch so gerne helfen! Und was soll ich denn meiner Tochter sagen, wenn sie nach ihrem Papa fragt?". Sie wurde unterbrochen.
    "Andrea!?", hallte es plötzlich vom anderen Ende des Ganges. Tom hatte es nun auch endlich geschafft ins Krankenhaus zu kommen und er hatte Lilli dabei!
    "Schuldige, ich musste sie mitnehmen. Deine Eltern haben sie vorbeigebracht, sie konnten dich nicht erreichen, deshalb haben sie sie zu mir gebracht. Ist doch ok, oder?", rief Tom ihr entgegen. Das hatte Andrea total vergessen. Sie sollte Lilli ja eigentlich abholen, doch die ganze Aufregung um Semir, schien sie für alle anderen Dinge unerreichbar zu machen.
    "Ich soll dir liebe Grüße sagen. Sie freuen sich sehr, sie kommen Semir bald besuchen", sagte er weiter, als er bei ihnen ankam.
    "Mama!", sagte Lilli und ruderte wild mit den Armen, ein Zeichen, dass sie sofort zu ihrer Mama auf den Arm wollte.
    "Hallo", begrüßte Tom dann auch noch leicht außer Atem den Arzt.
    "Was ist los?", fragte er Andrea.
    "Du siehst ja aus, wie 7 Tage Regenwetter", meinte Tom lachend.
    "Das wird schon", sagte der Arzt, verabschiedet sich, denn er wurde erneut zu einem Notfall gerufen.
    "Was ist denn hier los, Andrea?", fragte er noch einmal.
    "Und was wird schon? Sag doch was!".
    "Tom?Semir hat sein Gedächtnis verloren", sagte sie und versuchte ruhig zu bleiben, denn sie hatte ja immer noch Lilli auf dem Arm.
    "Was?", antworte er ungläubig, er konnte nicht glauben, was Andrea gerade gesagt hatte.
    "Der Arzt hat gemeint, es kommt von dem Unfall und? ach was weiß ich...", sagte sie und musste sich zusammenreißen, nicht schon wieder einen Heulkrampf zu bekommen.
    "Das glaub ich nicht", flüsterte Tom und öffnete schnell die Tür.
    "Tom!". Andrea wollte ihn noch aufhalten, doch Tom stand schon vor Semirs Bett und sah ihn an.
    "Was wollen Sie?", fragte Semir, dem es auch langsam zuviel wurde, so viele fremde Gesichter auf einmal zu sehen.
    "Ich bins, Tom!".
    "Tom?", fragte Semir, sah ihn an und überlegte.
    Einige Minuten vergingen. Irgendetwas löste dieser Mann in Semir aus, dass ihm keine Ruhe ließ. Schwache Erinnerungen von Autos, von Unfällen und von Sprüchen wirrten durch seinen Kopf. Er versuchte sie zu ordnen, doch es wollte ihm nicht gelingen.
    "Tom?", fragte er noch einmal, um zu unterstreichen, dass er versuchte, sich zu erinnern.
    "Ja, ich bins, dein Partner!".
    Zack, das wars!
    Das Schlüsselwort, was Semir gefehlt hatte, um sich zu erinnern!
    "Tom", sagte er dann fast erleichtert darüber, in zu sehen.
    "Mann, Semir, da hast du mir einen Schrecken eingejagt!", lächelte Tom und schon fast herrschte wieder diese alte Vertrautheit zwischen ihnen.
    "Tom, ich kann mich an fast nichts mehr erinnern!", meinte Semir und sah ihn an. Andrea hatte verwirrt vom Gang aus beobachtet, wie Semir anscheinend wieder der Alte war. Warum konnte er sich an Tom erinnern und nicht an sie? Zögernd aber doch mutig betrat sie nun auch mit Lilli das Zimmer und blieb vor ihnen stehen.
    "Papa!", sagte Lilli begeistert und krabbelte von Andreas Arm auf Semirs Bett. Sie versuchte an sein Gesicht zu gelangen, doch die Bettlaken behinderten sie. Als sie es dann doch endlich geschafft hatte, fing sie an, an Semir runzutatschen.
    "apa", sagte sie dann noch einmal, man konnte fast meinen schon etwas lauter, da Semir nichts erwiderte. Andrea fing nun doch an zu weinen und beobachtete, die warme und kalte Begegnung. Tom stand von der Bettkante auf und nahm Andrea in den Arm. Sie tat ihm so leid, konnte er doch auch nicht verstehen, warum sich Semir nur an ihn erinnern konnte.
    "Tom, kannst du mir bitte dieses Kind von meinem Gesicht nehmen?", fragte Semir fast schon entsetzt. Andrea sah ihn geschockt an.
    "Semir?" Das ist unsere Tochter!", schluchzte sie.
    "Entschuldigung, ich habe es Ihnen schon mal erklärt, ich kenne Sie nicht!", antwortete Semir und drückte Lilli Tom in die Arme. Lilli, die völlig überrascht und unerwartet von ihrem Papa weggezogen wurde, bekam nun auch einen weinerlichen und zornigen Gesichtsausdruck. Tom, der ebenfalls getroffen von Semirs Reaktion war, gab Lilli in Andreas Arme zurück.
    "Tut mir leid Tom, aber ich kann hier nicht länger bleiben, ich muss hier raus!", sagte sie und verließ fluchtartig den Raum, auch um zu verbergen, dass sie ihrer Wut, ihrer Angst und ihrer Verzweiflung jetzt nicht mehr standhielt!
    Warum tat er ihr das an???
    "Andrea!", versuchte Tom sie noch aufzuhalten, doch sie war schon den Gang hinunter verschwunden. Semir blickte ihr nach, er konnte nicht begreifen, warum diese Frau wegen ihm so mit den Nerven am Ende war.
    "Wer war das?", fragte Semir dann.
    "Die größte Liebe deines Lebens?", flüsterte Tom leise.

  • 3 Stunden später, bei Andrea


    Andrea war gerade dabei, Lilli fürs Bett fertig zu machen, als es an der Tür klingelte.
    "Wer ist denn das jetzt noch?", stöhnte sie. Lilli, die voller Begeisterung gerade in der Badewanne rumplantschte, warf mit allen möglichen Quietschenten und Spielsachen um sich. Sie spielte, als wäre nichts passiert und alles wäre in bester Ordnung. Doch das man sich große Sorgen um ihren Papa machte, schien sie nicht zu merken. Andrea nahm ein großes Badetuch und wickelte Lilli schnell darin ein. Schließlich sollte sie nicht alleine in der Badewanne bleiben. Lilli protestierte zwar, hatte sie doch großen Spaß an dem Wasserspiel doch es blieb ihr nichts anders übrig.
    "Tom?", sagte Andrea etwas erstaunt, als sie die Haustüre geöffnet hatte.
    "Was machst du denn hier?", wollte sie wissen und sah ihn mit müdem Blick an.
    "Kann ich reinkommen?", fragte Tom und lächelte.
    "Sicher", antwortete Andrea und ließ ihn eintreten. Drinnen verwies sie Tom auf das Sofa, mit der Begründung, sie müsse Lilli erst ins Bett bringen und er sollte sich so lange bequem machen. Tom gab ihr mit einem kurzen Nicken zu verstehen, dass es kein Problem für ihn war.
    Andrea blieb ungefähr eine viertel Stunde bei Lilli, dann kam sie mit zwei Wassergläsern zurück und setzte sich neben Tom.
    "Danke", sagte er, als Andrea ihm das Wasserglas unter die Nase hob. Dann saßen sie einige Minuten schweigend nebeneinander und jeder verfolgte seine Gedanken, bis Tom das Schweigen brach.
    "Wieso bist du vorhin denn so schnell weggewesen?", wollte er wissen und spielte mit seinem Wasserglas. Erst erwiderte Andrea darauf nichts, doch dann meinte sie leise: " Was hätte es denn gebracht, wenn ich dageblieben wäre?", fragte sie ihn und sah ihn an. Tom wusste darauf keine Antwort, deshalb spielte er weiter mit seinem Glas.
    "Siehst du?", erwiderte Andrea dann nur, nahm einen großen Schluck Wasser und sah an die Wand.
    "Ich habe noch mal mit dem Arzt gesprochen", sagte Tom schließlich und stellte sein Glas am Wohnzimmertisch ab.
    "er meinte, dass es durchaus möglich sein kann, dass Patienten sich am Anfang nur an eine bestimmte Person erinnern können", erklärte Tom und nahm nun doch wieder sein Glas, um irgendwas als Halt zu haben.
    "Aha", erwiderte Andrea nur gleichgültig und dachte nach. Es war nicht so, dass sie Tom hasste oder sie egoistisch war, doch sie konnte einfach nicht begreifen, warum Semir ihn erkannt hatte und sie nicht!
    "Weißt du Tom, ich finde es einfach ungerecht!", schluchzte sie dann, denn die Tränen standen schon wieder in ihren Augen.
    "Ich weiß!", antwortete Tom, stellte sein Glas weg und nahm sie erneut in den Arm.
    "Tom, es ist nicht so, dass ich mich nicht für dich freue, dass er dich erkannt hat, es ist nur so gemein!", stammelte sie. Tom seufzte innerlich. Er wusste nicht, was er antworten sollte, er hätte sich so gefreut, wenn Semir Andrea erkannt hätte und ihn dafür nicht.
    "Andrea. Dr. Maurer hat gesagt, dass es noch nicht bewiesen worden ist, warum Komapatienten sich manchmal nur an eine bestimmt Person erinnern können. Wir müssen einfach Geduld haben", sprach er ihr zuversichtlich zu.
    "Kannst du mich jetzt bitte alleine lassen?", sagte Andrea und löste sich aus seinem Arm.
    "Natürlich", meinte er. Andrea begleitete ihn noch zur Tür.
    "Wenn irgendwas ist, dann ruf mich an, egal wann, ok?", sagte Tom fürsorglich und gab ihr einen Wangenkuss.
    "Ich weiß, danke", verabschiedete sich Andrea und versuchte zu lächeln. Dann schloss sie die Tür und verkroch sich zurück auf die Couch. Mit angewinkelten Beinen saß sie einfach nur da, überlegte und dachte nach. Sie wünschte sich so sehr, dass Semir jetzt bei ihr wäre, sie einfach nur in den Arm nehmen würde und alles so wäre wie früher.
    Sie vermisste ihn so sehr, sein Lachen, seine Berührungen und die Liebe für sie. Doch dieser Wunsch schien in weiter Ferne zu sein. Sie erinnerte sich mit einem Lächeln an die Stunden, die sie mit ihm verbracht hatte und ihre Streitereien, wenn wieder einer von ihnen eifersüchtig war. Und dann war da noch ihre Hochzeit, die der schönste Tag in ihrem Leben war. Doch das alles schien vorbei zu sein. Sie wurde von einem Quengeln von Lilli aus ihren Gedanken gerissen. Sie seufzte und ging, um nach Lilli zu sehen. Sie nahm sie auf den Arm und legte sich gemeinsam mit ihr auf Semirs Bettseite. "Du vermisst den Papi genauso wie ich, hmm?", fragte sie und streichelte Lilli über den Kopf, bis sie dann erschöpft einschliefen.

  • Nächster Morgen


    "Guten Morgen! Es ist 7 Uhr und ihr hört Radio Energy". KNACK!
    Andrea schlug heftig auf ihren Radiowecker und drehte sich gähnend wieder um. Man, was für eine Nacht! Sie hatte kaum geschlafen, war müde und erschöpft. Stundenlang hatte sie wach gelegen. Sie hatte ständig an Semir gedacht und daran, was gestern geschehen war. Sie fühlte sich wie in einem Traum, aus dem sie nicht aufwachen wollte. Doch was geschehen war, war bittere Realität!
    Gähnend setzte Andrea sich auf und wuschelte sich durchs Haar. Noch leicht verschlafen sah sie um sich. Lilli schlief zu ihrer überraschung immer noch, wurde sie doch meistens ab halb 6 wach. Die blau rote Satinbettwäsche lag knapp unter Lillis Bauch und sie nuckelte noch friedlich an ihrem Schnuller.
    Andrea seufzte, zog die Decke vorsichtig etwas höher über Lilli, dann stand sie leise auf und ging erst einmal ins Bad. Sie wusch sich das Gesicht mit eiskaltem Wasser, es half wenigstens etwas um wach zu werden. Einen Blick danach in den Spiegel zu werfen, das Verlangen verspürte sie nicht, sie wusste auch so, dass sie immer noch fertig aussehen musste. Ihre Augen waren durch die vielen Tränen ziemlich rot und geschwollen und auch sonst sah sie aus, als hätte sie drei Nächte lang durch gemacht.
    Sie band sich einen lockeren Pferdeschwanz, dann verschwand sie in der Küche, um sich einen Kaffee und ein Müsli zu machen. Eigentlich hatte sie keinen rechten Hunger, doch sie zwang sich dazu wenigstens ein bisschen zu essen.
    Eine knappe halbe Stunde später krabbelte dann auch Lilli aus dem Schlafzimmer und tapste suchend in der Wohnung umher. Sie fand Andrea schließlich im Badezimmer, wo sie sich gerade fürs Büro fertig machte. Als Zeichen dafür, dass ihre Tochter nun auch wach war und beachtet werden wollte, zog Lilli heftig an Andreas Hosenbein.
    "Hey!" Na Schatz, bist du schon lange wach? Du hast aber lange geschlafen!", lächelte Andrea und nahm sie auf den Arm.
    "Ja", antwortete Lili wie aus der Pistole geschossen und sah sie stolz an.
    Ja, Lilli half ihr auf jeden Fall durch die schwere Zeit und ließ sie für einige Momente ihren Kummer vergessen. Denn trotz allem durfte sie nicht vergessen, dass sie noch eine Verantwortung für Lilli hatte und sie ihren Mutterpflichten nachkommen musste. Und das tat sie mit voller Begeisterung.
    "Mama, Unger", sagte Lilli plötzlich und sah sie fordernd und mit großen Augen an.
    "Hast du Hunger?", fragte Andrea und lief mit ihr in die Küche. Lilli nickte heftig, fast froh darüber, dass man sie endlich gefragt hatte. Andrea mixte ihr schnell einen Früchtequark, dann setzten sie sich an den Esszimmertisch. Schon bald wurde aus dem noch sauberen Esstisch ein ziemlicher Saustall, denn Lilli versuchte verzweifelt immer wieder alleine zu essen und traf nur den Löffel mit dem Quark nicht immer genau da hin, wo er hingehörte.
    Andrea beobachtete sie lächelnd. Wie schön wäre es jetzt, wenn Semir da wäre, um das alles zu sehen? Was wäre denn, wenn er sich nie wieder an sie erinnern würde? Was passiert denn dann aus ihr und Lilli? Sie brauchten ihn, sie liebten ihn doch!
    Andrea blickte beiläufig auf die Uhr. Es war schon kurz vor acht, um halb neun hatte sie Dienstbeginn und sie wollte diesmal, wenn ihr auch gar nicht zum Arbeiten zumute war, pünktlich im Büro erscheinen. Also hob sie Lilli aus ihrem Hochstuhl, befreite schnell ihr Gesicht mit einem warmen Waschlappen von den Resten des Quarkes, ebenso wurde der Tisch geputzt und dann gingen sie gemeinsam ins Kinderzimmer und Lilli wurde umgezogen. Knappe 20 Minuten später stand Lilli schon in Jacke und Schuhen bereit und auch Andrea war reisefertig.
    Sie schloss die Haustür, schnappte sich Lilli, lief dann mit Kind und Kegel zum Auto und fuhr zur Wache.


    Halb 9, PAST


    Andrea hatte es gerade noch so durch den Morgenverkehr geschafft und parkte auf dem Parkplatz. Dort kamen ihr schon einige Kollegen entgegen, die sie gleich freundlich begrüßten. Anscheinend schienen sie noch nichts von Semir mitbekommen zu haben. Das war vielleicht gar nicht schlecht, so musste sie sich nicht den neugierigen Fragen stellen. Sie schloss den Wagen ab und lief dann vor zum Haupteingang.
    Anhand von Toms leerem Parkplatz konnte sie erraten, dass er wohl einen Einsatz haben musste. Andrea atmete tief durch und ging dann hinein.
    "Na ihr 2?". Die beiden wurden von Hotte und Bonrath begrüßt.
    "Wie haben es schon von Tom gehört, es tut mir leid", meinte Bonrath und klopfte ihr freundschaftlich auf die Schulter. Andrea nickte nur und lächelte. Sie ging zu ihrem Schreibtisch und setzte zuerst Lilli in ihre Spielecke, direkt hinter ihrem Tisch, die man extra für se eingerichtet hatte, damit Andrea sie immer im Auge behalten konnte.
    Die anderen Kollegen fingen schon am Anfang für Lilli Feuer, am intensivsten aber Hotte und Dieter, die die Kleine schon fest in ihr Herz geschlossen hatten.
    Sie waren auch heute wieder die ersten, die sich begeistert neben Lilli setzten und liebevoll mit ihr spielten. Nicht immer zur Freude der Engelhardt, doch sie sah mit einem Schmunzeln darüber hinweg, denn auch sie mochte die Kleine sehr.
    Andrea beobachtete lächelnd, wie Lilli ihre 2 Großväter? (wie Semir sie immer lachend nannte) schon richtig unter Kontrolle hatte, sie wusste schon genau was sie tun musste, um Hotte und Dieter weich zu kriegen. Doch sie taten es gerne, schließlich hatte Hotte keine Kinder und auch Bonraths Sohn Jochen war bereits erwachsen.

  • Andrea schmiss ihren Computer an und gab das Passwort für die Programme ein. Sie konnte beobachten, wie die Engelhardt fluchend in ihrem Büro auf dem Stuhl saß und Akten in die Schublade schmiss. Vielleicht hatte Tom wieder einen Dienstwagen schrottreif gefahren, man wusste es nicht.
    "Ein ganz normaler Tag", wie Semir jetzt gesagt hätte.
    Stimmt, Semir! Was er jetzt wohl machte? Vielleicht schlief er noch oder er war beim Frühstück? Vielleicht dachte er auch gerade an sie, doch da hatte Andrea insgeheim keine Hoffnung. Hinten konnte sie Lilli lachen hören. Sie hatte riesigen Spaß mit den beiden, das war kaum zu überhören. Andrea wurde durch einen großen Ordner, den man ihr mit einem hier auf den Tisch lehnte, aus ihren Tagträumereien gerissen. Wieder ein Zeichen dafür, dass sie Arbeiten musste. Sie seufzte und begann Akten in den Ordner einzuheften.


    Eine Stunde waren auch Hotte und Dieter wieder an der Arbeit, wenn es ihnen auch schwer fiel das Spielen mit Lilli zu beenden. Deshalb lockten sie sie immer wieder aus ihrer Ecke, nahmen sie zu sich auf den Schoß und trieben allerlei Albereien mit ihr.
    Endlich traf auch Tom ein und gab seiner Lilli erst einen Kuss auf die Stirn, bevor er Hotte und Bonrath scharf ansah und meinte: "Verwöhnt sie bloß nicht zu sehr". Dann ging er grinsend weiter, hielt an Andreas Schreibtisch an und lehnte sich an die Tischkante.
    "Wie gehts dir? Du siehst müde aus", stellte er fest und sah sie mitfühlen an.
    "Danke der Nachfrage, es geht schon", antwortete sie nur und rieb sich durchs Haar. Tom wusste genau, dass dies gelogen war, es konnte ihr gar nicht gut gehen, aber er hakte nicht nach."Willst du nen Kaffee?", meinte er dann.
    "Gern", antwortete sie, stoppte mit dem Tippen und streckte sich.
    Tom blieb etwa 10 Minuten in der Küche dann kam er mit 2 Kaffeetassen zurück. Der feine Geruch stieg sofort in Andreas Nase und als sie einen Schluck nahm fühlte sie sich schon viel fitter.
    "Ich fahr nachher zu Semir. Willst du mitkommen?", fragte Tom. Andrea stockte, sie wollte gerne mit um Semir zu sehen, doch sie sah keinen Sinn darin.
    "Was soll ich denn da?", fragte sie und sah ihn an.
    "Er ist immer noch dein Mann", antwortete Tom und trank einen großen Schluck Kaffee.
    "Tom, ich weiß. Doch falls es dir entgangen ist, mein Mann kann sich weder an mich, noch an seine Tochter erinnern", erinnerte sie ihn und stellte ihre Tasse beiseite. Tom wollte etwas sagen, doch es wollten ihm nicht die passenden Wörter einfallen. "Und wenn du noch mal mit Dr. Maurer sprichst?", fragte er schließlich. Andrea zögerte. Sie wusste doch sowieso schon, was er ihr sagen würde.
    "Und was mach ich mit Lilli? Ich weiß nicht, ob es gut ist, wenn ich sie mitnehme?", erklärte sie und sah zu Hotte, Dieter und Lilli hinüber.
    "Ich glaube um Lilli brauchst du dir keine Sorgen machen. Die ist hier gut versorgt", meinte Tom und wies grinsend auf die 2 Großväter und die Kleine hin. Jetzt musste auch Andrea lachen. "Na gut, ich komme mit", gab sie schließlich nach.
    "So gefällst du mir schon besser", lachte Tom und verschwand im Büro, wahrscheinlich um seinen riesigen Haufen Berichte zu schreiben.
    Andrea sah ihm grinsend und kopfschüttelnd nach. Was würde sie jetzt ohne Tom machen? Sie war wirklich froh, dass er und auch Hotte und Dieter da waren und sie unterstützten. Sie war der festen Überzeugung, dass sie es gemeinsam schafften, Semir wieder so hinzubekommen, wie er vor dem Unfall war. Sie waren eben eine richtige Familie.


    2 weitere Stunden und etliche Berichte später, hatten Tom und Andrea Mittagspause. Die hatten sie sich auch redlich verdient. Der Vormittag war mal wieder ein ziemlich stressiger Tag gewesen, das Telefon hatte ununterbrochen geklingelt und ein Unfall nach dem anderen wurde gemeldet."Ihr wisst ja wo alles ist?", fragte Andrea und stellte eine große Tasche auf Hottes Schreibtisch.
    "Klar, jetzt fahrt schon", lächelte Hotte und stellte die Tasche auf den Boden.
    "Ihr habt was gut bei mir", sagte Andrea, gab Lilli schnell einen Schmatzer und zog sich ihre Jacke an.
    "Ach was, das machen wir doch gern", erklärte Bonrath.
    "Sicher? Und ihr kommt wirklich klar? Sie kann sehr anstrengend sein", meinte Andrea.
    "Jaaa, jetzt haut schon ab"
    "Ok, bis später", sagte Andrea, winkte noch mal ihrem Schatz, der es anscheinend nichts ausmachte, ihre Mama eine Weile nicht zu sehen, und lief dann mit Tom zusammen zu seinem Auto (das, so wie Andrea es befürchtet hatte, ausnahmsweise mal nicht kaputt war) und sie fuhren zum Krankenhaus.
    Die Stimmung auf der Fahrt war bedrückend und angespannt, Tom konnte förmlich spüren, welche Angst Andrea hatte. Er sah zu ihr hinüber, doch sie sah abwesend aus dem Fenster. Worüber sie wohl nachdachte ?Ach Andrea, du tust mir so leid?, dachte Tom und setzte seufzend den rechten Blinker in Richtung Autobahnausfahrt.

    Als sie dann am Krankenhaus anhielten und geparkt hatten, machten sie sich auf den Weg zu Semir. Diesmal nicht mehr in die Intensivstation, sondern in ein normales Zimmer, da es die ärzte nicht mehr für nötig hielten, Semir noch länger zu isolieren. Das freute die beiden natürlich sehr. Sie bekamen von der Rezeptionsdame den neuen Stationsnamen und die Zimmernummer und sie liefen hinauf. Als sie an Semirs Zimmer ankamen, wollte Tom schon die Türe öffnen, doch Andrea hielt ihn am Arm zurück.
    "Tom, geh du lieber alleine rein", sagte sie und sah ihn zögernd an.
    "Ich glaube ich werde Dr. Maurer suchen", meinte sie. Tom sah sie an. Er wollte sie noch davon abhalten, denn er konnte sehen, wie schlecht es Andrea ging und ihr die Tränen schon wieder kamen.
    "Jetzt schau mich nicht so an! Glaube mir, es ist besser so", sagte sie und lief den Gang zurück. Tom sah ihr schweigend nach. Er öffnete die Tür. Semir saß auf seinem Bett und las eine Zeitung.
    "Hey Tom, alles klar?", fragte er, er war schon fast so fröhlich wie früher.
    "Sicher, und bei dir?", wollte Tom wissen, nahm einen Stuhl und setzte sich zu ihm ans Bett.
    "Naja, bis auf das schlechte Essen und die trostlose Umgebung gehts eigentlich schon", lachte er und legte die Zeitung auf das Nachtschränkchen.
    "Apropos Essen: Willste nen Quark?", meinte er dann und zeigte auf einen grün gelblichen Brei. Tom verzog das Gesicht."Nee, danke!", grinste er.

  • "Konntest du dich inzwischen an etwas erinnern?", fragte Tom und schenkte sich aus einer Multivitaminflasche, die auf dem Nachtschrank stand, ein Glas ein.
    "Naja, nur an Kleinigkeiten", erklärte Semir.
    "An ein Büro, Autos und noch so viel Einzelteile, die ich nicht zu ordnen kann", fuhr er fort.
    "Na siehst du, das ist ja schon mal ein Anfang", lächelte Tom aufbauend.
    "Tom, ich fühl mich irgendwie verloren. Ich will mich ja erinnern, aber es geht nicht. Ich weiß fast nichts mehr", meinte Semir und sah aus dem Fenster. Er konnte sehen, wie dunkle Regenwolken aufzogen, wahrscheinlich würde es bald regnen.
    "Hey, schau mal. Du kannst dich schon an etwas erinnern. Du musst Geduld haben", sagte Tom zuversichtlich.


    2 Stationen weiter fand Andrea schließlich Dr. Maurer, der sich mit 2 Schwestern unterhielt. Um Diskretion zu bewahren hielt sie einige Meter Abstand und wartete geduldig, bis das Gespräch beendet war.
    "Also, Sie kümmern sich drum?", fragte der Doktor schließlich und drückte einer der Schwestern eine Mappe in die Hand, bis er sich umdrehte und lächelte, als er Andrea sah.
    "Ach Frau Schäfer, wie geht es Ihnen?", wollte er wissen und sie begrüßten sich per Händedruck.
    "Könnte besser gehen", war Andreas ehrliche Antwort und sie liefen langsam einige Treppen hinauf. "Seien Sie bitte ehrlich: Wird sich mein Mann wieder erinnern können, oder nicht?", fragte Andrea ruhig und sah ihm hoffnungsvoll in die Augen.


    Hottes nasse Angelegenheit


    Ich möchte nicht sagen, dass die beiden überfordert waren, doch Lilli hatte (wie Andrea mal gesagt hatte) ihren eigenen, kleinen Dickkopf, und wenn sie etwas nicht bekam, na ja, dann quengelte sie eben und das nun schon seit einer guten halben Stunde.
    Auch den anderen Kollegen und der Chefin ging das Theater mächtig auf den Zeiger, doch Hotte entschuldigte sich jedes Mal mit einem "Wir habens gleich, Chefin". Doch weder er, noch Dieter oder jemand anderes konnte Lilli beruhigen. Bis Müller endlich eine Idee hatte, was dem kleinen "Teufelchen" fehlen könnte:
    "Vielleicht muss sie gewickelt werden", meinte er unbeeindruckt und biss in sein Brötchen. Hotte und Dieter sahen sich sprachlos an. Ja natürlich, das war die Idee!
    Daraufhin sah man Bonrath gleich fordernd an. "Was habt ihr denn? äh, wisst ihr, wie lange es schon her ist, dass ich ein Kind gewickelt habe?", erklärte er und sah seine Kollegen an. Die zuckten nur ratlos mit den Schultern und widmeten sich ihrer Arbeit, so nach dem Moto: "Sollen die doch mal machen".
    "Ach komm, so schwer kann das doch nicht sein", sagte Hotte schließlich und wollte Lilli, die schon ziemlich lange auf einem "Beruhigungskeks" herumkaute, auf den Arm nehmen, doch sie fand die bunte Zettelbox auf Hottes Schreibtisch einfach interessanter.
    Also "wehrte" sie sich heftig, schmiss letztendlich die Box um und Hottes Notizen verteilten sich auf dem Boden. "Ach Mensch!", seufzte Hotte, die Kollegen grinsten schadenfroh, als sie die verzweifelten"Opas" beobachteten und auch als sie sahen, dass Lilli die ganze Aktion ziemlich lustig fand, zumindest lachte sie leise.
    Gen?tzt hatte ihr ihr "Aufstand" nicht. Sie trotteten trotzdem mit ihr auf die Toilette um sie zu wickeln.
    Eigentlich ist es ja ganz einfach: Hose ausziehen, Windel abmachen, Popo säubern (soweit es was zu säubern gibt), neue Windel drauf, fertig!
    Doch das hört sich in der Theorie sehr leicht an, doch in der Praxis kann es schon mal ein Problem darstellen, besonders wenn man Hotte und Dieter heißt.
    "Komm Dieter, gib mir mal die Windel!", befahl Hotte, als er Lilli die Hose auszog und die alte Windel gerade löste. Er hätte lieber einige Minuten warten sollen, denn das nasse Etwas, das eigentlich in die Windel gehörte, landete nun genau in Hottes Gesicht. Einige Sekunden trat Schweigen ein, dann kringelte sich Dieter vor Lachen (die Tränen liefen ihm schon übers Gesicht) und auch Lilli grinste, beinahe schadenfroh. "Hier, die Windel", stammelte Bonrath und rang nach Luft, als er Hotte die Windel unter die Nase hob. Grimmig schnappte er sie sich, legte sie zur Seite und verschwand schleunigst um ein Waschbecken aufzusuchen.
    Dieter wischte sich die Tränen aus dem Gesicht, holte tief Luft und ging lachend zu Lilli hinüber und vollendete "Hottes Werk? " natürlich ohne weiter Zwischenfälle! :P

  • -Zurück bei Andrea-


    "Nun, Frau Schäfer, ich denke, er wird sich wieder erinnern, immerhin hat er schon Herrn Kranich erkannt. Doch wie und wann das sein wird, kann ich Ihnen nicht sagen", erklärte Dr. Maurer. "Sehen Sie. Ich habe es auch schon versucht Herrn Kranich zu erklären: Es kann durchaus vorkommen, dass sich Patienten am Anfang nur an eine Person erinnern können. Ich kann es nur immer wieder wiederholen: Sie müssen abwarten", fuhr er fort und sie setzten sich auf eine große, braune Ledercouch, die im Aufenthaltsraum vor Semirs Station stand. "Ich weiß, doch das ist ziemlich schwer", sagte Andrea seufzend und spielte mit ihren Fingern. "Wollen Sie nen Kaffee?", fragte Dr. Maurer freundlich und ging auf Andreas stummes Nicken hin, zu einem Servierwagen, auf dem Tassen, Teller, Sprudelflaschen, Säfte, Tee- und Kaffeekannen standen.
    Plötzlich öffnete sich die Haupttür, die zur Station führte. Tom kam heraus. Er lächelte erleichtert, als er Andrea sah. Anscheinend hatte er sie schon gesucht. "Ah, da bist du ja", sagte er und setzte sich zu ihr.
    Dr. Maurer kam mit 3 Kaffeetassen zurück, er hatte gesehen, wie Tom sich zu Andrea gesetzt hatte. Als erstes, stellte er die Tassen auf einen kleinen Glastisch ab, dann begrüßte er Tom mit einem"Guten Tag" und setzte sich zu ihnen. "Es ist gut, dass ich Sie jetzt zusammen da habe. Ich muss etwas mit Ihnen besprechen", meinte er und verteilte die Kaffeetassen.
    Tom und Andrea sahen sich an.
    Was wollte er Ihnen sagen" Ging es um Semir"
    "Ich dachte, Sie können auch einen gebrauchen", lächelte er, als er Tom die Tasse gab. "Danke", antwortete er und tippte ungeduldig auf dem Tassenrand und trank darauf erst einmal einen großen Schluck.
    "Nun, es geht um folgendes: Herr Gerkhans Zustand ist soweit wieder ganz stabil. Es dürfte also kein Problem sein, wenn wir ihn in den nächsten Tagen entlassen."
    Das war wohl die wundervollste Nachricht seit den letzten Wochen!
    Tom und Andrea fielen sich überglücklich und lachend in die Arme. "Das ist ja eine wunderbare Nachricht!", meinte Andrea. Ihre ganze Anspannung der letzten Wochen schienen von ihren Schultern zu fallen. Doch ihre Freude hielt nicht lange an, als sie den besorgten Gesichtsausdruck von Dr. Maurer bemerkte. "Da kommt doch aber noch was?", fragte Tom und sah ihn erwartungsvoll an. "Da wäre nur noch ein Problem: Wir halten es für besser, wenn Herr Gerkhan für die nächsten Wochen bei Ihnen wohnt. Nur so lange, bis wir sicher sein können, dass er nicht mehr in einen Schockzustand fallen kann", erklärte er und sah zu Tom. Tom schielte zu Andrea hinüber. Er wusste, wie sie sich jetzt nach dieser Information fühlen musste. Die Freude aus ihrem Gesicht war verschwunden, stattdessen blickte sie stumm geradeaus. Wochenlang hatte sie gebetet, gebangt und gehofft, heute kam nun endlich die freudige Nachricht, dass Semir entlassen wurde. Und nun sollte er bei Tom wohnen? Andrea fühlte sich, als hätte man ihr einen heftigen Schlag in die Bauchgegend verpasst.

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  • Tom hingegen hatte gemischte Gefühle. Einerseits war da das Mitgefühl für Andrea und der Wunsch bei ihr zu sein und sie zu unterstützen. Andererseits konnte er, er wollte nicht egoistisch klingen, deshalb behielt er seine Gedanken für sich, auch den Arzt verstehen, dass es wohl das Beste für Semir wäre.
    "Frau Schäfer, ich kann verstehen wie Sie sich jetzt fühlen?". Er wurde von Andrea unterbrochen. "Ach, können Sie das wirklich?", wollte sie tonlos wissen und sah noch kurz zu Tom, der unsicher mit seiner Tasse herumspielte. Dann drehte sie sich abrupt um, griff hektisch nach ihrer Jacke und der Tasche, stellte die Tasse so heftig ab, dass der Kaffe über den Rand schwappte und sich auf dem Tisch verteilte und verließ mit schnellen Schritten die Station und eilte zum Aufzug. "Andrea!", rief Tom, drückte Dr. Maurer die Tasse in die Hand, sprang von seinem Platz auf und rannte ihr hinterher. Am Aufzug angekommen, wollte er Andrea am Arm festhalten, doch sie schüttelte ihn mit einem "Lass mich" ab. Sie lief in den Aufzug hinein, drückte den gelben Knopf mit der Aufschrift "E" und fuhr hinunter.
    Tom blieb alleine zurück und starrte auf die geschlossene Aufzugstür. Andreas Reaktion war heftig, doch er konnte sie verstehen.
    Seufzend ging er zurück und setzte sich wieder neben Dr. Maurer. "Ich habe mir schon gedacht, dass sie so reagieren wird. Sie müssen das verstehen. Die letzten Wochen und Monate haben sie sehr mitgenommen", versuchte er Andreas Reaktion zu erklären."Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen", meinte er lächelnd und wischte kurz den Tisch mit einem Tempo sauber, bevor er die Tassen abstellte.
    "Ich will es Ihnen erklären", begann Dr. Maurer dann zu berichten. "Ich und meine Kollegen halten es einfach für sinnvoller, wenn Herr Gerkhan zu Ihnen zieht. Wenn er jetzt schon wieder in seiner ´gewohnten Umgebung´ sprich bei seiner Familie wäre, könnte es sein, dass es zu viel auf einmal für ihn wird und er sich vielleicht an gar nichts mehr erinnern kann, sprich auch die Erinnerung an Sie könnte verlöschen", sprach er. Tom schluckte und hörte erschrocken weiter zu. "Wir können ihn zwar entlassen, weil er soweit wieder ´gesund´ ist, doch Sie müssen behutsam, langsam und vorsichtig mit ihm umgehen, wenn Sie eine weitere ´Katastrophe´ verhindern wollen. Sein Gehirn ist, so komisch es sich auch anhören mag, noch nicht bereit dafür, so viele Eindrücke aufzunehmen. Deshalb ist es besser, wenn er zu Ihnen kommt, da Sie zur Zeit seine einzige Vertrauensperson sind. Seine Erinnerung wird wiederkommen, doch Sie müssen sich langsam voranarbeiten?, erklärte Dr. Maurer.


    Da ja jetzt die Schule wieder angefangen hat, kann es sein, dass es ein oder zwei Tage dauern kann, bis es weiter geht. Aber ihr habt ja jetzt noch einige andere Beiträge, die ihr lesen könnt. Hoffe sie gefallen euch :P
    Hab euch alle lieb
    steffi

    Einmal editiert, zuletzt von Steffi ()

  • Hi Leute! Wie ihr seht hab ich mein Versprechen gehalten. Zwar ein bisschen spät, aber immerhin :P. Ich hoffe der neue Teil gefällt euch genauso gut wie mir. Viel Spaß beim lesen!! Eure Steffi


    Tom war sprachlos. Er wusste ja, dass Semir noch nicht völlig geheilt war, doch das es so schlecht um ihn stand? Seine Gefühle waren gespalten. Er wollte Semir helfen, doch was wurde aus Andrea? Konnte er es ihr wirklich ´antun´, wenn Semir wirklich zu ihm kommen würde? Semir sollte vielleicht doch zu Andrea ? vor allem aber zu Lilli, die, auch wenn sie es noch nicht zeigen konnte, ihren Papa auch sehr vermisste. Doch wäre es nicht eine zu große Belastung für die beiden? Sie bzw. Andrea müsste sich Tag und Nacht um ihn ´ kümmern´. Und er hatte doch sowieso keine Ahnung wer die beiden waren.
    Tom fühlte sich elend. Er konnte nicht allein entscheiden ? auf gar keinen Fall: Andrea musste ihr okay geben!
    Fragen über Fragen, doch es musste schleunigst eine Lösung her, so viel war klar.
    "Ich werde mit ihr sprechen", meint Tom dann und stand auf. "Tun Sie das und versuchen Sie, ihr alles zu erklären. Vielleicht versteht Sie es dann, warum wir so handeln wollen", erklärte Dr. Maurer. Tom nickte nur und reichte ihm die rechte Hand, die von der ganzen Aufregung leicht verschwitzt war. Sie verabschiedeten sich und jeder ging seiner Wege: Dr. Maurer verschwand mit den Tassen in einem Zimmer, um sie dort einer Schwester zum Spülen zu übergeben. Tom lief eilig zum Aufzug, drückte den Knopf und fuhr hinunter. Auf der ´Fahrt´ stieg ein älteres Ehepaar zu. Tom beobachtete lächelnd, wie liebevoll sich die Ehefrau um ihren Mann im Rollstuhl kümmerte. Trotz der Behinderung des Mannes, schienen sie dennoch glücklich zu sein. Toms Gesichtsausdruck wurde traurig und nachdenklich. Würden Andrea und Semir in 30 Jahren wohl auch so glücklich sein? Er war ganz in Gedanken versunken, trotzdem bemerkte er, dass er an seinem Ziel angekommen war. Er verließ den Fahrstuhl, lief durch die Eingangshalle und an der Rezeption vorbei und lief zum Parkplatz.
    Er blickte sich ein paar mal suchend um, vielleicht war Andrea ja noch da und wartete irgendwo auf ihn? Der Besucherparkplatz lag etwas entfernt von dem Krankenhaus, man musste zuerst eine große und stark befahrene Straße überqueren, und dann noch ein kurzes Stück Park hinter sich bringen. Ein Krankenwagen fuhr dicht und mit lautem Martinshorn an Tom vorbei, als er endlich über die Straße kam. Weiter vorne musste wohl die Ampel auf rot gesprungen sein. Am ´Eingang´ des Parkes, stand eine große, alte Eiche. Sie hatte riesige, wuchtige und wuchernde Äste, doch auch viele kleine Ärmchen?, die sich nach allen Seiten streckten.
    Die letzten bunten Blätter, die der Herbst noch nicht abgerissen hatte, tanzten im Wind. Die warmen Sonnenstrahlen warfen Blätterschatten auf den Boden und der frische Oktoberwind wirbelte einige einzelne Blätter in die Lüfte. Tom beobachtete einen großen Buntspecht, der gerade ein Loch hämmerte und dann mit einer großen Made davonflog. Es war zwar nur ein Baum, Tom war trotzdem irgendwie überwältigt. ´Die Hoffnung stirbt zuletzt´, stand in die Rinde geritzt, und wer immer das geschrieben hatte, er hatte verdammt Recht?
    Er lief noch ungef#hr 5 Minuten, dann erblickte er Andrea, die rechts von ihm auf einer kleinen roten Holzbank saß. Sie blickte abwesend geradeaus. Woran sie wohl gerade dachte?
    Tom war es unwohl zumute. Er wusste nicht, was er Andrea sagen sollte. Dennoch, er nahm seinen ganzen Mut zusammen und lief auf sie zu. Schweigsam setzte er sich neben sie und sie beobachteten eine ganze Weile die Bäume und lauschten dem Wind. Andreas Haare wurden ´Vom Winde verweht´ und einige Locken spielten in ihrem traurigen Gesicht. Tom konnte es aus dem Augenwinkel sehen. Schließlich nahm er behutsam ihre rechte Hand, ohne sie dabei anzusehen.
    Das war auch gar nicht nötig, sie verstand ihn auch so. Ein Zeichen, dass sie nicht alleine war: Tom war bei ihr und ihr tat es gut, dass zu wissen. Er gehörte zu ihren besten Freunden, sie, Semir und er hatten schon so viel miteinander erlebt, es hatte sie zusammen geschweißt. Und auch jetzt in dieser schweren Zeit hielten sie zusammen.
    "Es tut mir leid, dass ich vorhin einfach so abgehauen bin", meinte sie dann und senkte leicht ihren Kopf."Du brauchst dich nicht zu entschuldigen, ich kann dich verstehen", sagte Tom und lächelte ihr zu. Sie erwiderte es irgendwie gequält. Sie seufzte. "Weißt du, ich weiß einfach nicht, wie es weitergehen soll. Wenn ich alleine wäre, ich würde es schon irgendwie schaffen. Aber Lilli? Was soll ich denn sagen? Sie braucht doch ihren Vater, genauso, wie ich ihn brauche", erklärte sie verzweifelt.

  • "Hey, egal wie du dich entscheidest und was du tust: Ich werde hinter dir stehen. Ich weiß, ich kann dir diese Entscheidung nicht abnehmen, doch ich will versuchen dir zu helfen so gut ich kann", versprach Tom und ließ ihre Hand los. "Danke", meinte Andrea nur und blickte stumm einem Vogel nach, der über sie hinweg flog. "Ich kann das jetzt nicht entscheiden. Ich muss darüber schlafen, okay?", fragte sie dann und zog den Reißverschluss ihrer Jacke nach oben. "Nimm dir die Zeit, die du brauchst", sagte Tom. "Wollen wir fahren?", fragte er schließlich und sie standen von ihrer Bank auf, um zu Toms Wagen zu laufen.
    Schweigend liefen sie nebeneinander. Andrea umklammerte fest ihre Tasche, sie hatte ein unsicheres Gefühl und auch Tom fühlte sich nicht wohl in seiner Haut. Sie waren beide in einer Zwickmühle und im Moment sah es nicht so aus, als könne man eine Entscheidung treffen.
    Sie hatten den Wagen erreicht, dank der Zentralverriegelung war er bereits offen und sie stiegen ein. Nachdenklich und innerlich irgendwie einsam, blickte Andrea aus dem Fenster. Die Bäume, Büsche und Leitplanken rasten vorbei und die Sonne verschwand für kurze Momente hinter großen, weißen Wolken.
    Nach ungefähr einer halben Stunde Autofahrt, kamen sie auf dem Revier an. Dort herrschte Hochbetrieb:
    Ein Schwertransporter war auf der A23 ins Schwanken gekommen, hatte sich gedreht und kippte um. Er sorgte für einen Massencrash, worauf die Autobahn sofort gesperrt werden musste. Drei Tote und einige Verletzte wurden gemeldet.
    Die Beamten und auch die Engelhardt wuselten von Gang zu Gang. Erleichtert blickte sie in die Gesichter von Tom und Andrea, als diese die ´Chaoswache´ betraten. "Da sind Sie ja endlich". Die Chefin war erleichtert. "Kranich, Sie fahren bitte sofort an die Unfallstelle und bringen den LKW ? Fahrer zum Verhör hierher", befahl die Engelhardt, drückte ihm einen kleinen roten Zettel in die Hand und quetschte sich an ihnen vorbei. Tom seufzte und wendete sich Andrea zu. "Kommst du klar?", wollte er wissen und sah sie besorgt an. "Sicher", antwortete sie und lächelte. "Okay, bis später", sagte Tom, sprintete zu seinem Wagen, hängte Blaulicht raus und fuhr zur A23.
    Andrea stellte ihre Sachen an ihrem Schreibtisch ab und suchte erst einmal Hotte, Dieter und Lilli. Sie fand sie dann in der Küche, zumindest Hotte und Dieter. "Na, wie wars im Krankenhaus??, wollte Hotte wissen, der gerade in einen roten Apfel biss. Die `Pippiattacke` war wohl vergessen. "Du, ich erzähl es euch später, ja?". Andrea wimmelte ab, als sie sich ein Glas Sprudel einschenkte. Hotte und Dieter sahen sich wortlos an. Was hatte Andrea zu verbergen?
    "Wo ist eigentlich Lilli?", fragte Andrea plötzlich und sah die beiden vorwurfsvoll an. "ist sie nicht auf ihrem Spielteppich?", wollte Dieter wissen und verrenkte seinen Kopf nach links, um zu Andreas Schreibtisch zu luken."ähh, nein", antwortete sie und wurde zappeliger. "Habt ihr denn nicht auf sie aufgepasst?", fragte sie laut, so dass sich einige Kollegen neugierig umsahen."ähh, natürlich haben wir das. Wir haben nur kurz etwas geholt", versuchte Hotte sich und Dieter zu verteidigen. Noch ehe Andrea kontern konnte, mischte Maier sich ein: "Andrea?! Sie ist bei Tom und Semir im Büro?, wies er lächelnd mit dem rechten Zeigefinger auf einen kleinen Punkt an Semirs Stuhl hin, der unsicher hin - und hertapste und immer wieder bei dem Versuch sich an der Stuhllehne hochzuziehen, auf den Po zurückplumpste. Andrea musste lächeln. Sie entschuldigte sich kurz bei Hotte und Dieter, die ihr mit einem Kopfnicken zu verstehen gaben, dass es kein Problem gewesen sei. Lächelnd lief sie zu ihrem Schatz, doch sie hielt an der Glastüre inne, als sie sah, dass Lilli an ein Familienfoto gelangen wollte. Sie, Semir und Andrea waren lachend und glücklich darauf zu sehen.
    Es war ein Ausflug an einem Sommertag im letzten Jahr gewesen. Sie waren früh morgens losgefahren, um an eine ganz besonders schöne Stelle am Rhein den Tag zu verbringen. Sie hatten eine Menge Spaß, sie badeten, machten ein Picknick, dösten in der Nachmittagssonne und liefen im Sonnenuntergang am Rhein entlang. Dort entstand auch dieses Foto, das jetzt auf Semirs Schreibtisch stand. Mit dem Kölner Dom im Abendlicht als Hintergrund, sah es wie ein Postkartenpanorama aus. Damals war die Welt noch in Ordnung und keine Sorgen plagten sie. Auch Lili hatte dort das erste mal "Mama" und "Papa" gesagt. Für beide war es ein Glücksmoment, an den sie sich noch heute erinnern, den sie wahrscheinlich auch nie vergessen werden.
    "Papa". Andrea wurde aus ihren Erinnerungen gerissen. Lilli stand mit ausgestrecktem Arm vor dem Foto und zeigte auf Semir. Andrea merkte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen.


    So, dass war der nächste teil, der neue folgt bald.
    Viel Spaß beim lesen
    Hab euch lieb
    Steffi

  • Sie konnte es nicht sehen, dass Lilli so litt. Sie stellte ihre eigene Situation und Gefühle in den Hintergrund, um voll und ganz für Lilli dazu sein.
    Es viel ihr schwer, denn auch sie litt sehr unter dem jetzigen Zustand von Semir und ihrem Verhältnis, schließlich hatte der Mann den sie liebte, keine Ahnung wer sie war.
    Schweren Herzens nahm sie Lilli auf den Arm. "Mach dir keine Sorgen, der Papa kommt bald wieder", versuchte Andrea, ihr die Situation zu "erklären". Lilli schaute sie, irgendwie bohrend und durchdringend, mit großen Augen an, als wollte sie sagen:" Hey, wo ist mein Papa? Er soll schleunigst wieder kommen!"
    Andrea strich ihr zärtlich über den Kopf und drückte sie fest. Lilli war wohl im Moment der einzige Halt, den sie hatte.
    Hotte und Dieter, die sie von draußen beobachteten, sahen sich traurig an. "Sie haben schon so viel erlebt, sie werden auch dass schaffen!", meinte Hotte nur leise und sah zu Dieter. Dieser nickte nur stumm.
    Die Stille wurde von einem schrillen Klingeln durchbrochen. Andreas Telefon klingelte, ein Zeichen, dass die Arbeit rief. "Komm, ich nehm sie dir ab", lächelte Dieter, als Andrea traurig aus dem Büro kam. Sie lächelte tapfer zurück und versuchte, die Tränen zu unterdrücken, sie wollte nicht schon wieder vor allen anderen Kollegen einen ´Heulkrampf´ bekommen.
    "Danke", antwortete sie, überreichte ihm Lilli und setzte sich an ihren Schreibtisch um das Gespräch entgegenzunehmen.
    Es war ein älterer Mann, der sich über einen Stau, der durch den Unfall, zu dem Tom gerufen wurde gebildet hatte, beschwerte. "Hören Sie, da können wir auch nichts machen", erklärte Andrea, die sich zusammen reißen musste, dem Mann nicht hysterisch ins Ohr zu brüllen.
    "Am besten, Sie fahren die nächste Ausfahrt raus, dann ist das Problem gelöst?, schlug Andrea vor. "Junge Frau! Wollen Sie mich veräppeln? Die nächste Ausfahrt ist 10Km entfernt und ich stehe hier schon seit einer Stunde", konterte der Mann genervt. Im Hintergrund konnte man hupen h?ren, er musste wohl wie ein Irrer seinen Vordermann auffordern, endlich Gas zu geben.
    "Denken Sie, Sie sind der einzige der Probleme hat? Soll ich Ihnen mal was sagen? Ihr dämlicher Stau interessiert mich nicht. Mein Mann kann sich weder an mich noch an unsere Tochter erinnern. Mir geht es beschissen und auch mir kann keiner helfen. Keiner weiß, ob er sich je wieder erinnert, also hören Sie auf, mich mit Ihren lapalien zu nerven!", schrie Andrea in den Hörer und knallte ihn zurpck auf das Telefon. Die Kollegen sahen erschrocken zu ihr hinpber. Was war nur in Andrea gefahren? Sie war doch sonst nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen und nun rastete sie so aus?
    Sie stptze ihren Kopf in ihre Hände. Dann konnte man ein Beben ihres Körpers sehen und ein Schluchzen vernehmen. Große Tränen fielen auf eine Mappe, die auf ihrem Tisch lag und sie verwischten die schwarze Schrift, die darauf stand.
    Das war jetzt wohl endlich der Augenblick, der gefehlt hatte, um das Fass zum überlaufen zu bringen. Alle Anspannungen, alle Ängste und Sorgen, die Wut und Verzweiflung, alles was sie in den letzten Monaten zurückgesteckt und geschluckt hatte, entlud sich in diesem Moment. Es war eine heftige Reaktion und ein starker Ausbruch, doch jeder ahnte, dass er längst überfällig war. Hotte war der erste, der langsam und etwas zögerlich auf sie zuging, ihr die Hand behutsam und tröstend auf die Schulter legte und sie schließlich in den Arm nahm. "Hey, es ist okay", meinte Hotte und strich ihr über den Rücken. Andrea erwiderte nichts. Sie konnte endlich den ganzen Schmerz loslassen und es tat ihr sichtlich gut.
    Die Engelhardt hatte die Szene beobachtet und auch nicht überhört. Doch sie machte Andrea keinen Vorwurf, dass sie den Mann am Telefon so angepflaumt hatte- nein, sie konnte sie in Gewisserweise verstehen. Allen ging das Unglück mit Semir nahe, auch ihr, doch für Andrea und Lilli musste die Situation noch schlimmer sein. Die Engelhardt wusste, dass die Liebe zwischen Andrea und Semir etwas ganz besonderes war, schließlich war sie fast von Anfang an dabei, als sie sich kennen- und lieben lernten.
    Fast jeden Streit und die kleinen Flirtereien hatte sie mitbekommen, eben das, was sich im Bßro abspielte und man als Chefin so mitbekam. Irgendwie fehlte auch ihr Semir:
    Seine Lockerheit, die er hatte, wenn er sich mal wieder nicht an die Vorschriften hielt, die immer zu gute Laune, die er im Büro verbreitete. Er fehlte wirklich ganz schön und es war ihr erst jetzt aufgefallen, als Semir nicht mehr da war.
    Andrea hatte sich inzwischen wieder gefangen und suchte in einer Schublade nach einem Taschentuch. "Tut mir leid!", sagte sie, als sie ein weißes, mit Blumen bedrucktes Tempo herauszog. "Hey, dass ist gar kein Problem. Ich kann dich verstehen", meinte Hotte nur und wimmelte Dieter, der sich ebenfalls um Andrea kümmern wollte, mit einer Kopfbewegung ab.
    "Weißt du, ich hab keine Ahnung wie es weiter gehen soll. Wie soll das werden, wenn Semir zu Tom zieht? Dann hab ich ihn doch erst Recht verloren!", erklärte sie und wischte sich die Nase, die schon rot geworden war, ab.
    Hotte hatte keine Ahnung worum es ging, hatte man ihnen ja noch nichts von der Idee gesagt, Semir sollte zu Tom ziehen, doch er erwiderte nichts, man würde ihnen schon noch alles erkl?ren, deshalb nickte er nur.
    "Ich glaube, nein- ich weiß, dass ihr das hinbekommt. Du musst nur Geduld mit Semir haben und vor allem aber auch mit dir! Es nützt euch gar nichts, wenn du dich unter Druck setzt, dann hilfst du Semir nicht. Du musst ihm einfach helfen und ihn so gut unterstützen, wie es geht, seine Erinnerung wieder zubekommen. Und egal was du brauchst, wir sind alle für euch da, ich denke, sogar die Chefin wird dir mal frei geben.
    Außerdem kann ich mir nicht vorstellen, dass sich Semir nicht mehr an dich erinnern wird, zur Not raste einfach aus und schrei ein bisschen, dann wird es bei ihm ´klick´ machen", erklärte Hotte lächelnd und klopfte ihr freundschaftlich auf die Schulter. Die übrigen Kollegen lauschten schmunzelnd den Worten, die Hotte sprach. Sie waren gerührt, sie wussten nicht, dass Hotte so schön ´dichten´ konnte.
    Nun konnte auch Andrea wieder lachen. Die lieben Worte hatten ihr neue Kraft gegeben und sie dachte:" Genau, wir schaffen das!"
    "Soll ich deinen Papierkram erledigen?", fragte Hotte. "Quatsch, gehör ich schon zum alten Eisen? Lass mal, ich mach das schon", grinste sie, atmete tief durch und zog einen blauen Kugelschreiber aus der silbernen Stiftebox.
    Hotte sah Dieter zufrieden an. Das war die Andrea die sie kannten:
    Fröhlich, um keinen Spruch verlegen und immer guter Dinge. Er schnappte sich eine Mappe, die zu bearbeiten war und machte sich wieder an die Arbeit.
    Die Operation "Hilf Andrea!", war erfolgreich beendet.


    Eine halbe Stunde später traf auch Tom mit dem LKW- Fahrer ein, mit dem er sofort in sein Büro zum Verhör, lief. Als sie an Andreas Schreibtisch vorbei ´schwankten´ rümpfte diese die Nase, denn eine starke und stechende Alkoholfahne, verteilte sich in der Luft. Als Tom Andreas Gesicht sah, meinte er nur grinsend:" Frag bloß nicht. Ich hab schon alle Duftbaumrationen für mein Auto aufgekauft". "Boah ey". Andrea musste ebenfalls grinsen und fächerte sich mit den Händen ´frische´ Luft zu.
    Tom ´schleppte´ den Fahrer hinein und drückte ihn unsanft auf einen Stuhl, doch den Mann schien es kaum zu interessieren, zumindest begann er laut und grell zu lachen.
    Andrea beobachtete belustigt die Szenerie und schälte sich eine Banane. - Tom öffnete die Tür und - rankte- nach Luft. "Find mal bitte alles über den heraus", sagte Tom. "Klar, mach ich". Sie tippte ´den´ in ihren Computer, worauf dieser die Information ´Keine Dateneinträge´ ausspuckte.
    "Nee, tut mir Leid", meinte Andrea ´todernst´ und sah ihn an. "Der Kerl heißt Tim Maier", antwortete Tom und Andrea meinte nur grinsend:" Hoho, das ist eine Information mit der ich was anfangen kann". Tom nickte ihr zu und verschwand dann mit neuen, voll getankten Lungen im Büro.
    Nach knappen 15 Minuten war das ´Bullen- Jägermeister- Gespräch´ beendet und Tim wurde von Bonrath in eine Ausnüchterungszelle geführt. Tom riss derweil in seinem Büro alle Fenster auf, um den Gestank loszuwerden.
    "Und? Was hast du über ihn rausbekommen?", wollte Tom wissen und lehnte sich an Andreas Schreibtisch. "äh, Tom?", sagte Andrea und hielt sich die Hand unter die Nase. Tom sah sie fragend an. "Du stinkst wie eine Schnapsflasche auf zwei Beinen", fuhr sie fort und sah ihn grinsend an. "Ah", raunzte er nur und setzte sich mit einigem Abstand neben Andrea.
    "Also, der ist 35 Jahre, ist verheiratet, hat 2 Kinder und lebt in Köln- Ossendorf. Er hat keine Delikte, keine Vorstrafen, nichts. Der hat ne Blütenreine Weste", erklärte Andrea kurz und bündig. "Wieso hat er so was gemacht?", fragte sie und sah auf das Foto, das auf dem Bildschirm zu sehen war. "Glaub mir, wenn er bei sinnen ist, wird er sich das auch fragen", meinte Tom. "Manche Menschen können nicht verstehen was es heißt, eine Familie zu haben und wie schnell alles vorbei sein kann. Er sollte sich glücklich schätzen und sein Glück nicht leichtfertig aufs Spiel setzen", seufzte Andrea und blickte traurig in die ´Ferne´. Tom hatte den Unterton in ihrer Stimme sehr wohl verstanden. "Wie siehts eigentlich aus? Hast du eine Entscheidung getroffen?", wollte er vorsichtig wissen und wartete Andreas Reaktion ab. Andrea überlegte kurz. Dann atmete sie durch und sah Tom an. "Wie viel Zeit hab ich noch, um seine Sachen zu packen?", fragte sie und versuchte zu lächeln."Heißt das??", hackte Tom nach. "Ja genau das!", antwortete sie und nickte.


    Hey ihr eifrigen Story- Leser!
    Das war jetzt aber ein langer Teil! Ich glaube, so langsam komme ich aus meiner kreativen Schaffenspause herausJ Ich hoffe, dass der neue Teil euch gefällt und ihr mich wieder mit Kritik befallt.
    Ich hoffe auch, ihr seid nicht allzu böse mit mir, wenn es mal wieder länger dauern kann bis der nächste Teil kommt, aber ich gebe mein bestes, versprochen! Ich wünsch euch viel Spaß beim Lesen?


    Ganz, ganz viele liebe Grüße an euch alle,
    eure Steffi

  • -1 Tag später-


    "Lilli? Komm Schatz, wir müssen uns beeilen. Onkel Tom kommt doch gleich, wir wollen doch zum Papa!", sagte Andrea und trug eine große, schwarzblaue Reisetasche aus dem Schlafzimmer. Lilli, die auf dem Wohnzimmerteppich mit Bauklötzen und Stofftieren spielte, (obwohl, ich würde es wohl eher umher werfen nennen) schaute aufgeregt nach oben, als Andrea auf sie zu lief, um sie hochzuheben. "Du kannst nachher weiter spielen. Der Papa kommt doch heute aus dem Krankenhaus, da wollen wir doch da sein, oder?", fragte sie und zog ihre Jacke und die Schuhe an. "Ja", antwortete sie und spielte mit ihrem Schnuller. Da klingelte es auch schon an der Tür.
    "Da ist er schon", sagte Andrea für sich, setzte Lilli noch schnell auf die Couch und öffnete dann die Haustür. "Hey, warteste noch einen Augenblick? Wir sind noch nicht ganz fertig", entschuldigte sie sich und suchte ihre Sachen zusammen. "Mach dir keinen Stress", beruhigte er sie und setzte sich zu Lilli auf die Couch, die ihn auch gleich freundlich, wild mit den Armen rudernd, empfang. "Meinst du, die Sachen reichen fürs Erste?", fragte Andrea unsicher, als sie eine Saftflasche und einen Stoffhasen in Lillis Tasche räumte. "Sicher. Und wenn nicht, dann hol ich einfach noch welche", sagte Tom und schon im nächsten Moment bereute er seine Aussage, als er Andrea sah. Sie wischte sich schnell eine Träne aus ihrem Gesicht, in der Hoffnung, niemand würde es bemerken, doch Tom hatte sie sehr wohl gesehen. "Mann, tut mir leid! So war das nicht gemeint!", entschuldigte er sich schnell und ging zu ihr. "Tom?! Ich weiß und du kannst auch nichts dafür. Mir ist nur gerade noch mal bewusst geworden, was für eine schwere Zeit jetzt auf uns zukommt", meinte sie und schulterte den Rucksack mit Lillis Utensilien. Sie sah ihn an.
    "Jetzt aber Schluss. Komm, wir müssen, sonst kommen wir noch zu spät", lächelte sie und hängte den Hausschlüssel vom Schlüsselhacken.
    Tom lächelte zurück, packte sich Lilli und sie fuhren zum Krankenhaus. Dort angekommen, mussten sie nicht lange suchen, bis sie Semir schon ´reisefertig´ in der Lounge vorfanden. "Hast du Angst?", fragte Tom, als Andrea zögernd, langsamer hinter ihm lief. "es geht. Ich hab Angst vor seiner Reaktion- und vor Lillis", gestand sie und drückte Tom die Reisetasche in die Hand. "Andrea?! Komm mit, ich bin ja auch noch da". Tom redete ihr zu und auch Andrea faste schlie?lich Mut, zu Semir zu gehen.
    So atmete sie durch, hielt Lilli fester im Arm und sie liefen gemeinsam zu Semir. "Papa!". Die ersten Worte mit Semir wurden gewechselt- durch seine Tochter. "Bschh", flüsterte Andrea, gab Lilli schnell einen Stirnkuss und wartete dann gespannt Semirs Reaktion ab. Doch wie sie schon befürchtet hatte, überwog seine Freude mehr über Tom, als über sie. "da bist du ja endlich. Ich dachte schon, du hast mich vergessen", scherzte Semir in alter Frohnatur. "Quatsch, meinen Lieblingspartner doch nicht", lachte Tom und beobachtete Semir, wie er über seine Schulter lugte und Andrea und Lilli entdeckte. "Und wer ist das?" wollte er wissen und lief mit einem lächeln auf die beiden zu. Anscheinend schien er nicht mehr zu wissen, dass Andrea damals schon im Krankenhaus war, um ihn zu besuchen und wie mies er sie behandelt hatte.
    Andrea zuckte innerlich zusammen, sie verspannte und sie begann zu zittern. Mit jedem Schritt, den Semir näher zu ihr kam, wurde sie unruhiger. Fast ein Segen, dass Tom dazwischen ging, um die Situation zu ´retten´. "das ist Andrea, unsere Sekretärin. Erinnerst du dich nicht?", fragte er vorsichtig. "nein! Außerdem müsste ich mich an so ein Lächeln erinnern!", sagte er und zwinkerte ihr schelmisch zu. Dann drahte er sich um, um seine restlichen Sachen zu holen. "Bin gleich wieder da", meinte er und verschwand hinter der Ecke.
    Andrea sah Tom fassungslos an.
    Semir hatte mit ihr geflirtet: Vielleicht bewusst, vielleicht unbewusst, zumindest löste es in Andrea eine Art kleines Glücksgefühl aus. "was war das denn?", fragte sie fast sprachlos und Tom zuckte mit den Schultern. "Keine Ahnung, aber das war doch ein gutes Zeichen, oder?", fragte er. "auf alle Fälle", erwiderte sie und sie setzte sich gemeinsam mit Lili auf einen Ledersessel. Sie lächelte irgendwie abwesend, sie konnte es noch nicht richtig begreifen, wie ihre Begegnung abgelaufen war. Das hatte sie nicht erwartet, das hatte wohl keiner. Semir hatte sie angel?chelt, fast schon wie früher. Für jeden anderen Außenstehenden wäre es jetzt unverständlich, wie ein einfaches lächeln einen Menschen wieder glücklich machen konnte, doch für Andrea bedeutete es alles - ein Lichtblick, dass noch nicht alles für sie beide verloren war!
    Doch Tom wusste sehr wohl, was Semir kleine Flirterei ausgelöst hat. Er hatte sie beobachtet, wie überrascht sie gewesen war, wie leicht Röte in ihr Gesicht stieg und wie schüchtern und doch vertraut sie ihn angesehen hatte. Tom wusste, Semirs Liebe war noch nicht erloschen, sie war tief verborgen, man musste sie nur herausholen. Er beobachtete Andrea und schüttelte dann lächelnd den Kopf.


    Hey ihr lieben!
    Entschuldigt bitte, dass der jetzige Teil so lange gedauert hat. Aber ich gebe wie immer mein bestes, dass es schneller geht?
    Viel Spaß beim Lesen, viel Liebe Grüße und Knutschis an euch alle
    Eure Steffi

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